Längengrade, also auf 5/9 eines Breitenkreises ausgedehnt. Trotzdem ist es von vornherein nicht sehr glaubhaft, dass der Mutterstamm der malayischen Völkerfamilie zuerst auf Inseln aufgetreten sei. Die Übereinstimmung ihrer Sprachen beweist uns, dass die weit entfernten Glieder dieser Familie vor ihrer Ausstreuung eine ge- meinsame Heimath bewohnt haben müssen. Diese darf aber nur dort gesucht werden, wo die malayischen Völker jetzt noch am dichtesten auftreten. Der Ausstrahlungspunkt jener Horden lag daher irgendwo zwischen Sumatra, Java und der Halbinsel Malaka. Wir dürfen sogar noch etwas weiter gehen und ihn auf dem süd- asiatischen Festlande suchen, denn nach ihren körperlichen Merk- malen gewürdigt zählen die Malayen zur grossen mongolischen Race.
Die Ausbreitung des malayischen Menschenstammes über mehr als die halbe Länge eines Erdumfanges genügt uns als Beispiel, wie weit die Wanderungsbegierde einen Menschenstamm aus- einander treiben kann, sobald er sich einmal Verkehrswerkzeuge zur Bewegung auf dem Meer geschaffen hat. Allein auch auf den Festlanden erstreckten sich die Wanderungen der frühesten Men- schenstämme in die grössten Fernen. Auf Australien herrschen von Ost nach West verwandte Mundarten, und nur im Norden scheint eine Mischung mit papuanischen Sprachen stattgefunden zu haben. Ganz Südafrika bis zum Aequator erfüllt nur eine grosse mundartlich schattirte Sprache, so dass der Suaheli der Ost- küste immer noch den Afrikanern im äquatorialen Westafrika am Gabun nicht ganz unverständlich bleibt. Wir selbst gehören un- serer Sprache nach dem grossen arischen Völkerkreise an, zu dem die Celten Galliens und Britanniens, alle Germanen, die Italiener, die Griechen und Albanesen, sämmtliche Slaven, die Armenier, die Osseten des Kaukasus, die Kurden, die Perser und die brah- manischen Hindu zählen.
Nicht das gleiche aber ein ähnliches Schauspiel gewährt uns Amerika. Wenn wir absehen von den Eskimo und etlichen Stämmen des weiland russischen Amerika, so gehören nach dem überein- stimmenden Zeugniss aller Anthropologen die sämmtlichen Be- wohner der neuen Welt einem Menschenstamm an, so dass uns nichts hindern würde sie von einem Elternpaar entsprungen zu denken. Ihre Sprachen freilich zeigen im Wortschatze ein kau- kasisches Gewirr, dagegen ist der Satzbau oder vielmehr die Wort- bildung so eigenthümlich und gleichartig, dass spanische Missionäre
Schöpfungsherd des Menschengeschlechtes.
Längengrade, also auf 5/9 eines Breitenkreises ausgedehnt. Trotzdem ist es von vornherein nicht sehr glaubhaft, dass der Mutterstamm der malayischen Völkerfamilie zuerst auf Inseln aufgetreten sei. Die Übereinstimmung ihrer Sprachen beweist uns, dass die weit entfernten Glieder dieser Familie vor ihrer Ausstreuung eine ge- meinsame Heimath bewohnt haben müssen. Diese darf aber nur dort gesucht werden, wo die malayischen Völker jetzt noch am dichtesten auftreten. Der Ausstrahlungspunkt jener Horden lag daher irgendwo zwischen Sumatra, Java und der Halbinsel Malaka. Wir dürfen sogar noch etwas weiter gehen und ihn auf dem süd- asiatischen Festlande suchen, denn nach ihren körperlichen Merk- malen gewürdigt zählen die Malayen zur grossen mongolischen Race.
