Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.III. Abth. II. Cap. Vom Recht eines Fürsten logi behaupten: Die geistlichen hätten das Rechte Sün-de zu vergeben/ sie könten mit gutem Fug die gewöhnliche absolutions-Formul aussprechen; So würde man sagen/ die Aenderung derselben beträffe einen Lehr-Satz. Hier könte kein Fürste etwas vorschreiben a). Allein gesetzt/ daß diese Meinung wegen der absolutions-Formuln gegrün- det. Kan denn ein Fürste nicht sagen: Dieses oder jenes soll in meinem Lande gelehret werden? Allerdings hat ein Fürste diese Macht. Er zwinget niemand/ daß er dasje- nige/ was er vor wahr hält/ auch glauben müsse. Ein Für- ste saget weiter nichts/ als: so und so soll in meinem Land öffentlich gelehret werden b). Also kan ein Landes-Herr gar a) Das Recht ei- nes Fürsten in Theologischen Streit-Hän- deln.So viel bescheiden sich heute zu Tage verschiedene Theologi, daß der Landes-Herr theologische Streit-Händel entscheiden könne. Sie sagen aber, daß dieselbe entweder Lehr-Sätze oder Mittel- Dinge beträffen. Glaubens-Sachen giengen dem Landes-Herrn nichts an. Darum könte auch derselbe nichts entscheiden. Ge- wisser massen haben sie Recht, auf gewisse Weise aber nicht. Die hier vorkommenden Fragen hat der weltberühmte Herr Thoma- sius in seinem Fürsten-Recht in Theologischen Streit-Sachen bereits entschieden. Siehe hierbey die folgende Note. b) Wird weiter
erläutert.Der König Theodoricus hat gar wohl gesprochen: Man kön- te über die Religion nicht herrschen, noch jemand zwin- gen, daß er etwas glaube. Religionem imperare non pos- sumus, quia nemo cogitur vt credat inuitus. Cassiodorus var- Lib.' II. c. 27. Allein es ist ein anders, etwas öffentlich lehren lassen; Ein anders, einen Lehr-Satz denen Unterthanen durch Gesetze und Straffen aufzudringen. Das erstere hat kein anderes Absehen, als daß in denen öffentlichen Versamm- lungen nichts anders gelehret werde. Daß niemand zu einem geistlichen Amt kommet, als der eben dergleichen lehren will. Das andere aber gehet weiter, und ist ein Gewissens-Zwang. Ein Fürste muß wegen der innerlichen Ruhe zum öfftern entschei- den, III. Abth. II. Cap. Vom Recht eines Fuͤrſten logi behaupten: Die geiſtlichen haͤtten das Rechte Suͤn-de zu vergeben/ ſie koͤnten mit gutem Fug die gewoͤhnliche abſolutions-Formul ausſprechen; So wuͤrde man ſagen/ die Aenderung derſelben betraͤffe einen Lehr-Satz. Hier koͤnte kein Fuͤrſte etwas vorſchreiben a). Allein geſetzt/ daß dieſe Meinung wegen der abſolutions-Formuln gegruͤn- det. Kan denn ein Fuͤrſte nicht ſagen: Dieſes oder jenes ſoll in meinem Lande gelehret werden? Allerdings hat ein Fuͤrſte dieſe Macht. Er zwinget niemand/ daß er dasje- nige/ was er vor wahr haͤlt/ auch glauben muͤſſe. Ein Fuͤr- ſte ſaget weiter nichts/ als: ſo und ſo ſoll in meinem Land oͤffentlich gelehret werden b). Alſo kan ein Landes-Herr gar a) Das Recht ei- nes Fuͤrſten in Theologiſchen Streit-Haͤn- deln.So viel beſcheiden ſich heute zu Tage verſchiedene Theologi, daß der Landes-Herr theologiſche Streit-Haͤndel entſcheiden koͤnne. Sie ſagen aber, daß dieſelbe entweder Lehr-Saͤtze oder Mittel- Dinge betraͤffen. Glaubens-Sachen giengen dem Landes-Herrn nichts an. Darum koͤnte auch derſelbe nichts entſcheiden. Ge- wiſſer maſſen haben ſie Recht, auf gewiſſe Weiſe aber nicht. Die hier vorkommenden Fragen hat der weltberuͤhmte Herr Thoma- ſius in ſeinem Fuͤrſten-Recht in Theologiſchen Streit-Sachen bereits entſchieden. Siehe hierbey die folgende Note. b) Wird weiter
