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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. IV. Cap. Von der
Lügen auszusinnen, solche zu beschönigen, auszustreuen
und zu vertheidigen. Geitzhäise, und die zur Verrätherey
durch Geschencke sich leicht bewegen und fast erkauffen lassen.
Schmarotzer, die mehr in Schencken als in der Kirche anzu-
treffen, die bey dem Trunck nicht bescheiden, sondern Wäscher
und Aufschneider sind. Sie sind rechte
Polipragmones, da sie
einen Fuß auf der Cantzel, den andern auf dem Richthause
haben, und daher zum richten, verdammen, regieren, um-
zukehren und unterdrücken gar geneigt sind. Zornige, rach-
begierige, und dergleichen, und wenn einer nur mit einem sol-
chen Laster behafftet, so kan er, wenn er durch die Beichte
gute Gelegenheit gekriegt, grossen Unfug anrichten, und da
er die Heimligkeiten eines jeden heraus gelocket, ihn in Furcht
und Schrecken, daß er ihn verrathen möchte, erhalten.

Dieserwegen sagen sie/ müsse man vor allen acht haben/ ob
der Priester ein ehrlicher rechtschaffner exemplarischer
Mann sey/ und ob der/ so etwas gebeichtet/ am Leben, oder
ob er gestorben. Wenn jemand/ der etwas gebeichtet/ noch
am Leben/ und der Priester schwatzet aus der Beichte/ so
machen sie wieder den Unterscheid/ ob er wiederspricht und
sich reget/ oder ob er stille sitzt. Sodann sprechen sie nach
Beschaffenheit der Umstände bald vor den Priester/ bald
vor das Beicht-Kind b).

§. XXI.
b) Verschiedene
Meinungen
der Lehrer von
dem Beweiß
der gegebenen
Erlaubnüß.
Wenn ein Beicht-Vater ein ehrlicher Mann, von untadeli-
chem Leben,
so meinen sie, wäre die Muthmassung vor ihn.
Wenn das Beicht-Kind sagte, daß es ihm die Erlaubniß nicht
gegeben, müste es ein solches beweisen. Wenn das Beicht-
Kind noch lebte, und erführe, daß der Beicht-Vater sagte, die-
ses oder jenes hätte es ihm offenbahret, und schwiege darzu
still,
so wäre kein Zweiffel, daß es ihm die Erlaubnüß zu reden
verstattet. Wenn es aber sagte, daß diese Bewilligung nicht
ertheilet worden, so sagen einige, der Beicht-Vater verdiene
mit seinem Vorgeben gantz und gar keinen Glauben. Andere
sagen:

II. Abth. IV. Cap. Von der
Luͤgen auszuſinnen, ſolche zu beſchoͤnigen, auszuſtreuen
und zu vertheidigen. Geitzhaͤiſe, und die zur Verraͤtherey
durch Geſchencke ſich leicht bewegen und faſt erkauffen laſſen.
Schmarotzer, die mehr in Schencken als in der Kirche anzu-
treffen, die bey dem Trunck nicht beſcheiden, ſondern Waͤſcher
und Aufſchneider ſind. Sie ſind rechte
Polipragmones, da ſie
einen Fuß auf der Cantzel, den andern auf dem Richthauſe
haben, und daher zum richten, verdammen, regieren, um-
zukehren und unterdruͤcken gar geneigt ſind. Zornige, rach-
begierige, und dergleichen, und wenn einer nur mit einem ſol-
chen Laſter behafftet, ſo kan er, wenn er durch die Beichte
gute Gelegenheit gekriegt, groſſen Unfug anrichten, und da
er die Heimligkeiten eines jeden heraus gelocket, ihn in Furcht
und Schrecken, daß er ihn verrathen moͤchte, erhalten.

