ländischen Völker in höchster Vollkommenheit, mit Ausnahme je- doch der Hindu, die durch starke Blutmischungen mit Dravida ihre Reinheit verloren haben1). Die Gestalt des Schädels schwankt in Europa von der Mittelform bis zu hohen Breitenindices2). Stets ist die Höhe geringer, oft merklich geringer als der Querdurch- messer. Bei Nordeuropäern waren blondes Haar und blaue Augen sehr häufig, selbst bei den Kelten Galliens, wie sie uns noch im Alterthum beschrieben werden, während ihre Nachkommen, die Franzosen, uns den Beweis liefern, wie vergänglich jene Merk- male sind.
Die geistigen Vorzüge und die bürgerliche Entwickelung der indoeuropäischen Völker zu schildern, ist eine Aufgabe, welche die Geschichtschreiber längst zu lösen begonnen haben. Uns fällt nur die Ermittelung zu, welchen günstigen oder ungünstigen Ein- fluss die Natur des Wohnortes und vor allem Europa's auf die frühe Reife unsrer Gesittung ausgeübt habe. Leider können wir bis jetzt nur errathen, wo die Ursitze der Indoeuropäer gesucht werden sollten. Mit Unwillen muss jedoch von jedem Erdkundigen die alte Ansicht verworfen werden, nach welcher vom Hochlande Pamir unsre Voreltern herabgestiegen sein sollen. Selbst jetzt noch gehört jenes Gebiet zu den unbekanntesten Erdräumen, jedenfalls waren unwirthliche nur der Viehzucht nutzbare Hoch- ebenen am schlechtesten gewählt als Ursitz einer hohen Cultur und Cultursprache.
Weit verführerischer wirkt die Wahl Turkistans hauptsächlich Bactriens auf die Erforscher indischer und eranischer Sprachen3). Wird nun durch eine Auscheidung der allen Gliedern gemeinsamen Wurzeln der alte Sprachschatz der arischen Urzeit neu hergestellt, so gewinnen wir zugleich ein Gemälde von den gesellschaftlichen Zuständen jener Völker im höchsten Alterthume. Wir erfahren dadurch, dass sie bereits den Acker bauten, ihn mit Rindern pflügten, Wagen mit Rädern gebrauchten, Milchwirthschaft trieben, und ein nahes Meer mit Ruderbooten, nicht mit Segelkraft be-
1) S. oben S. 483--484.
2) S. oben S. 58--61.
3) J. Muir, Original Sanskrit Texts. Part. II, cap. 2. sect. VII. pag. 304--322.
Die mittelländische Race.
ländischen Völker in höchster Vollkommenheit, mit Ausnahme je- doch der Hindu, die durch starke Blutmischungen mit Dravida ihre Reinheit verloren haben1). Die Gestalt des Schädels schwankt in Europa von der Mittelform bis zu hohen Breitenindices2). Stets ist die Höhe geringer, oft merklich geringer als der Querdurch- messer. Bei Nordeuropäern waren blondes Haar und blaue Augen sehr häufig, selbst bei den Kelten Galliens, wie sie uns noch im Alterthum beschrieben werden, während ihre Nachkommen, die Franzosen, uns den Beweis liefern, wie vergänglich jene Merk- male sind.
Die geistigen Vorzüge und die bürgerliche Entwickelung der indoeuropäischen Völker zu schildern, ist eine Aufgabe, welche die Geschichtschreiber längst zu lösen begonnen haben. Uns fällt nur die Ermittelung zu, welchen günstigen oder ungünstigen Ein- fluss die Natur des Wohnortes und vor allem Europa’s auf die frühe Reife unsrer Gesittung ausgeübt habe. Leider können wir bis jetzt nur errathen, wo die Ursitze der Indoeuropäer gesucht werden sollten. Mit Unwillen muss jedoch von jedem Erdkundigen die alte Ansicht verworfen werden, nach welcher vom Hochlande Pamir unsre Voreltern herabgestiegen sein sollen. Selbst jetzt noch gehört jenes Gebiet zu den unbekanntesten Erdräumen, jedenfalls waren unwirthliche nur der Viehzucht nutzbare Hoch- ebenen am schlechtesten gewählt als Ursitz einer hohen Cultur und Cultursprache.