erlaͤutert.Der Koͤnig Theodoricus hat gar wohl geſprochen: Man koͤn- te uͤber die Religion nicht herrſchen, noch jemand zwin- gen, daß er etwas glaube. Religionem imperare non poſ- ſumus, quia nemo cogitur vt credat inuitus. Caſſiodorus var- Lib.’ II. c. 27. Allein es iſt ein anders, etwas oͤffentlich lehren laſſen; Ein anders, einen Lehr-Satz denen Unterthanen durch Geſetze und Straffen aufzudringen. Das erſtere hat kein anderes Abſehen, als daß in denen oͤffentlichen Verſamm- lungen nichts anders gelehret werde. Daß niemand zu einem geiſtlichen Amt kommet, als der eben dergleichen lehren will. Das andere aber gehet weiter, und iſt ein Gewiſſens-Zwang. Ein Fuͤrſte muß wegen der innerlichen Ruhe zum oͤfftern entſchei- den, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0393" n="374"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Cap. Vom Recht eines Fuͤrſten</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">logi</hi> behaupten: Die geiſtlichen haͤtten das Rechte Suͤn-<lb/> de zu vergeben/ ſie koͤnten mit gutem Fug die gewoͤhnliche<lb/><hi rendition="#aq">abſolutio</hi>ns-Formul ausſprechen; So wuͤrde man ſagen/<lb/> die Aenderung derſelben betraͤffe einen <hi rendition="#fr">Lehr-Satz.</hi> Hier<lb/> koͤnte kein Fuͤrſte etwas vorſchreiben <note place="foot" n="a)"><note place="left">Das Recht ei-<lb/> nes Fuͤrſten in<lb/><hi rendition="#aq">Theologi</hi>ſchen<lb/> Streit-Haͤn-<lb/> deln.</note>So viel beſcheiden ſich heute zu Tage verſchiedene <hi rendition="#aq">Theologi,</hi> daß der<lb/> Landes-Herr <hi rendition="#aq">theologi</hi>ſche Streit-Haͤndel entſcheiden koͤnne. Sie<lb/> ſagen aber, daß dieſelbe entweder <hi rendition="#fr">Lehr-Saͤtze</hi> oder <hi rendition="#fr">Mittel-<lb/> Dinge</hi> betraͤffen. Glaubens-Sachen giengen dem Landes-Herrn<lb/> nichts an. Darum koͤnte auch derſelbe nichts entſcheiden. Ge-<lb/> wiſſer maſſen haben ſie Recht, auf gewiſſe Weiſe aber nicht. Die<lb/> hier vorkommenden Fragen hat der weltberuͤhmte Herr <hi rendition="#aq">Thoma-<lb/> ſius</hi> <hi rendition="#fr">in ſeinem Fuͤrſten-Recht in</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Theologi</hi></hi><hi rendition="#fr">ſchen Streit-Sachen</hi><lb/> bereits entſchieden. Siehe hierbey die folgende Note.</note>. Allein geſetzt/ daß<lb/> dieſe Meinung wegen der <hi rendition="#aq">abſolutio</hi>ns-Formuln gegruͤn-<lb/> det. Kan denn ein Fuͤrſte nicht ſagen: Dieſes oder jenes<lb/> ſoll in meinem Lande gelehret werden? Allerdings hat ein<lb/> Fuͤrſte dieſe Macht. Er zwinget niemand/ daß er dasje-<lb/> nige/ was er vor wahr haͤlt/ auch glauben muͤſſe. Ein Fuͤr-<lb/> ſte ſaget weiter nichts/ als: ſo und ſo ſoll in meinem Land<lb/> oͤffentlich gelehret werden <note xml:id="i64" next="#i65" place="foot" n="b)"><note place="left">Wird weiter<lb/> erlaͤutert.