Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt che ich/ die Worte Senecae zu überlegen/ die im Teutschenalso lauten d). Es wird eine Zeit kommen, da dasjenige, was jetzo verborgen, ein Tag und der Fleiß einer langen Zeit an das Licht bringen wird: Es wird eine Zeit kommen, da die Nachkommen sich verwundern werden, daß wir solche Wahr- heiten nicht gewust. recht die Leute zum Beichtstuhlzu zwingen. §. II. Mit solchen Dingen aber/ daß alle und jede Chri- Noth- d) Anmerckung
wegen der so- genannten Neue- rungen.Nat. quaest. Lib. VII. c. 25. Veniet tempus, quo ista, quae nunc la- tent, in lucem dies extrahat, & longioris aeui diligentia. Veniet tempus, quo posteri nostri tam aperte nos nescisse mirentur. Es ist auch an dem. Ein Tag lehret den andern. Wenn ich mich auf eines Riesen Schultern setze, sehe ich weiter als er. Dieje- nigen also, welche wie das Vieh den gebähnten Weg fortgehen, und nicht fragen, ob es der rechte sey, solten ihre Vernunfft gebrau- chen. Sie solten eine Meinung, die mit der ihrigen nicht überein- kommt, unter dem Titul einer Neuerung nicht verhast machen, biß sie zuvor ohne Ubereilung erwogen, ob solche gegründet. Denn warum wollen wir die Neuigkeiten so anfeinden. Was jetzo vor eine alte Meinung aus gegeben wird, ware vor diesem auch neu. Wir halten solche aber vor wahr. Jch gebe denen, welchen die Neuerungen nicht anstehen wollen, ferner die Worte Horatii zu überlegen Epist. Lib. II. Epist. I. Quod si tam Graecis nouitas inuisa fuisset, Quam nobis, quid nunc esset vetus, aut quid haberet Quod legeret tereretque viritim publicus vsus? II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt che ich/ die Worte Senecæ zu uͤberlegen/ die im Teutſchenalſo lauten d). Es wird eine Zeit kommen, da dasjenige, was jetzo verborgen, ein Tag und der Fleiß einer langen Zeit an das Licht bringen wird: Es wird eine Zeit kommen, da die Nachkommen ſich verwundern werden, daß wir ſolche Wahr- heiten nicht gewuſt. recht die Leute zum Beichtſtuhlzu zwingen. §. II. Mit ſolchen Dingen aber/ daß alle und jede Chri- Noth- d) Anmerckung
wegen der ſo- genañten Neue- rungen.Nat. quæſt. Lib. VII. c. 25. Veniet tempus, quo iſta, quæ nunc la- tent, in lucem dies extrahat, & longioris æui diligentia. Veniet tempus, quo poſteri noſtri tam aperte nos neſciſſe mirentur. Es iſt auch an dem. Ein Tag lehret den andern. Wenn ich mich auf eines Rieſen Schultern ſetze, ſehe ich weiter als er. Dieje- nigen alſo, welche wie das Vieh den gebaͤhnten Weg fortgehen, und nicht fragen, ob es der rechte ſey, ſolten ihre Vernunfft gebrau- chen. Sie ſolten eine Meinung, die mit der ihrigen nicht uͤberein- kommt, unter dem Titul einer Neuerung nicht verhaſt machen, biß ſie zuvor ohne Ubereilung erwogen, ob ſolche gegruͤndet. Denn warum wollen wir die Neuigkeiten ſo anfeinden. Was jetzo vor eine alte Meinung aus gegeben wird, ware vor dieſem auch neu. Wir halten ſolche aber vor wahr. Jch gebe denen, welchen die Neuerungen nicht anſtehen wollen, ferner die Worte Horatii zu uͤberlegen Epiſt. Lib. II. Epiſt. I. Quod ſi tam Græcis nouitas inuiſa fuiſſet, Quam nobis, quid nunc eſſet vetus, aut quid haberet Quod legeret tereretque viritim publicus vſus? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0235" n="216"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Abth. <hi rendition="#aq">II.</hi> Cap. Wenn und wie offt</hi></fw><lb/> che ich/ die Worte <hi rendition="#aq">Senecæ</hi> zu uͤberlegen/ die im Teutſchen<lb/> alſo lauten <note place="foot" n="d)"><note place="left">Anmerckung<lb/> wegen der ſo-<lb/> genañten Neue-<lb/> rungen.</note><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Nat. quæſt. Lib. VII. c. 25.</hi> Veniet tempus, quo iſta, quæ nunc la-<lb/> tent, in lucem dies extrahat, & longioris æui diligentia. Veniet<lb/> tempus, quo poſteri noſtri tam aperte nos neſciſſe mirentur.