Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Fahrzeuge und Seetüchtigkeit. Meer seit Schouten und Le Maire's Zeiten bis auf Wilkes odernoch spätere Entdecker kennt, der ist gewöhnt als unentbehrliche Staffage der dortigen Wasserräume die europäischen Schiffe um- schwärmt zu sehen von Fahrzeugen mit neugierigen und zudring- lichen Eingebornen, ja an gewissen günstigen Stellen der Südsee sieht man sogar dort, wo Land noch nicht in Sicht ist, in der Ferne die Mattensegel polynesischer Seefahrer vorüberziehen. In den Berichten der Entdecker Amerikas sind dagegen die Fälle äusserst selten, wo Europäer Eingebornen auf der See selbst in der Nähe der Küste begegnen, und die merkwürdigsten Fälle haben wir selbst angeführt. Die vergleichsweise geringen Leistungen der Amerikaner in der Schifffahrt darf man vielleicht dem Mangel eines Mittelmeeres oder einer Ländergestaltung wie an unserer Nordsee zuschreiben. Doch hat sich überhaupt in Amerika das Menschen- geschlecht viel langsamer entwickelt als in der alten Welt. Wenn wir die technischen Leistungen der grossen amerikanischen Cultur- völker, der Mexicaner und Incaperuaner, zusammenfassen, als wären sie neben, nicht getrennt von einander angetroffen worden, so würde selbst ihre Summe uns noch nicht das Bild einer Civili- sation gewähren, wie sie in Aegypten bestand zur Zeit der vierten Dynastie, der ältesten von der wir Denkmäler besitzen. Mit andern Worten, die amerikanische Menschheit hatte selbst an ihren höch- sten Blüthenständen im Jahre 1492 noch nicht jene Reife erreicht, wie die örtlich höchste Menschengesittung der alten Welt drei Jahrtausende vor Christus. Denken wir uns aber, dass im Jahre 3000 v. Chr. aus Amerika auf gedeckten Segelschiffen Entdecker mit dem Compass in der Hand nach Europa gekommen wären, schwerlich würden sie die Gewässer am Nordrande unseres Welt- theiles durch bessere Seeleute bevölkert gesehen haben als etwa die Eskimo und die Koloschen oder Thlinkiten in Nordamerika, im Mittelmeer aber hätten sie wohl noch nicht phönicische Thar- sisschiffe angetroffen, sondern vielleicht solche Galeeren mit Kauf- fahrern wie die Yucateken sie nach Honduras schickten, oder caribische Segelpiroguen mit den kleinasiatischen Piraten im ersten Buche des Thucydides. Fahrzeuge und Seetüchtigkeit. Meer seit Schouten und Le Maire’s Zeiten bis auf Wilkes odernoch spätere Entdecker kennt, der ist gewöhnt als unentbehrliche Staffage der dortigen Wasserräume die europäischen Schiffe um- schwärmt zu sehen von Fahrzeugen mit neugierigen und zudring- lichen Eingebornen, ja an gewissen günstigen Stellen der Südsee sieht man sogar dort, wo Land noch nicht in Sicht ist, in der Ferne die Mattensegel polynesischer Seefahrer vorüberziehen. In den Berichten der Entdecker Amerikas sind dagegen die Fälle äusserst selten, wo Europäer Eingebornen auf der See selbst in der Nähe der Küste begegnen, und die merkwürdigsten Fälle haben wir selbst angeführt. Die vergleichsweise geringen Leistungen der Amerikaner in der Schifffahrt darf man vielleicht dem Mangel eines Mittelmeeres oder einer Ländergestaltung wie an unserer Nordsee zuschreiben. Doch hat sich überhaupt in Amerika das Menschen- geschlecht viel langsamer entwickelt als in der alten Welt. Wenn wir die technischen Leistungen der grossen amerikanischen Cultur- völker, der Mexicaner und Incaperuaner, zusammenfassen, als wären sie neben, nicht getrennt von einander angetroffen worden, so würde selbst ihre Summe uns noch nicht das Bild einer Civili- sation gewähren, wie sie in Aegypten bestand zur Zeit der vierten Dynastie, der ältesten von der wir Denkmäler besitzen. Mit andern Worten, die amerikanische Menschheit hatte selbst an ihren höch- sten