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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.

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Die amerikanische Urbevölkerung.
sogenannten Quichuastämme, und um den Titicaca-See die Colla,
heutigen Tages besser gekannt unter dem Namen Aymara, der ihnen
irrthümlich beigelegt worden ist 1). Vormals wurden diese letzteren
als das älteste Culturvolk angesehen, ihre Sprache sollte die so-
genannte Hofsprache der Kaiser in Peru 2) und die Sonnen-
tempel am Titicaca-See die frühesten Bauwerke der Culturstämme
Südamerika's gewesen sein. Jetzt jedoch müssen wir den Ursitz
in Cuzco selbst suchen. Die Cara oder Bewohner von Quito,
die ebenfalls eine Quichua-Mundart redeten, waren angeblich den
Rio Esmeraldas heraufgestiegen und hatten sich der Hochebene
bemächtigt 3). Sie verfertigten künstliche gegossene Arbeiten aus
Gold 4), aber auch Werkzeuge aus Bronze, und beobachteten den
Eintritt der Sonnenwenden wie die Peruaner an weithin sichtbaren
Steinsäulen 5). Völlig verschieden von den Quichuavölkern sind
die Yuncastämme, welche die Küstenflüsse am Westabhang der
Anden bewohnten, sich aber landschaftlich in getrennte Staaten
absonderten. Sie haben unzählige geräumige Baureste von ver-
gleichsweise hohem Kunstwerth hinterlassen und hatten mit Meister-
schaft ihr Land bewässert 6). Sicherlich haben die Incaperuaner
ebenso viel von ihnen erlernt, als sie ihnen mitzutheilen hatten 7).

Der Rio Maule bildete zu den Kaiserzeiten die Grenze zwischen
Peru und Chile. Von ihm angefangen gegen Süden sassen die
Araucaner und die ihnen nahe stehenden Patagonier. Im heutigen
Chile nannten sich diese Völker Pehuentschen oder die "West-
lichen", von Valdivia bis zum Feuerland 8) Huillitschen oder die
"Südlichen", in Patagonien Tehueltschen, endlich auf den Pampa

1) Clements Markham im Journal of the Royal Geogr. Society. 1871.
vol. XLI. p. 330--331.
2) Gründlich widerlegt von Markham, l. c. p. 312--313.
3) Velasco, Histoire du royaume de Quito. Paris 1840. tom. I. p. 16.
p. 184--185.
4) Benzoni, Mondo nuovo. Venetia. 1565. lib. III, cap. 1. p. 168--169.
5) Joseph de Acosta, Historia natural y moral de las Indias. lib. VI.
cap. 3. Madrid 1792. tom. II. p. 96.
6) Markham, l. c. p. 321--324.
7) Alte Regentenlisten von Yuncaherrschern und einen Abriss ihrer
Geschichte gibt Miguel Cavello Balboa. (Histoire du Perou, ed. Ternaux-
Compans. Paris 1840. p. 86--95.)
8) Ueber die Feuerländer selbst s. oben S. 151.

Die amerikanische Urbevölkerung.
sogenannten Quichuastämme, und um den Titicaca-See die Colla,
heutigen Tages besser gekannt unter dem Namen Aymara, der ihnen
irrthümlich beigelegt worden ist 1). Vormals wurden diese letzteren
als das älteste Culturvolk angesehen, ihre Sprache sollte die so-
genannte Hofsprache der Kaiser in Peru 2) und die Sonnen-
tempel am Titicaca-See die frühesten Bauwerke der Culturstämme
Südamerika’s gewesen sein. Jetzt jedoch müssen wir den Ursitz
in Cuzco selbst suchen. Die Cara oder Bewohner von Quito,
die ebenfalls eine Quichua-Mundart redeten, waren angeblich den
Rio Esmeraldas heraufgestiegen und hatten sich der Hochebene
bemächtigt 3). Sie verfertigten künstliche gegossene Arbeiten aus
Gold 4), aber auch Werkzeuge aus Bronze, und beobachteten den
Eintritt der Sonnenwenden wie die Peruaner an weithin sichtbaren
Steinsäulen 5). Völlig verschieden von den Quichuavölkern sind
die Yuncastämme, welche die Küstenflüsse am Westabhang der
Anden bewohnten, sich aber landschaftlich in getrennte Staaten
absonderten. Sie haben unzählige geräumige Baureste von ver-
gleichsweise hohem Kunstwerth hinterlassen und hatten mit Meister-
schaft ihr Land bewässert 6). Sicherlich haben die Incaperuaner
ebenso viel von ihnen erlernt, als sie ihnen mitzutheilen hatten 7).

