bursche, erzählt Whymper, den Obrist Bulkley von der Ploverbay nach San Francisco mitnahm, wurde dort stets für einen Chinesen gehalten und mit zwei Matrosen, gebornen Aleuten, trugen sich öfter ähnliche Missverständnisse in einer Stadt zu, wo man doch auf jeder Strasse Chinesen und Japanern begegnet 1). Fügen wir noch zum Schluss hinzu, dass die Tuski das Beringsmeer in Leder- booten mit einem Geripp aus Walfischknochen befahren und sich dabei auch eines Segels bedienen, wahrscheinlich in Nachahmung europäischer Schiffe. Sie binden zugleich aufgeblasene Seehunds- häute an die äusseren Wände der Fahrzeuge, damit sie wie die polynesischen Ausleger das Umschlagen verhüten.
c. Die Namollo und die Eskimo.
Ganz in der äussersten Nordostecke Asiens, an der Bering- strasse und längs dem Eismeer, grenzen an die Tschuktschen die früher mit ihnen verwechselten Namollo. Durch Sitten und Lebens- gewohnheiten unterscheiden sie sich nur wenig von ihren Nach- barn. Lütke 2) fand bei ihnen ausgeprägte mongolische Gesichts- züge, vorstehende Backenknochen, kleine Nasen und vielfach schiefgestellte Augen. Wir wissen ferner, dass die Sprache der Namollo mit der Eskimosprache verschwistert ist 3). Chamisso, der Namollo in der St. Lorenzbucht und Eskimo am Kotzebuesunde vergleichen konnte, bemerkt, dass die Bevölkerung der Nordost- spitze Asiens, sowie alle Amerikaner von der Beringstrasse bis zu den Eskimo der Baffinsbay, "demselben Menschenschlag von ausgezeichnet mongolischer Gesichtsbildung angehören" 4). Die Eskimo, deren Name von Esquimantsic aus der Abenaki- oder von Aschkimeg aus der Odschibwäsprache stammt und in beiden Fällen Rohfleischesser bedeutet 5), nennen sich selbst In-nu-it, eine Plural- form von in-nu der Menseh. Die Wortbildung in ihrer Sprache geschieht immer auf dem Wege der Suffigirung 6) und insofern
1)Whymper, Alaska. S. 273.
2) Voyage autour du monde. Paris 1835. chap. XI. tom. II. p. 264.
3)Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 301.
4)Otto v. Kotzebue's Entdeckungsreise. Weimar 1821. Bd. 3. S. 176.
5)Charlevoix, Nouvelle France. tom. III. p. 178.
6)Steinthal, Typen des Sprachbaues. S. 220.
Die Beringsvölker.
bursche, erzählt Whymper, den Obrist Bulkley von der Ploverbay nach San Francisco mitnahm, wurde dort stets für einen Chinesen gehalten und mit zwei Matrosen, gebornen Alëuten, trugen sich öfter ähnliche Missverständnisse in einer Stadt zu, wo man doch auf jeder Strasse Chinesen und Japanern begegnet 1). Fügen wir noch zum Schluss hinzu, dass die Tuski das Beringsmeer in Leder- booten mit einem Geripp aus Walfischknochen befahren und sich dabei auch eines Segels bedienen, wahrscheinlich in Nachahmung europäischer Schiffe. Sie binden zugleich aufgeblasene Seehunds- häute an die äusseren Wände der Fahrzeuge, damit sie wie die polynesischen Ausleger das Umschlagen verhüten.
c. Die Namollo und die Eskimo.