Weit verführerischer wirkt die Wahl Turkistans hauptsächlich Bactriens auf die Erforscher indischer und erânischer Sprachen3). Wird nun durch eine Auscheidung der allen Gliedern gemeinsamen Wurzeln der alte Sprachschatz der arischen Urzeit neu hergestellt, so gewinnen wir zugleich ein Gemälde von den gesellschaftlichen Zuständen jener Völker im höchsten Alterthume. Wir erfahren dadurch, dass sie bereits den Acker bauten, ihn mit Rindern pflügten, Wagen mit Rädern gebrauchten, Milchwirthschaft trieben, und ein nahes Meer mit Ruderbooten, nicht mit Segelkraft be-
1) S. oben S. 483—484.
2) S. oben S. 58—61.
3) J. Muir, Original Sanskrit Texts. Part. II, cap. 2. sect. VII. pag. 304—322.
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Die mittelländische Race.
ländischen Völker in höchster Vollkommenheit, mit Ausnahme je-
doch der Hindu, die durch starke Blutmischungen mit Dravida
ihre Reinheit verloren haben 1). Die Gestalt des Schädels schwankt
in Europa von der Mittelform bis zu hohen Breitenindices 2). Stets
ist die Höhe geringer, oft merklich geringer als der Querdurch-
messer. Bei Nordeuropäern waren blondes Haar und blaue Augen
sehr häufig, selbst bei den Kelten Galliens, wie sie uns noch im
Alterthum beschrieben werden, während ihre Nachkommen, die
Franzosen, uns den Beweis liefern, wie vergänglich jene Merk-
male sind.
Die geistigen Vorzüge und die bürgerliche Entwickelung der
indoeuropäischen Völker zu schildern, ist eine Aufgabe, welche
die Geschichtschreiber längst zu lösen begonnen haben. Uns fällt
nur die Ermittelung zu, welchen günstigen oder ungünstigen Ein-
fluss die Natur des Wohnortes und vor allem Europa’s auf die
frühe Reife unsrer Gesittung ausgeübt habe. Leider können wir
bis jetzt nur errathen, wo die Ursitze der Indoeuropäer gesucht
werden sollten. Mit Unwillen muss jedoch von jedem Erdkundigen
die alte Ansicht verworfen werden, nach welcher vom Hochlande
Pamir unsre Voreltern herabgestiegen sein sollen. Selbst jetzt
noch gehört jenes Gebiet zu den unbekanntesten Erdräumen,
jedenfalls waren unwirthliche nur der Viehzucht nutzbare Hoch-
ebenen am schlechtesten gewählt als Ursitz einer hohen Cultur
und Cultursprache.
Weit verführerischer wirkt die Wahl Turkistans hauptsächlich
Bactriens auf die Erforscher indischer und erânischer Sprachen 3).
Wird nun durch eine Auscheidung der allen Gliedern gemeinsamen
Wurzeln der alte Sprachschatz der arischen Urzeit neu hergestellt,
so gewinnen wir zugleich ein Gemälde von den gesellschaftlichen
Zuständen jener Völker im höchsten Alterthume. Wir erfahren
dadurch, dass sie bereits den Acker bauten, ihn mit Rindern
pflügten, Wagen mit Rädern gebrauchten, Milchwirthschaft trieben,
und ein nahes Meer mit Ruderbooten, nicht mit Segelkraft be-
1) S. oben S. 483—484.
2) S. oben S. 58—61.
3) J. Muir, Original Sanskrit Texts. Part. II, cap. 2. sect. VII. pag.
304—322.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/562>, abgerufen am 22.12.2024.
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