Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorbericht von der Juristen
gemeine Wesen und bürgerlichen Gesellschafften zu streiten
haben; von denen bösen Meinungen und Lastern entweder
der herrschenden oder der Bürger, insonderheit aus Ehrgeitz,
Geldgeitz, und Wollust entstehen, so hat man kein besser Mit-
tel solche zu meiden und auszurotten, als wenn man die Leute
unterrichtet, denen Begierden ein Ziel zu setzen, und die bösen
Meinungen abzulegen.

Die Pflan-
tzung der Re-
ligion
kan
nicht mit Ge-
walt gesche-hen.
§. XIX.

Jedoch ist gar wohl zu mercken/ daß man
sich solcher Mittel hierzu bediene/ welche erlaubt und zugelas-
sen. Mit Zwang wird hier nichts ausgerichtet. Die Gewalt
ist einem Fürsten auch nicht zu diesem Ende gegeben/ daß er
die Leute dadurch zur Religion, der er zugethan/ oder vor
wahr hält bringen soll. Der vortreffliche Puffendorff hat gar
herrliche Worte hievon/ die im Teutschen also lauten: (a)
Daß die Fürsten die Unterthanen zur ewigen Seeligkeit brin-
gen sollen, haben sie die Herrschafft nicht bekommen, weil
dieselbe zu erhalten GOtt andere Mittel und einen andern
Weg vorgeschrieben: Wiewohl nun nicht leugne, daß
Fürsten dergleichen Sorge nicht unterlassen sollen; so soll
man doch solche nicht dahin ziehen, daß man andere Mittel,
als die GOtt vorgeschrieben anwende, und die sich auff die
Eigenschafft der
Religion schicken. Vielweniger sollen wir
dieserwegen denen Fürsten eine solche Gewalt zueignen,

daß
(a) Puffendorffs
Gedaucken
hievon.
Puffendorff in append. ad tr. de hab. relig. ad vit. civil. contr. Adr. Hou-
tuyn.
Vt aeternam salutem ciuibus procurent principes, imperia in
hos non sunt collata, cui obtinendae alia media aliamque viam DEus
praescripsit. Et quanquam non negemus, ab ista quoque cura non a-
lienum deberi esse principes; ea tamen non eo vsque debet porrigi,
vt per alia media, quam diuinitus praescripta & probata expromatur,
& quae genio religionis quadrant; multo minus, vt ideo principibus
tribuamus potestatem, ciuibus obtrudendi religionem etiam extra-
neam quamlibet cum non quaelibet religio saluti animarum sit profi-
cua. Sicuti & Abrahamus ille credentium pater filiis suis non prae-
scribebat religionem pro lubitu, sed praecipiebat custodire viam Do-
mini, diuinis reuelationibus designatam & confirmatam.

Vorbericht von der Juriſten
gemeine Weſen und buͤrgerlichen Geſellſchafften zu ſtreiten
haben; von denen boͤſen Meinungen und Laſtern entweder
der herrſchenden oder der Buͤrger, inſonderheit aus Ehrgeitz,
Geldgeitz, und Wolluſt entſtehen, ſo hat man kein beſſer Mit-
tel ſolche zu meiden und auszurotten, als wenn man die Leute
unterrichtet, denen Begierden ein Ziel zu ſetzen, und die boͤſen
Meinungen abzulegen.

Die Pflan-
tzung der Re-
ligion
kan
nicht mit Ge-
walt geſche-hen.
§. XIX.

Jedoch iſt gar wohl zu mercken/ daß man
ſich ſolcher Mittel hierzu bediene/ welche erlaubt und zugelaſ-
ſen. Mit Zwang wird hier nichts ausgerichtet. Die Gewalt
iſt einem Fuͤrſten auch nicht zu dieſem Ende gegeben/ daß er
die Leute dadurch zur Religion, der er zugethan/ oder vor
wahr haͤlt bringen ſoll. Der vortreffliche Puffendorff hat gar
herrliche Worte hievon/ die im Teutſchen alſo lauten: (a)
Daß die Fuͤrſten die Unterthanen zur ewigen Seeligkeit brin-
gen ſollen, haben ſie die Herrſchafft nicht bekommen, weil
dieſelbe zu erhalten GOtt andere Mittel und einen andern
Weg vorgeſchrieben: Wiewohl nun nicht leugne, daß
Fuͤrſten dergleichen Sorge nicht unterlaſſen ſollen; ſo ſoll
man doch ſolche nicht dahin ziehen, daß man andere Mittel,
als die GOtt vorgeſchrieben anwende, und die ſich auff die
Eigenſchafft der
Religion ſchicken. Vielweniger ſollen wir
dieſerwegen denen Fuͤrſten eine ſolche Gewalt zueignen,

