Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Die Religion des Buddha. durch Kenntnisse der Gebete und durch die Kraft der Riten undBussübungen, so erlangte auch Buddha durch seinen tugendhaften Wandel und durch die Stärke seiner Andacht eine Natur weit über den vedischen Göttern, er verrichtete Wunder und durch- schaute Vergangenheit und Zukunft 1). Getrost mögen ihn daher Bedrängte anrufen; er wird die Schiffsleute erhören und sie aus dem Sturm erretten 2). Den Buddhismus, wie er sich gestalten musste, um von vierhundert Millionen ergriffen zu werden, wird die Völkerkunde niemals als einen ethischen Atheismus aner- kennen, sondern nur als einen Ahnendienst oder Heroencultus. Bald nach dem Tode des Lehrers begann nicht ohne Anstiften seiner Schüler eine Reliquienverehrung, die als ein Zurücksinken in den Fetischdienst bezeichnet werden darf. Acht Städte erhielten bei der Theilung die Asche des Abgeschiedenen und über den Reliquien erhoben sich dann Heiligthümer und Wallfahrtsorte 3). Da der Buddha vor seiner Verklärung in früheren Erdenläufen nicht blos als Mensch, sondern auch als Thier geboren worden war, so werden in manchen Tempeln sogar Haare, Federn oder Knochen verehrt, die von seinen früher verlassenen Thierleibern herrühren sollen 4). Nicht blos der Religionsstifter, sondern ein Schwarm heilig gesprochener Bodhisattvas empfing Verehrung und so sehen wir den vielgepriesenen chinesischen Pilger Hiuen- thsang zu den Bildern solcher Schutzpatrone wallfahrten und in andächtiger Verzückung auf rituelle Fragstellung ihre Orakelzeichen erbitten 5). Das Gebet, das heisst der schamanistische Zauber- spruch, war allerdings dem Cakjamuni oder Gautama in der Seele fremd, aber gerade im Schoosse seiner vierhundert Millionen An- hänger sind die Rosenkränze und die Gebettrommeln erfunden worden. Seltsam klingt es, wenn dem Buddhismus von über- schwenglichen Verehrern nachgerühmt worden ist, dass er weder verheisse, noch drohe. Die diesseitige Welt selbst ist ihm ja schon ein Fegefeuer, ein Rad, das sich von Ewigkeit dreht, und die Wiedergeburten in den Wonneräumen von Göttern oder in 1) Burnouf, Introduction. tom. I. p. 134--135, 153, 353. 2) Burnouf, Introduction, tom. I. p. 132. 3) Stanislas Julien, Histoire de la vie de Hiouen-thsang. Paris. 1853. p. 131. Lassen, Ind. Alterthümer. Bd. 2. S. 77. 4) Tylor, Anfänge der Cultur, Bd. 1. S. 408. 5) Stanislas Julien, l. c. p. 173. Peschel, Völkerkunde. 19
Die Religion des Buddha. durch Kenntnisse der Gebete und durch die Kraft der Riten undBussübungen, so erlangte auch Buddha durch seinen tugendhaften Wandel und durch die Stärke seiner Andacht eine Natur weit über den vedischen Göttern, er verrichtete Wunder und durch- schaute Vergangenheit und Zukunft 1). Getrost mögen ihn daher Bedrängte anrufen; er wird die Schiffsleute erhören und sie aus dem Sturm erretten 2). Den Buddhismus, wie er sich gestalten musste, um von vierhundert Millionen ergriffen zu werden, wird die Völkerkunde niemals als einen ethischen Atheismus aner- kennen, sondern nur als einen Ahnendienst oder Heroencultus. Bald nach dem Tode des Lehrers begann nicht ohne Anstiften seiner Schüler eine Reliquienverehrung, die als ein Zurücksinken in den Fetischdienst bezeichnet werden darf. Acht Städte erhielten bei der Theilung die Asche des Abgeschiedenen und über den Reliquien erhoben sich dann Heiligthümer und Wallfahrtsorte 3). Da der Buddha vor seiner Verklärung in früheren Erdenläufen nicht blos als Mensch, sondern auch als Thier geboren worden war, so werden in manchen Tempeln sogar Haare, Federn oder Knochen verehrt, die von seinen früher verlassenen Thierleibern herrühren