Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874.Haut und Haar des Menschen. familie. Bei Südeuropäern, namentlich Portugiesen und Spaniern,soll dieses Merkmal am stärksten sich entwickeln1). Von allen Völkern der Erde standen aber die Aino, die Bewohner von Jezo Saghalien und den Kurilen, seit dem Besuche Laperouse's, in dem Rufe, eine Art thierischer Behaarung am Oberkörper zu besitzen2). Neuere Beobachter haben diese Uebertreibung beträchtlich gemil- dert, so dass die Aino nicht einmal völlig den Vergleich mit euro- päischen Matrosen bestanden. Heinrich Heine fand die Bärte der Aino nur 5--6 Zoll lang, Brust und Nacken waren kahl und nur bei einer einzigen Person zeigten sich an den genannten Körper- stellen etliche Haarbüschel3). Immerhin wird selbst dieser mässige Grad einer zottigen Haut in der Nachbarschaft so bartarmer Völker, wie der Japanen und Chinesen uns in Verlegenheit setzen, wenn wir den Aino in unsrer Raceneintheilung einen schicklichen Platz anweisen wollen, denn das Auftreten der Leibhaare sind wir genöthigt, zu den beharrlichsten Kennzeichen der Menschenracen zu zählen. Wenn nun bei 2129 Mulatten und Negern des 25. Armeecorps, die zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges beim Baden von Aerzten beobachtet wurden, nur 9 als ganz kahl sich zeigten, 21 dagegen beinahe die höchste Stufe, zwei Drittel aber die mittlere Häufigkeit der Behaarung wie bei weissen Soldaten wahrnehmen liessen4), so dürfen wir doch nicht daraus schliessen, dass eine Vertauschung des afrikanischen Wohnortes mit der neuen Welt das Hervorsprossen des Leibhaares bei den Negern veranlasst habe. Es ist hier vielmehr der Ort, den Irrthum 1) Der bekannten Tänzerin Pastranna, welche fast unter die dicht behaarten Geschöpfe gehörte, soll auch ein wenig die berüchtigte Lola Montez geglichen haben. Ausland. 1861. S. 503. 2) Laperouse (Voyage autour du monde. Paris 1798. tom. III, p. 125.) begnügt sich indessen, von den Bewohnern Saghaliens an der Crillon-Bai zu behaupten, dass Bärtigkeit und Behaarung von Armen, Nacken, wie sie bei Europäern zu den Seltenheiten gehöre, bei ihnen die Regel sei. 3) H. Heine, China, Japan und Ochotzk. Bd. 2. S. 223. Wie H. Heine äusserte sich auch H. v. Brandt, deutscher Consul in Japan. am 16. Decbr. 1871 in der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesellschaft (vgl. deren Verhandlungen, Berlin 1872, S. 27). Bei Francis L. Hawks (Narrative of the expedition under Comm. M. C. Perry. Washington, 1856. tom. I. p. 454.) wird nur von dem starken Bartwuchs und der reichlichen Haarbedeckung der Beine bei Ainos in der Nachbarschaft von Hakodadi gesprochen. 4) Gould, Investigations. New-York. 1869. p. 568--569.
Haut und Haar des Menschen. familie. Bei Südeuropäern, namentlich Portugiesen und Spaniern,soll dieses Merkmal am stärksten sich entwickeln1). Von allen Völkern der Erde standen aber die Aino, die Bewohner von Jezo Saghalien und den Kurilen, seit dem Besuche Lapérouse’s, in dem Rufe, eine Art thierischer Behaarung am Oberkörper zu besitzen2). Neuere Beobachter haben diese Uebertreibung beträchtlich gemil- dert, so dass die Aino nicht einmal völlig den Vergleich mit euro- päischen Matrosen bestanden. Heinrich Heine fand die Bärte der Aino nur 5—6 Zoll lang, Brust und Nacken waren kahl und nur bei einer einzigen Person zeigten sich an den genannten Körper- stellen etliche Haarbüschel3). Immerhin wird selbst dieser mässige Grad einer zottigen Haut in der Nachbarschaft so bartarmer Völker, wie der Japanen und Chinesen uns in Verlegenheit setzen, wenn wir den Aino in unsrer Raceneintheilung einen schicklichen Platz anweisen wollen, denn das Auftreten der Leibhaare sind wir genöthigt, zu den beharrlichsten Kennzeichen der Menschenracen zu zählen. Wenn nun bei 2129 Mulatten und Negern des 25. Armeecorps, die zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges beim Baden von Aerzten beobachtet wurden, nur 9 als ganz kahl sich zeigten, 21 dagegen beinahe die höchste Stufe, zwei Drittel aber die mittlere Häufigkeit der Behaarung wie bei weissen Soldaten wahrnehmen liessen4), so dürfen wir doch nicht daraus schliessen, dass eine Vertauschung des afrikanischen Wohnortes mit der neuen Welt das Hervorsprossen des Leibhaares bei den Negern veranlasst habe. Es ist hier vielmehr der Ort, den Irrthum 1) Der bekannten Tänzerin Pastraña, welche fast unter die dicht behaarten Geschöpfe gehörte, soll auch ein wenig die berüchtigte Lola Montez geglichen haben. Ausland. 