daß
(a) Puffendorffs
Gedaucken
hievon.
Puffendorff in append. ad tr. de hab. relig. ad vit. civil. contr. Adr. Hou-
tuyn.
Vt æternam ſalutem ciuibus procurent principes, imperia in
hos non ſunt collata, cui obtinendæ alia media aliamque viam DEus
præſcripſit. Et quanquam non negemus, ab iſta quoque cura non a-
lienum deberi eſſe principes; ea tamen non eo vſque debet porrigi,
vt per alia media, quam diuinitus præſcripta & probata expromatur,
& quæ genio religionis quadrant; multo minus, vt ideo principibus
tribuamus poteſtatem, ciuibus obtrudendi religionem etiam extra-
neam quamlibet cum non quælibet religio ſaluti animarum ſit profi-
cua. Sicuti & Abrahamus ille credentium pater filiis ſuis non præ-
ſcribebat religionem pro lubitu, ſed præcipiebat cuſtodire viam Do-
mini, diuinis reuelationibus deſignatam & confirmatam.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0043" n="24"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vorbericht von der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Juri&#x017F;ten</hi></hi></hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">gemeine We&#x017F;en und bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chafften zu &#x017F;treiten<lb/>
haben; von denen bo&#x0364;&#x017F;en Meinungen und La&#x017F;tern entweder<lb/>
der herr&#x017F;chenden oder der Bu&#x0364;rger, in&#x017F;onderheit aus Ehrgeitz,<lb/>
Geldgeitz, und Wollu&#x017F;t ent&#x017F;tehen, &#x017F;o hat man kein be&#x017F;&#x017F;er Mit-<lb/>
tel &#x017F;olche zu meiden und auszurotten, als wenn man die Leute<lb/>
unterrichtet, denen Begierden ein Ziel zu &#x017F;etzen, und die bo&#x0364;&#x017F;en<lb/>
Meinungen abzulegen.</hi> </p><lb/>
          <note place="left">Die Pflan-<lb/>
tzung der <hi rendition="#aq">Re-<lb/>
ligion</hi> kan<lb/>
nicht mit Ge-<lb/>
walt ge&#x017F;che-hen.</note>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. <hi rendition="#aq">XIX.</hi></head>
          <p>Jedoch i&#x017F;t gar wohl zu mercken/ daß man<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;olcher Mittel hierzu bediene/ welche erlaubt und zugela&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Mit <hi rendition="#fr">Zwang</hi> wird hier nichts ausgerichtet. Die Gewalt<lb/>
i&#x017F;t einem Fu&#x0364;r&#x017F;ten auch nicht zu die&#x017F;em Ende gegeben/ daß er<lb/>
die Leute dadurch zur <hi rendition="#aq">Religion,</hi> der er zugethan/ oder vor<lb/>
wahr ha&#x0364;lt bringen &#x017F;oll. Der vortreffliche <hi rendition="#aq">Puffendorff</hi> hat gar<lb/>
herrliche Worte hievon/ die im Teut&#x017F;chen al&#x017F;o lauten: <note place="foot" n="(a)"><note place="left">Puffendorffs<lb/>
Gedaucken<lb/>
hievon.</note><hi rendition="#aq">Puffendorff <hi rendition="#i">in append. ad tr. de hab. relig. ad vit. civil. contr. Adr. Hou-<lb/>
tuyn.</hi> Vt æternam &#x017F;alutem ciuibus procurent principes, imperia in<lb/>
hos non &#x017F;unt collata, cui obtinendæ alia media aliamque viam DEus<lb/>
præ&#x017F;crip&#x017F;it. Et quanquam non negemus, ab i&#x017F;ta quoque cura non a-<lb/>
lienum deberi e&#x017F;&#x017F;e principes; ea tamen non eo v&#x017F;que debet porrigi,<lb/>
vt per alia media, quam diuinitus præ&#x017F;cripta &amp; probata expromatur,<lb/>
&amp; quæ genio religionis quadrant; multo minus, vt ideo principibus<lb/>
tribuamus pote&#x017F;tatem, ciuibus obtrudendi religionem etiam extra-<lb/>
neam quamlibet cum non quælibet religio &#x017F;aluti animarum &#x017F;it profi-<lb/>
cua. Sicuti &amp; Abrahamus ille credentium pater filiis &#x017F;uis non præ-<lb/>