Der Rio Maule bildete zu den Kaiserzeiten die Grenze zwischen
Peru und Chile. Von ihm angefangen gegen Süden sassen die
Araucaner und die ihnen nahe stehenden Patagonier. Im heutigen
Chile nannten sich diese Völker Pehuentschen oder die „West-
lichen“, von Valdivia bis zum Feuerland 8) Huillitschen oder die
„Südlichen“, in Patagonien Tehueltschen, endlich auf den Pampa

1) Clements Markham im Journal of the Royal Geogr. Society. 1871.
vol. XLI. p. 330—331.
2) Gründlich widerlegt von Markham, l. c. p. 312—313.
3) Velasco, Histoire du royaume de Quito. Paris 1840. tom. I. p. 16.
p. 184—185.
4) Benzoni, Mondo nuovo. Venetia. 1565. lib. III, cap. 1. p. 168—169.
5) Joseph de Acosta, Historia natural y moral de las Indias. lib. VI.
cap. 3. Madrid 1792. tom. II. p. 96.
6) Markham, l. c. p. 321—324.
7) Alte Regentenlisten von Yuncaherrschern und einen Abriss ihrer
Geschichte gibt Miguel Cavello Balboa. (Histoire du Pérou, ed. Ternaux-
Compans. Paris 1840. p. 86—95.)
8) Ueber die Feuerländer selbst s. oben S. 151.
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[469/0487] Die amerikanische Urbevölkerung. sogenannten Quichuastämme, und um den Titicaca-See die Colla, heutigen Tages besser gekannt unter dem Namen Aymara, der ihnen irrthümlich beigelegt worden ist 1). Vormals wurden diese letzteren als das älteste Culturvolk angesehen, ihre Sprache sollte die so- genannte Hofsprache der Kaiser in Peru 2) und die Sonnen- tempel am Titicaca-See die frühesten Bauwerke der Culturstämme Südamerika’s gewesen sein. Jetzt jedoch müssen wir den Ursitz in Cuzco selbst suchen. Die Cara oder Bewohner von Quito, die ebenfalls eine Quichua-Mundart redeten, waren angeblich den Rio Esmeraldas heraufgestiegen und hatten sich der Hochebene bemächtigt 3). Sie verfertigten künstliche gegossene Arbeiten aus Gold 4), aber auch Werkzeuge aus Bronze, und beobachteten den Eintritt der Sonnenwenden wie die Peruaner an weithin sichtbaren Steinsäulen 5). Völlig verschieden von den Quichuavölkern sind die Yuncastämme, welche die Küstenflüsse am Westabhang der Anden bewohnten, sich aber landschaftlich in getrennte Staaten absonderten. Sie haben unzählige geräumige Baureste von ver- gleichsweise hohem Kunstwerth hinterlassen und hatten mit Meister- schaft ihr Land bewässert 6). Sicherlich haben die Incaperuaner ebenso viel von ihnen erlernt, als sie ihnen mitzutheilen hatten 7). Der Rio Maule bildete zu den Kaiserzeiten die Grenze zwischen Peru und Chile. Von ihm angefangen gegen Süden sassen die Araucaner und die ihnen nahe stehenden Patagonier. Im heutigen Chile nannten sich diese Völker Pehuentschen oder die „West- lichen“, von Valdivia bis zum Feuerland 8) Huillitschen oder die „Südlichen“, in Patagonien Tehueltschen, endlich auf den Pampa 1) Clements Markham im Journal of the Royal Geogr. Society. 1871. vol. XLI. p. 330—331. 2) Gründlich widerlegt von Markham, l. c. p. 312—313. 3) Velasco, Histoire du royaume de Quito. Paris 1840. tom. I. p. 16. p. 184—185. 4) Benzoni, Mondo nuovo. Venetia. 1565. lib. III, cap. 1. p. 168—169. 5) Joseph de Acosta, Historia natural y moral de las Indias. lib. VI. cap. 3. Madrid 1792. tom. II. p. 96. 6) Markham, l. c. p. 321—324. 7) Alte Regentenlisten von Yuncaherrschern und einen Abriss ihrer Geschichte gibt Miguel Cavello Balboa. (Histoire du Pérou, ed. Ternaux- Compans. Paris 1840. p. 86—95.) 8) Ueber die Feuerländer selbst s. oben S. 151.

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Zitationshilfe: Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/487>, abgerufen am 05.05.2024.