Ganz in der äussersten Nordostecke Asiens, an der Bering- strasse und längs dem Eismeer, grenzen an die Tschuktschen die früher mit ihnen verwechselten Namollo. Durch Sitten und Lebens- gewohnheiten unterscheiden sie sich nur wenig von ihren Nach- barn. Lütke 2) fand bei ihnen ausgeprägte mongolische Gesichts- züge, vorstehende Backenknochen, kleine Nasen und vielfach schiefgestellte Augen. Wir wissen ferner, dass die Sprache der Namollo mit der Eskimosprache verschwistert ist 3). Chamisso, der Namollo in der St. Lorenzbucht und Eskimo am Kotzebuesunde vergleichen konnte, bemerkt, dass die Bevölkerung der Nordost- spitze Asiens, sowie alle Amerikaner von der Beringstrasse bis zu den Eskimo der Baffinsbay, „demselben Menschenschlag von ausgezeichnet mongolischer Gesichtsbildung angehören“ 4). Die Eskimo, deren Name von Esquimantsic aus der Abenaki- oder von Aschkimeg aus der Odschibwäsprache stammt und in beiden Fällen Rohfleischesser bedeutet 5), nennen sich selbst In-nu-it, eine Plural- form von in-nu der Menseh. Die Wortbildung in ihrer Sprache geschieht immer auf dem Wege der Suffigirung 6) und insofern
1)Whymper, Alaska. S. 273.
2) Voyage autour du monde. Paris 1835. chap. XI. tom. II. p. 264.
3)Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 301.
4)Otto v. Kotzebue’s Entdeckungsreise. Weimar 1821. Bd. 3. S. 176.
5)Charlevoix, Nouvelle France. tom. III. p. 178.
6)Steinthal, Typen des Sprachbaues. S. 220.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0436"n="418"/><fwplace="top"type="header">Die Beringsvölker.</fw><lb/>
bursche, erzählt Whymper, den Obrist Bulkley von der Ploverbay<lb/>
nach San Francisco mitnahm, wurde dort stets für einen Chinesen<lb/>
gehalten und mit zwei Matrosen, gebornen Alëuten, trugen sich<lb/>
öfter ähnliche Missverständnisse in einer Stadt zu, wo man doch<lb/>
auf jeder Strasse Chinesen und Japanern begegnet <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#g">Whymper</hi>, Alaska. S. 273.</note>. Fügen wir<lb/>
noch zum Schluss hinzu, dass die Tuski das Beringsmeer in Leder-<lb/>
booten mit einem Geripp aus Walfischknochen befahren und sich<lb/>
dabei auch eines Segels bedienen, wahrscheinlich in Nachahmung<lb/>
europäischer Schiffe. Sie binden zugleich aufgeblasene Seehunds-<lb/>
häute an die äusseren Wände der Fahrzeuge, damit sie wie<lb/>
die polynesischen Ausleger das Umschlagen verhüten.</p></div><lb/><divn="4"><head>c. <hirendition="#g">Die Namollo und die Eskimo</hi>.</head><lb/><p>Ganz in der äussersten Nordostecke Asiens, an der Bering-<lb/>
strasse und längs dem Eismeer, grenzen an die Tschuktschen die<lb/>
früher mit ihnen verwechselten Namollo. Durch Sitten und Lebens-<lb/>
gewohnheiten unterscheiden sie sich nur wenig von ihren Nach-<lb/>
barn. Lütke <noteplace="foot"n="2)">Voyage autour du monde. Paris 1835. chap. XI. tom. II. p. 264.</note> fand bei ihnen ausgeprägte mongolische Gesichts-<lb/>
züge, vorstehende Backenknochen, kleine Nasen und vielfach<lb/>
schiefgestellte Augen. Wir wissen ferner, dass die Sprache der<lb/>
Namollo mit der Eskimosprache verschwistert ist <noteplace="foot"n="3)"><hirendition="#g">Waitz</hi>, Anthropologie. Bd. 3. S. 301.</note>. Chamisso, der<lb/>
Namollo in der St. Lorenzbucht und Eskimo am Kotzebuesunde<lb/>
vergleichen konnte, bemerkt, dass die Bevölkerung der Nordost-<lb/>
spitze Asiens, sowie alle Amerikaner von der Beringstrasse bis<lb/>
zu den Eskimo der Baffinsbay, „demselben Menschenschlag von<lb/>
ausgezeichnet mongolischer Gesichtsbildung angehören“<noteplace="foot"n="4)"><hirendition="#g">Otto v. Kotzebue’s</hi> Entdeckungsreise. Weimar 1821. Bd. 3.<lb/>
S. 176.</note>. Die<lb/>
Eskimo, deren Name von Esquimantsic aus der Abenaki- oder von<lb/>
Aschkimeg aus der Odschibwäsprache stammt und in beiden Fällen<lb/>
Rohfleischesser bedeutet <noteplace="foot"n="5)"><hirendition="#g">Charlevoix</hi>, Nouvelle France. tom. III. p. 178.</note>, nennen sich selbst In-nu-it, eine Plural-<lb/>
form von <hirendition="#i">in-nu</hi> der Menseh. Die Wortbildung in ihrer Sprache<lb/>
geschieht immer auf dem Wege der Suffigirung <noteplace="foot"n="6)"><hirendition="#g">Steinthal</hi>, Typen des Sprachbaues. S. 220.</note> und insofern<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[418/0436]
Die Beringsvölker.