&#x017F;cribebat religionem pro lubitu, &#x017F;ed præcipiebat cu&#x017F;todire viam Do-<lb/>
mini, diuinis reuelationibus de&#x017F;ignatam &amp; confirmatam.</hi></note><lb/><hi rendition="#fr">Daß die Fu&#x0364;r&#x017F;ten die Unterthanen zur ewigen Seeligkeit brin-<lb/>
gen &#x017F;ollen, haben &#x017F;ie die Herr&#x017F;chafft nicht bekommen, weil<lb/>
die&#x017F;elbe zu erhalten GOtt andere Mittel und einen andern<lb/>
Weg vorge&#x017F;chrieben: Wiewohl nun nicht leugne, daß<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten dergleichen Sorge nicht unterla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen; &#x017F;o &#x017F;oll<lb/>
man doch &#x017F;olche nicht dahin ziehen, daß man andere Mittel,<lb/>
als die GOtt vorge&#x017F;chrieben anwende, und die &#x017F;ich auff die<lb/>
Eigen&#x017F;chafft der</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Religion</hi></hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;chicken. Vielweniger &#x017F;ollen wir<lb/>
die&#x017F;erwegen denen Fu&#x0364;r&#x017F;ten eine &#x017F;olche Gewalt zueignen,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">daß</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0043] Vorbericht von der Juriſten gemeine Weſen und buͤrgerlichen Geſellſchafften zu ſtreiten haben; von denen boͤſen Meinungen und Laſtern entweder der herrſchenden oder der Buͤrger, inſonderheit aus Ehrgeitz, Geldgeitz, und Wolluſt entſtehen, ſo hat man kein beſſer Mit- tel ſolche zu meiden und auszurotten, als wenn man die Leute unterrichtet, denen Begierden ein Ziel zu ſetzen, und die boͤſen Meinungen abzulegen. §. XIX. Jedoch iſt gar wohl zu mercken/ daß man ſich ſolcher Mittel hierzu bediene/ welche erlaubt und zugelaſ- ſen. Mit Zwang wird hier nichts ausgerichtet. Die Gewalt iſt einem Fuͤrſten auch nicht zu dieſem Ende gegeben/ daß er die Leute dadurch zur Religion, der er zugethan/ oder vor wahr haͤlt bringen ſoll. Der vortreffliche Puffendorff hat gar herrliche Worte hievon/ die im Teutſchen alſo lauten: (a) Daß die Fuͤrſten die Unterthanen zur ewigen Seeligkeit brin- gen ſollen, haben ſie die Herrſchafft nicht bekommen, weil dieſelbe zu erhalten GOtt andere Mittel und einen andern Weg vorgeſchrieben: Wiewohl nun nicht leugne, daß Fuͤrſten dergleichen Sorge nicht unterlaſſen ſollen; ſo ſoll man doch ſolche nicht dahin ziehen, daß man andere Mittel, als die GOtt vorgeſchrieben anwende, und die ſich auff die Eigenſchafft der Religion ſchicken. Vielweniger ſollen wir dieſerwegen denen Fuͤrſten eine ſolche Gewalt zueignen, daß (a) Puffendorff in append. ad tr. de hab. relig. ad vit. civil. contr. Adr. Hou- tuyn. Vt æternam ſalutem ciuibus procurent principes, imperia in hos non ſunt collata, cui obtinendæ alia media aliamque viam DEus præſcripſit. Et quanquam non negemus, ab iſta quoque cura non a- lienum deberi eſſe principes; ea tamen non eo vſque debet porrigi, vt per alia media, quam diuinitus præſcripta & probata expromatur, & quæ genio religionis quadrant; multo minus, vt ideo principibus tribuamus poteſtatem, ciuibus obtrudendi religionem etiam extra- neam quamlibet cum non quælibet religio ſaluti animarum ſit profi- cua. Sicuti & Abrahamus ille credentium pater filiis ſuis non præ- ſcribebat religionem pro lubitu, ſed præcipiebat cuſtodire viam Do- mini, diuinis reuelationibus deſignatam & confirmatam.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/43
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/43>, abgerufen am 21.11.2024.