Blüthenständen im Jahre 1492 noch nicht jene Reife erreicht, wie die örtlich höchste Menschengesittung der alten Welt drei Jahrtausende vor Christus. Denken wir uns aber, dass im Jahre 3000 v. Chr. aus Amerika auf gedeckten Segelschiffen Entdecker mit dem Compass in der Hand nach Europa gekommen wären, schwerlich würden sie die Gewässer am Nordrande unseres Welt- theiles durch bessere Seeleute bevölkert gesehen haben als etwa die Eskimo und die Koloschen oder Thlinkiten in Nordamerika, im Mittelmeer aber hätten sie wohl noch nicht phönicische Thar- sisschiffe angetroffen, sondern vielleicht solche Galeeren mit Kauf- fahrern wie die Yucateken sie nach Honduras schickten, oder caribische Segelpiroguen mit den kleinasiatischen Piraten im ersten Buche des Thucydides. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0234" n="216"/><fw place="top" type="header">Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.</fw><lb/> Meer seit Schouten und Le Maire’s Zeiten bis auf Wilkes oder<lb/> noch spätere Entdecker kennt, der ist gewöhnt als unentbehrliche<lb/> Staffage der dortigen Wasserräume die europäischen Schiffe um-<lb/> schwärmt zu sehen von Fahrzeugen mit neugierigen und zudring-<lb/> lichen Eingebornen, ja an gewissen günstigen Stellen der Südsee<lb/> sieht man sogar dort, wo Land noch nicht in Sicht ist, in der<lb/> Ferne die Mattensegel polynesischer Seefahrer vorüberziehen. 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Fahrzeuge und Seetüchtigkeit.
Meer seit Schouten und Le Maire’s Zeiten bis auf Wilkes oder
noch spätere Entdecker kennt, der ist gewöhnt als unentbehrliche
Staffage der dortigen Wasserräume die europäischen Schiffe um-
schwärmt zu sehen von Fahrzeugen mit neugierigen und zudring-
lichen Eingebornen, ja an gewissen günstigen Stellen der Südsee
sieht man sogar dort, wo Land noch nicht in Sicht ist, in der
Ferne die Mattensegel polynesischer Seefahrer vorüberziehen. In
den Berichten der Entdecker Amerikas sind dagegen die Fälle
äusserst selten, wo Europäer Eingebornen auf der See selbst in
der Nähe der Küste begegnen, und die merkwürdigsten Fälle haben
wir selbst angeführt. Die vergleichsweise geringen Leistungen der
Amerikaner in der Schifffahrt darf man vielleicht dem Mangel eines
Mittelmeeres oder einer Ländergestaltung wie an unserer Nordsee
zuschreiben. Doch hat sich überhaupt in Amerika das Menschen-
geschlecht viel langsamer entwickelt als in der alten Welt. Wenn
wir die technischen Leistungen der grossen amerikanischen Cultur-
völker, der Mexicaner und Incaperuaner, zusammenfassen, als
wären sie neben, nicht getrennt von einander angetroffen worden,
so würde selbst ihre Summe uns noch nicht das Bild einer Civili-
sation gewähren, wie sie in Aegypten bestand zur Zeit der vierten
Dynastie, der ältesten von der wir Denkmäler besitzen. Mit andern
Worten, die amerikanische Menschheit hatte selbst an ihren höch-
sten Blüthenständen im Jahre 1492 noch nicht jene Reife erreicht,
wie die örtlich höchste Menschengesittung der alten Welt drei
Jahrtausende vor Christus. Denken wir uns aber, dass im Jahre
3000 v. Chr. aus Amerika auf gedeckten Segelschiffen Entdecker
mit dem Compass in der Hand nach Europa gekommen wären,
schwerlich würden sie die Gewässer am Nordrande unseres Welt-
theiles durch bessere Seeleute bevölkert gesehen haben als etwa
die Eskimo und die Koloschen oder Thlinkiten in Nordamerika,
im Mittelmeer aber hätten sie wohl noch nicht phönicische Thar-
sisschiffe angetroffen, sondern vielleicht solche Galeeren mit Kauf-
fahrern wie die Yucateken sie nach Honduras schickten, oder
caribische Segelpiroguen mit den kleinasiatischen Piraten im ersten
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