Dieſerwegen ſagen ſie/ muͤſſe man vor allen acht haben/ ob
der Prieſter ein ehrlicher rechtſchaffner exemplariſcher
Mann ſey/ und ob der/ ſo etwas gebeichtet/ am Leben, oder
ob er geſtorben. Wenn jemand/ der etwas gebeichtet/ noch
am Leben/ und der Prieſter ſchwatzet aus der Beichte/ ſo
machen ſie wieder den Unterſcheid/ ob er wiederſpricht und
ſich reget/ oder ob er ſtille ſitzt. Sodann ſprechen ſie nach
Beſchaffenheit der Umſtaͤnde bald vor den Prieſter/ bald
vor das Beicht-Kind b).

§. XXI.
b) Verſchiedene
Meinungen
der Lehrer von
dem Beweiß
der gegebenen
Erlaubnuͤß.
Wenn ein Beicht-Vater ein ehrlicher Mann, von untadeli-
chem Leben,
ſo meinen ſie, waͤre die Muthmaſſung vor ihn.
Wenn das Beicht-Kind ſagte, daß es ihm die Erlaubniß nicht
gegeben, muͤſte es ein ſolches beweiſen. Wenn das Beicht-
Kind noch lebte, und erfuͤhre, daß der Beicht-Vater ſagte, die-
ſes oder jenes haͤtte es ihm offenbahret, und ſchwiege darzu
ſtill,
ſo waͤre kein Zweiffel, daß es ihm die Erlaubnuͤß zu reden
verſtattet. Wenn es aber ſagte, daß dieſe Bewilligung nicht
ertheilet worden, ſo ſagen einige, der Beicht-Vater verdiene
mit ſeinem Vorgeben gantz und gar keinen Glauben. Andere
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[330/0349] II. Abth. IV. Cap. Von der Luͤgen auszuſinnen, ſolche zu beſchoͤnigen, auszuſtreuen und zu vertheidigen. Geitzhaͤiſe, und die zur Verraͤtherey durch Geſchencke ſich leicht bewegen und faſt erkauffen laſſen. Schmarotzer, die mehr in Schencken als in der Kirche anzu- treffen, die bey dem Trunck nicht beſcheiden, ſondern Waͤſcher und Aufſchneider ſind. Sie ſind rechte Polipragmones, da ſie einen Fuß auf der Cantzel, den andern auf dem Richthauſe haben, und daher zum richten, verdammen, regieren, um- zukehren und unterdruͤcken gar geneigt ſind. Zornige, rach- begierige, und dergleichen, und wenn einer nur mit einem ſol- chen Laſter behafftet, ſo kan er, wenn er durch die Beichte gute Gelegenheit gekriegt, groſſen Unfug anrichten, und da er die Heimligkeiten eines jeden heraus gelocket, ihn in Furcht und Schrecken, daß er ihn verrathen moͤchte, erhalten. Dieſerwegen ſagen ſie/ muͤſſe man vor allen acht haben/ ob der Prieſter ein ehrlicher rechtſchaffner exemplariſcher Mann ſey/ und ob der/ ſo etwas gebeichtet/ am Leben, oder ob er geſtorben. Wenn jemand/ der etwas gebeichtet/ noch am Leben/ und der Prieſter ſchwatzet aus der Beichte/ ſo machen ſie wieder den Unterſcheid/ ob er wiederſpricht und ſich reget/ oder ob er ſtille ſitzt. Sodann ſprechen ſie nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde bald vor den Prieſter/ bald vor das Beicht-Kind b). §. XXI. b) Wenn ein Beicht-Vater ein ehrlicher Mann, von untadeli- chem Leben, ſo meinen ſie, waͤre die Muthmaſſung vor ihn. Wenn das Beicht-Kind ſagte, daß es ihm die Erlaubniß nicht gegeben, muͤſte es ein ſolches beweiſen. Wenn das Beicht- Kind noch lebte, und erfuͤhre, daß der Beicht-Vater ſagte, die- ſes oder jenes haͤtte es ihm offenbahret, und ſchwiege darzu ſtill, ſo waͤre kein Zweiffel, daß es ihm die Erlaubnuͤß zu reden verſtattet. Wenn es aber ſagte, daß dieſe Bewilligung nicht ertheilet worden, ſo ſagen einige, der Beicht-Vater verdiene mit ſeinem Vorgeben gantz und gar keinen Glauben. Andere ſagen:

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/349>, abgerufen am 12.05.2024.