Die Ausbreitung des malayischen Menschenstammes über mehr als die halbe Länge eines Erdumfanges genügt uns als Beispiel, wie weit die Wanderungsbegierde einen Menschenstamm aus- einander treiben kann, sobald er sich einmal Verkehrswerkzeuge zur Bewegung auf dem Meer geschaffen hat. Allein auch auf den Festlanden erstreckten sich die Wanderungen der frühesten Men- schenstämme in die grössten Fernen. Auf Australien herrschen von Ost nach West verwandte Mundarten, und nur im Norden scheint eine Mischung mit papuanischen Sprachen stattgefunden zu haben. Ganz Südafrika bis zum Aequator erfüllt nur eine grosse mundartlich schattirte Sprache, so dass der Suaheli der Ost- küste immer noch den Afrikanern im äquatorialen Westafrika am Gabun nicht ganz unverständlich bleibt. Wir selbst gehören un- serer Sprache nach dem grossen arischen Völkerkreise an, zu dem die Celten Galliens und Britanniens, alle Germanen, die Italiener, die Griechen und Albanesen, sämmtliche Slaven, die Armenier, die Osseten des Kaukasus, die Kurden, die Perser und die brah- manischen Hindu zählen.
Nicht das gleiche aber ein ähnliches Schauspiel gewährt uns Amerika. Wenn wir absehen von den Eskimo und etlichen Stämmen des weiland russischen Amerika, so gehören nach dem überein- stimmenden Zeugniss aller Anthropologen die sämmtlichen Be- wohner der neuen Welt einem Menschenstamm an, so dass uns nichts hindern würde sie von einem Elternpaar entsprungen zu denken. Ihre Sprachen freilich zeigen im Wortschatze ein kau- kasisches Gewirr, dagegen ist der Satzbau oder vielmehr die Wort- bildung so eigenthümlich und gleichartig, dass spanische Missionäre
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Schöpfungsherd des Menschengeschlechtes.
Längengrade, also auf 5/9 eines Breitenkreises ausgedehnt. Trotzdem
ist es von vornherein nicht sehr glaubhaft, dass der Mutterstamm
der malayischen Völkerfamilie zuerst auf Inseln aufgetreten sei.
Die Übereinstimmung ihrer Sprachen beweist uns, dass die weit
entfernten Glieder dieser Familie vor ihrer Ausstreuung eine ge-
meinsame Heimath bewohnt haben müssen. Diese darf aber nur
dort gesucht werden, wo die malayischen Völker jetzt noch am
dichtesten auftreten. Der Ausstrahlungspunkt jener Horden lag
daher irgendwo zwischen Sumatra, Java und der Halbinsel Malaka.
Wir dürfen sogar noch etwas weiter gehen und ihn auf dem süd-
asiatischen Festlande suchen, denn nach ihren körperlichen Merk-
malen gewürdigt zählen die Malayen zur grossen mongolischen Race.
Die Ausbreitung des malayischen Menschenstammes über mehr
als die halbe Länge eines Erdumfanges genügt uns als Beispiel,
wie weit die Wanderungsbegierde einen Menschenstamm aus-
einander treiben kann, sobald er sich einmal Verkehrswerkzeuge
zur Bewegung auf dem Meer geschaffen hat. Allein auch auf den
Festlanden erstreckten sich die Wanderungen der frühesten Men-
schenstämme in die grössten Fernen. Auf Australien herrschen
von Ost nach West verwandte Mundarten, und nur im Norden
scheint eine Mischung mit papuanischen Sprachen stattgefunden
zu haben. Ganz Südafrika bis zum Aequator erfüllt nur eine
grosse mundartlich schattirte Sprache, so dass der Suaheli der Ost-
küste immer noch den Afrikanern im äquatorialen Westafrika am
Gabun nicht ganz unverständlich bleibt. Wir selbst gehören un-
serer Sprache nach dem grossen arischen Völkerkreise an, zu dem
die Celten Galliens und Britanniens, alle Germanen, die Italiener,
die Griechen und Albanesen, sämmtliche Slaven, die Armenier,
die Osseten des Kaukasus, die Kurden, die Perser und die brah-
manischen Hindu zählen.
Nicht das gleiche aber ein ähnliches Schauspiel gewährt uns
Amerika. Wenn wir absehen von den Eskimo und etlichen Stämmen
des weiland russischen Amerika, so gehören nach dem überein-
stimmenden Zeugniss aller Anthropologen die sämmtlichen Be-
wohner der neuen Welt einem Menschenstamm an, so dass uns
nichts hindern würde sie von einem Elternpaar entsprungen zu
denken. Ihre Sprachen freilich zeigen im Wortschatze ein kau-
kasisches Gewirr, dagegen ist der Satzbau oder vielmehr die Wort-
bildung so eigenthümlich und gleichartig, dass spanische Missionäre
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/48>, abgerufen am 22.12.2024.
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