wird, sobald er kein regelrechter ist, gewinnt die Einbildungskraft ungewöhnliche Macht und der Mensch in diesem erschütterten oder geschwächten Zustand ist empfänglicher für alles, was er über- sinnlichen Wirkungen zuschreibt.
Hier also glauben wir endlich den Schlüssel gefunden zu haben, der uns einen Einblick gewährt in das Walten physischer Gesetze auf dem Gebiete der geistigen Erscheinungen, doch wollen wir wieder zu Buckle unsere Zuflucht nehmen, diesesmal aber soll er uns nicht mehr als Rathgeber, sondern als warnendes Beispiel dienen. "Was die Tagesnahrung betrifft", bemerkt er1), "so sind die Datteln für Afrika das nämliche, wie der Reis in den frucht- barsten Theilen Asiens. Die Dattelpalme ist heimisch in allen Ländern vom Tigris bis zum atlantischen Meere, und sie versorgt Millionen menschlicher Geschöpfe mit täglicher Nahrung in Arabien und beinahe ganz Nordafrika". Nachdem er noch hinzugefügt, dass an verschiedenen Orten die Kamele sogar mit Datteln ge- füttert würden, was ausnahmsweise auch der Fall ist, bemerkt er weiter2), dass der Reis eine ungewöhnliche Menge Stärkemehl enthalte, nämlich zwischen 83,8 bis 85,07 Proc., und dass die Dat- teln genau die nämlichen Nährstoffe besitzen, mit dem Unter- schiede nur, dass bei ihnen die Stärke bereits in Zucker umge- setzt sei. Diese Wahrnehmung wird für ihn zur Offenbarung, denn in Indien wie in Aegypten sieht er das Volk sich willenlos in die Knechtung durch Priesterkasten fügen.
Dass die Nahrungsmittel ihre Rückwirkung auf die Denkkräfte der Menschen äussern, dass manche von ihnen eine entschieden gefärbte Gemüthsstimmung hervorrufen, darf nur derjenige läugnen, der noch nicht an sich oder an dritten die Wirkungen von Wein und andrer alkoholischer Getränke, von Thee, Kaffee und Tabak, überhaupt der narkotischen Genussmittel beobachtet hat. Wir sind indessen noch weit entfernt, etwas über die dauernde Wirkung der täglichen Nahrung ergründet zu haben, zumal der mensch- liche Leib in grossem Umfang die Befähigung besitzt, sich ver- schiedenen Ernährungsweisen anzubequemen, so dass selbst die narkotischen Stoffe mit dem Gebrauch viel von ihrer Wirkung verlieren. Buckle endlich führt sich selbst und leichtgläubige Leser
1) l. c. tom. I. p. 76.
2) l. c. p. 65.
Die Zone der Religionsstifter.
wird, sobald er kein regelrechter ist, gewinnt die Einbildungskraft ungewöhnliche Macht und der Mensch in diesem erschütterten oder geschwächten Zustand ist empfänglicher für alles, was er über- sinnlichen Wirkungen zuschreibt.
Hier also glauben wir endlich den Schlüssel gefunden zu haben, der uns einen Einblick gewährt in das Walten physischer Gesetze auf dem Gebiete der geistigen Erscheinungen, doch wollen wir wieder zu Buckle unsere Zuflucht nehmen, diesesmal aber soll er uns nicht mehr als Rathgeber, sondern als warnendes Beispiel dienen. „Was die Tagesnahrung betrifft“, bemerkt er1), „so sind die Datteln für Afrika das nämliche, wie der Reis in den frucht- barsten Theilen Asiens. Die Dattelpalme ist heimisch in allen Ländern vom Tigris bis zum atlantischen Meere, und sie versorgt Millionen menschlicher Geschöpfe mit täglicher Nahrung in Arabien und beinahe ganz Nordafrika“. Nachdem er noch hinzugefügt, dass an verschiedenen Orten die Kamele sogar mit Datteln ge- füttert würden, was ausnahmsweise auch der Fall ist, bemerkt er weiter2), dass der Reis eine ungewöhnliche Menge Stärkemehl enthalte, nämlich zwischen 83,8 bis 85,07 Proc., und dass die Dat- teln genau die nämlichen Nährstoffe besitzen, mit dem Unter- schiede nur, dass bei ihnen die Stärke bereits in Zucker umge- setzt sei. Diese Wahrnehmung wird für ihn zur Offenbarung, denn in Indien wie in Aegypten sieht er das Volk sich willenlos in die Knechtung durch Priesterkasten fügen.