</note>Der Koͤnig <hi rendition="#aq">Theodoricus</hi> hat gar wohl geſprochen: <hi rendition="#fr">Man koͤn-<lb/> te uͤber die Religion nicht herrſchen, noch jemand zwin-<lb/> gen, daß er etwas glaube.</hi> <hi rendition="#aq">Religionem imperare non poſ-<lb/> ſumus, quia nemo cogitur vt credat inuitus. Caſſiodorus <hi rendition="#i">var-<lb/> Lib.’ II. c. 27.</hi></hi> Allein es iſt ein anders, <hi rendition="#fr">etwas oͤffentlich lehren<lb/> laſſen;</hi> Ein anders, <hi rendition="#fr">einen Lehr-Satz denen Unterthanen<lb/> durch Geſetze und Straffen aufzudringen.</hi> Das erſtere hat<lb/> kein anderes Abſehen, als daß in denen oͤffentlichen Verſamm-<lb/> lungen nichts anders gelehret werde. Daß niemand zu einem<lb/> geiſtlichen Amt kommet, als der eben dergleichen lehren will.<lb/> Das andere aber gehet weiter, und iſt ein Gewiſſens-Zwang.<lb/> Ein Fuͤrſte muß wegen der innerlichen Ruhe zum oͤfftern entſchei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den,</fw></note>. Alſo kan ein Landes-Herr<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gar</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [374/0393]
III. Abth. II. Cap. Vom Recht eines Fuͤrſten
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de zu vergeben/ ſie koͤnten mit gutem Fug die gewoͤhnliche
abſolutions-Formul ausſprechen; So wuͤrde man ſagen/
die Aenderung derſelben betraͤffe einen Lehr-Satz. Hier
koͤnte kein Fuͤrſte etwas vorſchreiben a). Allein geſetzt/ daß
dieſe Meinung wegen der abſolutions-Formuln gegruͤn-
det. Kan denn ein Fuͤrſte nicht ſagen: Dieſes oder jenes
ſoll in meinem Lande gelehret werden? Allerdings hat ein
Fuͤrſte dieſe Macht. Er zwinget niemand/ daß er dasje-
nige/ was er vor wahr haͤlt/ auch glauben muͤſſe. Ein Fuͤr-
ſte ſaget weiter nichts/ als: ſo und ſo ſoll in meinem Land
oͤffentlich gelehret werden b). Alſo kan ein Landes-Herr
gar
a) So viel beſcheiden ſich heute zu Tage verſchiedene Theologi, daß der
Landes-Herr theologiſche Streit-Haͤndel entſcheiden koͤnne. Sie
ſagen aber, daß dieſelbe entweder Lehr-Saͤtze oder Mittel-
Dinge betraͤffen. Glaubens-Sachen giengen dem Landes-Herrn
nichts an. Darum koͤnte auch derſelbe nichts entſcheiden. Ge-
wiſſer maſſen haben ſie Recht, auf gewiſſe Weiſe aber nicht. Die
hier vorkommenden Fragen hat der weltberuͤhmte Herr Thoma-
ſius in ſeinem Fuͤrſten-Recht in Theologiſchen Streit-Sachen
bereits entſchieden. Siehe hierbey die folgende Note.
b) Der Koͤnig Theodoricus hat gar wohl geſprochen: Man koͤn-
te uͤber die Religion nicht herrſchen, noch jemand zwin-
gen, daß er etwas glaube. Religionem imperare non poſ-
ſumus, quia nemo cogitur vt credat inuitus. Caſſiodorus var-
Lib.’ II. c. 27. Allein es iſt ein anders, etwas oͤffentlich lehren
laſſen; Ein anders, einen Lehr-Satz denen Unterthanen
durch Geſetze und Straffen aufzudringen. Das erſtere hat
kein anderes Abſehen, als daß in denen oͤffentlichen Verſamm-
lungen nichts anders gelehret werde. Daß niemand zu einem
geiſtlichen Amt kommet, als der eben dergleichen lehren will.
Das andere aber gehet weiter, und iſt ein Gewiſſens-Zwang.
Ein Fuͤrſte muß wegen der innerlichen Ruhe zum oͤfftern entſchei-
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