bursche, erzählt Whymper, den Obrist Bulkley von der Ploverbay
nach San Francisco mitnahm, wurde dort stets für einen Chinesen
gehalten und mit zwei Matrosen, gebornen Alëuten, trugen sich
öfter ähnliche Missverständnisse in einer Stadt zu, wo man doch
auf jeder Strasse Chinesen und Japanern begegnet 1). Fügen wir
noch zum Schluss hinzu, dass die Tuski das Beringsmeer in Leder-
booten mit einem Geripp aus Walfischknochen befahren und sich
dabei auch eines Segels bedienen, wahrscheinlich in Nachahmung
europäischer Schiffe. Sie binden zugleich aufgeblasene Seehunds-
häute an die äusseren Wände der Fahrzeuge, damit sie wie
die polynesischen Ausleger das Umschlagen verhüten.
c. Die Namollo und die Eskimo.
Ganz in der äussersten Nordostecke Asiens, an der Bering-
strasse und längs dem Eismeer, grenzen an die Tschuktschen die
früher mit ihnen verwechselten Namollo. Durch Sitten und Lebens-
gewohnheiten unterscheiden sie sich nur wenig von ihren Nach-
barn. Lütke 2) fand bei ihnen ausgeprägte mongolische Gesichts-
züge, vorstehende Backenknochen, kleine Nasen und vielfach
schiefgestellte Augen. Wir wissen ferner, dass die Sprache der
Namollo mit der Eskimosprache verschwistert ist 3). Chamisso, der
Namollo in der St. Lorenzbucht und Eskimo am Kotzebuesunde
vergleichen konnte, bemerkt, dass die Bevölkerung der Nordost-
spitze Asiens, sowie alle Amerikaner von der Beringstrasse bis
zu den Eskimo der Baffinsbay, „demselben Menschenschlag von
ausgezeichnet mongolischer Gesichtsbildung angehören“ 4). Die
Eskimo, deren Name von Esquimantsic aus der Abenaki- oder von
Aschkimeg aus der Odschibwäsprache stammt und in beiden Fällen
Rohfleischesser bedeutet 5), nennen sich selbst In-nu-it, eine Plural-
form von in-nu der Menseh. Die Wortbildung in ihrer Sprache
geschieht immer auf dem Wege der Suffigirung 6) und insofern
1) Whymper, Alaska. S. 273.
2) Voyage autour du monde. Paris 1835. chap. XI. tom. II. p. 264.
3) Waitz, Anthropologie. Bd. 3. S. 301.
4) Otto v. Kotzebue’s Entdeckungsreise. Weimar 1821. Bd. 3.
S. 176.
5) Charlevoix, Nouvelle France. tom. III. p. 178.
6) Steinthal, Typen des Sprachbaues. S. 220.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Peschel, Oscar: Völkerkunde. Leipzig, 1874, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/peschel_voelkerkunde_1874/436>, abgerufen am 11.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.