Dass die Nahrungsmittel ihre Rückwirkung auf die Denkkräfte der Menschen äussern, dass manche von ihnen eine entschieden gefärbte Gemüthsstimmung hervorrufen, darf nur derjenige läugnen, der noch nicht an sich oder an dritten die Wirkungen von Wein und andrer alkoholischer Getränke, von Thee, Kaffee und Tabak, überhaupt der narkotischen Genussmittel beobachtet hat. Wir sind indessen noch weit entfernt, etwas über die dauernde Wirkung der täglichen Nahrung ergründet zu haben, zumal der mensch- liche Leib in grossem Umfang die Befähigung besitzt, sich ver- schiedenen Ernährungsweisen anzubequemen, so dass selbst die narkotischen Stoffe mit dem Gebrauch viel von ihrer Wirkung verlieren. Buckle endlich führt sich selbst und leichtgläubige Leser
1) l. c. tom. I. p. 76.
2) l. c. p. 65.
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Die Zone der Religionsstifter.
wird, sobald er kein regelrechter ist, gewinnt die Einbildungskraft
ungewöhnliche Macht und der Mensch in diesem erschütterten oder
geschwächten Zustand ist empfänglicher für alles, was er über-
sinnlichen Wirkungen zuschreibt.
Hier also glauben wir endlich den Schlüssel gefunden zu
haben, der uns einen Einblick gewährt in das Walten physischer
Gesetze auf dem Gebiete der geistigen Erscheinungen, doch wollen
wir wieder zu Buckle unsere Zuflucht nehmen, diesesmal aber soll
er uns nicht mehr als Rathgeber, sondern als warnendes Beispiel
dienen. „Was die Tagesnahrung betrifft“, bemerkt er 1), „so sind
die Datteln für Afrika das nämliche, wie der Reis in den frucht-
barsten Theilen Asiens. Die Dattelpalme ist heimisch in allen
Ländern vom Tigris bis zum atlantischen Meere, und sie versorgt
Millionen menschlicher Geschöpfe mit täglicher Nahrung in Arabien
und beinahe ganz Nordafrika“. Nachdem er noch hinzugefügt,
dass an verschiedenen Orten die Kamele sogar mit Datteln ge-
füttert würden, was ausnahmsweise auch der Fall ist, bemerkt er
weiter 2), dass der Reis eine ungewöhnliche Menge Stärkemehl
enthalte, nämlich zwischen 83,8 bis 85,07 Proc., und dass die Dat-
teln genau die nämlichen Nährstoffe besitzen, mit dem Unter-
schiede nur, dass bei ihnen die Stärke bereits in Zucker umge-
setzt sei. Diese Wahrnehmung wird für ihn zur Offenbarung,
denn in Indien wie in Aegypten sieht er das Volk sich willenlos
in die Knechtung durch Priesterkasten fügen.
Dass die Nahrungsmittel ihre Rückwirkung auf die Denkkräfte
der Menschen äussern, dass manche von ihnen eine entschieden
gefärbte Gemüthsstimmung hervorrufen, darf nur derjenige läugnen,
der noch nicht an sich oder an dritten die Wirkungen von Wein
und andrer alkoholischer Getränke, von Thee, Kaffee und Tabak,
überhaupt der narkotischen Genussmittel beobachtet hat. Wir sind
indessen noch weit entfernt, etwas über die dauernde Wirkung
der täglichen Nahrung ergründet zu haben, zumal der mensch-
liche Leib in grossem Umfang die Befähigung besitzt, sich ver-
schiedenen Ernährungsweisen anzubequemen, so dass selbst die
narkotischen Stoffe mit dem Gebrauch viel von ihrer Wirkung
verlieren. Buckle endlich führt sich selbst und leichtgläubige Leser
1) l. c. tom. I. p. 76.
2) l. c. p. 65.
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Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/347>, abgerufen am 23.12.2024.
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