1861. S. 503. 2) Lapérouse (Voyage autour du monde. Paris 1798. tom. III, p. 125.) begnügt sich indessen, von den Bewohnern Saghaliens an der Crillon-Bai zu behaupten, dass Bärtigkeit und Behaarung von Armen, Nacken, wie sie bei Europäern zu den Seltenheiten gehöre, bei ihnen die Regel sei. 3) H. Heine, China, Japan und Ochotzk. Bd. 2. S. 223. Wie H. Heine äusserte sich auch H. v. Brandt, deutscher Consul in Japan. am 16. Decbr. 1871 in der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesellschaft (vgl. deren Verhandlungen, Berlin 1872, S. 27). Bei Francis L. Hawks (Narrative of the expedition under Comm. M. C. Perry. Washington, 1856. tom. I. p. 454.) wird nur von dem starken Bartwuchs und der reichlichen Haarbedeckung der Beine bei Ainos in der Nachbarschaft von Hakodadi gesprochen. 4) Gould, Investigations. New-York. 1869. p. 568—569.
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Haut und Haar des Menschen.
familie. Bei Südeuropäern, namentlich Portugiesen und Spaniern,
soll dieses Merkmal am stärksten sich entwickeln 1). Von allen
Völkern der Erde standen aber die Aino, die Bewohner von Jezo
Saghalien und den Kurilen, seit dem Besuche Lapérouse’s, in dem
Rufe, eine Art thierischer Behaarung am Oberkörper zu besitzen 2).
Neuere Beobachter haben diese Uebertreibung beträchtlich gemil-
dert, so dass die Aino nicht einmal völlig den Vergleich mit euro-
päischen Matrosen bestanden. Heinrich Heine fand die Bärte der
Aino nur 5—6 Zoll lang, Brust und Nacken waren kahl und nur
bei einer einzigen Person zeigten sich an den genannten Körper-
stellen etliche Haarbüschel 3). Immerhin wird selbst dieser mässige
Grad einer zottigen Haut in der Nachbarschaft so bartarmer
Völker, wie der Japanen und Chinesen uns in Verlegenheit setzen,
wenn wir den Aino in unsrer Raceneintheilung einen schicklichen
Platz anweisen wollen, denn das Auftreten der Leibhaare sind wir
genöthigt, zu den beharrlichsten Kennzeichen der Menschenracen
zu zählen. Wenn nun bei 2129 Mulatten und Negern des
25. Armeecorps, die zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges
beim Baden von Aerzten beobachtet wurden, nur 9 als ganz
kahl sich zeigten, 21 dagegen beinahe die höchste Stufe, zwei
Drittel aber die mittlere Häufigkeit der Behaarung wie bei weissen
Soldaten wahrnehmen liessen 4), so dürfen wir doch nicht daraus
schliessen, dass eine Vertauschung des afrikanischen Wohnortes
mit der neuen Welt das Hervorsprossen des Leibhaares bei den
Negern veranlasst habe. Es ist hier vielmehr der Ort, den Irrthum
1) Der bekannten Tänzerin Pastraña, welche fast unter die dicht behaarten
Geschöpfe gehörte, soll auch ein wenig die berüchtigte Lola Montez geglichen
haben. Ausland. 1861. S. 503.
2) Lapérouse (Voyage autour du monde. Paris 1798. tom. III, p. 125.)
begnügt sich indessen, von den Bewohnern Saghaliens an der Crillon-Bai zu
behaupten, dass Bärtigkeit und Behaarung von Armen, Nacken, wie sie bei
Europäern zu den Seltenheiten gehöre, bei ihnen die Regel sei.
3) H. Heine, China, Japan und Ochotzk. Bd. 2. S. 223. Wie H. Heine
äusserte sich auch H. v. Brandt, deutscher Consul in Japan. am 16. Decbr.
1871 in der Sitzung der Berliner anthropologischen Gesellschaft (vgl. deren
Verhandlungen, Berlin 1872, S. 27). Bei Francis L. Hawks (Narrative of the
expedition under Comm. M. C. Perry. Washington, 1856. tom. I. p. 454.) wird
nur von dem starken Bartwuchs und der reichlichen Haarbedeckung der
Beine bei Ainos in der Nachbarschaft von Hakodadi gesprochen.
4) Gould, Investigations. New-York. 1869. p. 568—569.
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