Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Arteneinheit des Menschengeschlechtes. lich beschneiden sich zwar nicht alle, doch eine Mehrzahl vonStämmen. Von papuanischen Völkern halten an dieser Sitte die Neu-Caledonier und die Bewohner der Neuen Hebriden fest 1). Cook fand sie auf seiner dritten Reise bei den polynesischen Be- wohnern der Freundschaftinseln, genauer auf Tongatabu 2) und der jüngere Pritchard bezeugt ihre Ausübung auf der Samoa- und Fidschigruppe 3). Eine andre mosaische Satzung verlangte, dass der Jude der Wittwe seines Bruders Nachkommenschaft zu erwecken suche 4). Diese Auffassung von Geschwisterpflicht traf Plan Carpin, der Botschafter Ludwigs des Heiligen, bei den Mongolen 5), Mar- tius 6) bei den brasilianischen Tupinambastämmen und ebenso herrscht sie bei den Koluschen im Nordwesten Amerikas 7), sowie bei den Ostjaken im nördlichen Russland 8). Ja es fehlt sogar nicht an einem Falle, dass wir auf zwei mosaische Satzungen, nämlich die Beschneidung und die eben erwähnte Schwagerpflicht bei einer Be- völkerung stossen, die ganz sicherlich keiner Beziehungen zum Juden- thum verdächtig werden kann, nämlich bei den Papuanen Neu- Caledoniens 9). Die seltsame Gewohnheit sich durch Reiben der Nasen zu begrüssen, ist nicht blos sämmtlichen Eskimo bis nach Grönland eigen 10), sondern wird auch den Australiern zuge- schrieben 11). Darwin beobachtete sie bei den Maori Neu-See- lands 12), Lamont gedenkt ihrer bei den Polynesiern der Penrhyn und Marquesas Inseln 13), Wallace, dem sie unter seiner Schiffs- mannschaft beim Abschied von Mangkassar auffiel, nennt sie den Ma- layenkuss 14), und Linne begegnete ihr wieder in Lappland 15). 1) Cook, Voyage dans l'Hemisphere austral, tom. III, 137. 2) Cook and King, tom. I, p. 384. 3) Polynesian Reminiscences, p. 393. 4) Deuter. XXV, 5--10. 5) Recueil de Voyages, tom. IV, 613. 6) Ethnographie I, 153. 7) Waitz, Anthropologie III, 328. 8) Castren, Ethnolog. Vorlesungen. S. 119. 9) Rochas, Nouv. Caledonie, p. 232. 10) Barrow, Arctic Voyages, p. 30. 11) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 749. 12) Naturw. Reisen II, 198. 13) Wild Life among the Pacific-Islanders. p. 18. p. 269. 14) Malay Archipelago II, 165. 15) Tylor, Urgeschichte der Menschheit. S. 66.
Arteneinheit des Menschengeschlechtes. lich beschneiden sich zwar nicht alle, doch eine Mehrzahl vonStämmen. Von papuanischen Völkern halten an dieser Sitte die Neu-Caledonier und die Bewohner der Neuen Hebriden fest 1). Cook fand sie auf seiner dritten Reise bei den polynesischen Be- wohnern der Freundschaftinseln, genauer auf Tongatabu 2) und der jüngere Pritchard bezeugt ihre Ausübung auf der Samoa- und Fidschigruppe 3). Eine andre mosaische Satzung verlangte, dass der Jude der Wittwe seines Bruders Nachkommenschaft zu erwecken suche 4). Diese Auffassung von Geschwisterpflicht traf Plan Carpin, der Botschafter Ludwigs des Heiligen, bei den Mongolen 5), Mar- tius 6) bei den brasilianischen Tupinambastämmen und ebenso herrscht sie bei den Koluschen im Nordwesten Amerikas 7), sowie bei den Ostjaken im nördlichen Russland 8). Ja es fehlt sogar nicht an einem Falle, dass wir auf zwei mosaische Satzungen, nämlich die Beschneidung und die eben erwähnte Schwagerpflicht bei einer Be- völkerung stossen, die ganz sicherlich keiner Beziehungen zum Juden- thum verdächtig werden kann, nämlich bei den Papuanen Neu- Caledoniens 9). Die seltsame Gewohnheit sich durch Reiben der Nasen zu begrüssen, ist nicht blos sämmtlichen Eskimo bis nach Grönland eigen 10), sondern wird auch den Australiern zuge- schrieben 11). Darwin beobachtete sie bei den Maori Neu-See- lands 12), Lamont gedenkt ihrer bei den Polynesiern der Penrhyn und Marquesas Inseln 13), Wallace, dem sie unter seiner Schiffs- mannschaft beim Abschied von Mangkassar auffiel, nennt sie den Ma- layenkuss 14), und Linné begegnete ihr wieder in Lappland 15). 