sollen 4). Nicht blos der Religionsstifter, sondern ein Schwarm heilig gesprochener Bodhisattvas empfing Verehrung und so sehen wir den vielgepriesenen chinesischen Pilger Hiuën- thsang zu den Bildern solcher Schutzpatrone wallfahrten und in andächtiger Verzückung auf rituelle Fragstellung ihre Orakelzeichen erbitten 5). Das Gebet, das heisst der schamanistische Zauber- spruch, war allerdings dem Çakjamuni oder Gautama in der Seele fremd, aber gerade im Schoosse seiner vierhundert Millionen An- hänger sind die Rosenkränze und die Gebettrommeln erfunden worden. Seltsam klingt es, wenn dem Buddhismus von über- schwenglichen Verehrern nachgerühmt worden ist, dass er weder verheisse, noch drohe. Die diesseitige Welt selbst ist ihm ja schon ein Fegefeuer, ein Rad, das sich von Ewigkeit dreht, und die Wiedergeburten in den Wonneräumen von Göttern oder in 1) Burnouf, Introduction. tom. I. p. 134—135, 153, 353. 2) Burnouf, Introduction, tom. I. p. 132. 3) Stanislas Julien, Histoire de la vie de Hiouen-thsang. Paris. 1853. p. 131. Lassen, Ind. Alterthümer. Bd. 2. S. 77. 4) Tylor, Anfänge der Cultur, Bd. 1. S. 408. 5) Stanislas Julien, l. c. p. 173. Peschel, Völkerkunde. 19
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Die Religion des Buddha.
durch Kenntnisse der Gebete und durch die Kraft der Riten und
Bussübungen, so erlangte auch Buddha durch seinen tugendhaften
Wandel und durch die Stärke seiner Andacht eine Natur weit
über den vedischen Göttern, er verrichtete Wunder und durch-
schaute Vergangenheit und Zukunft 1). Getrost mögen ihn daher
Bedrängte anrufen; er wird die Schiffsleute erhören und sie aus
dem Sturm erretten 2). Den Buddhismus, wie er sich gestalten
musste, um von vierhundert Millionen ergriffen zu werden, wird
die Völkerkunde niemals als einen ethischen Atheismus aner-
kennen, sondern nur als einen Ahnendienst oder Heroencultus.
Bald nach dem Tode des Lehrers begann nicht ohne Anstiften
seiner Schüler eine Reliquienverehrung, die als ein Zurücksinken
in den Fetischdienst bezeichnet werden darf. Acht Städte erhielten
bei der Theilung die Asche des Abgeschiedenen und über den
Reliquien erhoben sich dann Heiligthümer und Wallfahrtsorte 3).
Da der Buddha vor seiner Verklärung in früheren Erdenläufen
nicht blos als Mensch, sondern auch als Thier geboren worden
war, so werden in manchen Tempeln sogar Haare, Federn oder
Knochen verehrt, die von seinen früher verlassenen Thierleibern
herrühren sollen 4). Nicht blos der Religionsstifter, sondern ein
Schwarm heilig gesprochener Bodhisattvas empfing Verehrung
und so sehen wir den vielgepriesenen chinesischen Pilger Hiuën-
thsang zu den Bildern solcher Schutzpatrone wallfahrten und in
andächtiger Verzückung auf rituelle Fragstellung ihre Orakelzeichen
erbitten 5). Das Gebet, das heisst der schamanistische Zauber-
spruch, war allerdings dem Çakjamuni oder Gautama in der Seele
fremd, aber gerade im Schoosse seiner vierhundert Millionen An-
hänger sind die Rosenkränze und die Gebettrommeln erfunden
worden. Seltsam klingt es, wenn dem Buddhismus von über-
schwenglichen Verehrern nachgerühmt worden ist, dass er weder
verheisse, noch drohe. Die diesseitige Welt selbst ist ihm ja
schon ein Fegefeuer, ein Rad, das sich von Ewigkeit dreht, und
die Wiedergeburten in den Wonneräumen von Göttern oder in
1) Burnouf, Introduction. tom. I. p. 134—135, 153, 353.
2) Burnouf, Introduction, tom. I. p. 132.
3) Stanislas Julien, Histoire de la vie de Hiouen-thsang. Paris.
1853. p. 131. Lassen, Ind. Alterthümer. Bd. 2. S. 77.
4) Tylor, Anfänge der Cultur, Bd. 1. S. 408.
5) Stanislas Julien, l. c. p. 173.
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