1) Cook, Voyage dans l’Hémisphère austral, tom. III, 137. 2) Cook and King, tom. I, p. 384. 3) Polynesian Reminiscences, p. 393. 4) Deuter. XXV, 5—10. 5) Recueil de Voyages, tom. IV, 613. 6) Ethnographie I, 153. 7) Waitz, Anthropologie III, 328. 8) Castrén, Ethnolog. Vorlesungen. S. 119. 9) Rochas, Nouv. Calédonie, p. 232. 10) Barrow, Arctic Voyages, p. 30. 11) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 749. 12) Naturw. Reisen II, 198. 13) Wild Life among the Pacific-Islanders. p. 18. p. 269. 14) Malay Archipelago II, 165. 15) Tylor, Urgeschichte der Menschheit. S. 66.
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Arteneinheit des Menschengeschlechtes.
lich beschneiden sich zwar nicht alle, doch eine Mehrzahl von
Stämmen. Von papuanischen Völkern halten an dieser Sitte die
Neu-Caledonier und die Bewohner der Neuen Hebriden fest 1).
Cook fand sie auf seiner dritten Reise bei den polynesischen Be-
wohnern der Freundschaftinseln, genauer auf Tongatabu 2) und der
jüngere Pritchard bezeugt ihre Ausübung auf der Samoa- und
Fidschigruppe 3). Eine andre mosaische Satzung verlangte, dass
der Jude der Wittwe seines Bruders Nachkommenschaft zu erwecken
suche 4). Diese Auffassung von Geschwisterpflicht traf Plan Carpin,
der Botschafter Ludwigs des Heiligen, bei den Mongolen 5), Mar-
tius 6) bei den brasilianischen Tupinambastämmen und ebenso herrscht
sie bei den Koluschen im Nordwesten Amerikas 7), sowie bei den
Ostjaken im nördlichen Russland 8). Ja es fehlt sogar nicht an
einem Falle, dass wir auf zwei mosaische Satzungen, nämlich die
Beschneidung und die eben erwähnte Schwagerpflicht bei einer Be-
völkerung stossen, die ganz sicherlich keiner Beziehungen zum Juden-
thum verdächtig werden kann, nämlich bei den Papuanen Neu-
Caledoniens 9). Die seltsame Gewohnheit sich durch Reiben der
Nasen zu begrüssen, ist nicht blos sämmtlichen Eskimo bis nach
Grönland eigen 10), sondern wird auch den Australiern zuge-
schrieben 11). Darwin beobachtete sie bei den Maori Neu-See-
lands 12), Lamont gedenkt ihrer bei den Polynesiern der Penrhyn
und Marquesas Inseln 13), Wallace, dem sie unter seiner Schiffs-
mannschaft beim Abschied von Mangkassar auffiel, nennt sie den Ma-
layenkuss 14), und Linné begegnete ihr wieder in Lappland 15).
1) Cook, Voyage dans l’Hémisphère austral, tom. III, 137.
2) Cook and King, tom. I, p. 384.
3) Polynesian Reminiscences, p. 393.
4) Deuter. XXV, 5—10.
5) Recueil de Voyages, tom. IV, 613.
6) Ethnographie I, 153.
7) Waitz, Anthropologie III, 328.
8) Castrén, Ethnolog. Vorlesungen. S. 119.
9) Rochas, Nouv. Calédonie, p. 232.
10) Barrow, Arctic Voyages, p. 30.
11) Waitz (Gerland), Anthropologie. Bd. 6. S. 749.
12) Naturw. Reisen II, 198.
13) Wild Life among the Pacific-Islanders. p. 18. p. 269.
14) Malay Archipelago II, 165.
15) Tylor, Urgeschichte der Menschheit. S. 66.
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