</hi> Es<lb/> iſt auch an dem. Ein Tag lehret den andern. Wenn ich mich<lb/> auf eines Rieſen Schultern ſetze, ſehe ich weiter als er. Dieje-<lb/> nigen alſo, welche wie das Vieh den gebaͤhnten Weg fortgehen,<lb/> und nicht fragen, ob es der rechte ſey, ſolten ihre Vernunfft gebrau-<lb/> chen. Sie ſolten eine Meinung, die mit der ihrigen nicht uͤberein-<lb/> kommt, unter dem Titul <hi rendition="#fr">einer Neuerung</hi> nicht verhaſt machen,<lb/> biß ſie zuvor ohne Ubereilung erwogen, ob ſolche gegruͤndet. Denn<lb/> warum wollen wir die Neuigkeiten ſo anfeinden. Was jetzo vor<lb/> eine alte Meinung aus gegeben wird, ware vor dieſem auch neu.<lb/> Wir halten ſolche aber vor wahr. Jch gebe denen, welchen die<lb/> Neuerungen nicht anſtehen wollen, ferner die Worte <hi rendition="#aq">Horatii</hi> zu<lb/> uͤberlegen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Epiſt. Lib. II. Epiſt. I.</hi><lb/> Quod ſi tam Græcis nouitas inuiſa fuiſſet,<lb/> Quam nobis, quid nunc eſſet vetus, aut quid haberet<lb/> Quod legeret tereretque viritim publicus vſus?</hi></note>. <hi rendition="#fr">Es wird eine Zeit kommen, da dasjenige, was<lb/> jetzo verborgen, ein Tag und der Fleiß einer langen Zeit an<lb/> das Licht bringen wird: Es wird eine Zeit kommen, da die<lb/> Nachkommen ſich verwundern werden, daß wir ſolche Wahr-<lb/> heiten nicht gewuſt.</hi></p><lb/> <note place="left">Es iſt un-<lb/> recht die<lb/> Leute zum<lb/> Beichtſtuhlzu zwingen.</note> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. <hi rendition="#aq">II.</hi></head> <p>Mit ſolchen Dingen aber/ daß alle und jede Chri-<lb/> ſten <hi rendition="#fr">beichten muͤſten,</hi> oder zu <hi rendition="#fr">ſtraffen waͤren,</hi> haͤtten die <hi rendition="#aq">Pro-<lb/> teſti</hi>rende ihre Schrifften nicht anfuͤllen ſollen. Denn in<lb/> der goͤttlichen Schrifft iſt kein Befehl vorhanden/ daß man<lb/> bey denen Menſchen ſeine Suͤnden beichten muͤſte. Es ge-<lb/> ſchehe nun ſolches/ wie es wolle. Warum will man alſo die<lb/> Leute zum <hi rendition="#fr">Beicht-Stuhl noͤthigen?</hi> Wir ſagen/ unſere Kir-<lb/> che muͤſte nach Art der <hi rendition="#fr">Apoſtoliſchen</hi> eingerichtet ſeyn/ oder<lb/> man muͤſte doch die Anordnung derſelben vor Augen haben.<lb/> Wenn dieſes iſt/ warum ſchwatzen wir denn ſo viel von der<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Noth-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0235]
II. Abth. II. Cap. Wenn und wie offt
che ich/ die Worte Senecæ zu uͤberlegen/ die im Teutſchen
alſo lauten d). Es wird eine Zeit kommen, da dasjenige, was
jetzo verborgen, ein Tag und der Fleiß einer langen Zeit an
das Licht bringen wird: Es wird eine Zeit kommen, da die
Nachkommen ſich verwundern werden, daß wir ſolche Wahr-
heiten nicht gewuſt.
§. II. Mit ſolchen Dingen aber/ daß alle und jede Chri-
ſten beichten muͤſten, oder zu ſtraffen waͤren, haͤtten die Pro-
teſtirende ihre Schrifften nicht anfuͤllen ſollen. Denn in
der goͤttlichen Schrifft iſt kein Befehl vorhanden/ daß man
bey denen Menſchen ſeine Suͤnden beichten muͤſte. Es ge-
ſchehe nun ſolches/ wie es wolle. Warum will man alſo die
Leute zum Beicht-Stuhl noͤthigen? Wir ſagen/ unſere Kir-
che muͤſte nach Art der Apoſtoliſchen eingerichtet ſeyn/ oder
man muͤſte doch die Anordnung derſelben vor Augen haben.
Wenn dieſes iſt/ warum ſchwatzen wir denn ſo viel von der
Noth-
d) Nat. quæſt. Lib. VII. c. 25. Veniet tempus, quo iſta, quæ nunc la-
tent, in lucem dies extrahat, & longioris æui diligentia. Veniet
tempus, quo poſteri noſtri tam aperte nos neſciſſe mirentur. Es
iſt auch an dem. Ein Tag lehret den andern. Wenn ich mich
auf eines Rieſen Schultern ſetze, ſehe ich weiter als er. Dieje-
nigen alſo, welche wie das Vieh den gebaͤhnten Weg fortgehen,
und nicht fragen, ob es der rechte ſey, ſolten ihre Vernunfft gebrau-
chen. Sie ſolten eine Meinung, die mit der ihrigen nicht uͤberein-
kommt, unter dem Titul einer Neuerung nicht verhaſt machen,
biß ſie zuvor ohne Ubereilung erwogen, ob ſolche gegruͤndet. Denn
warum wollen wir die Neuigkeiten ſo anfeinden. Was jetzo vor
eine alte Meinung aus gegeben wird, ware vor dieſem auch neu.
Wir halten ſolche aber vor wahr. Jch gebe denen, welchen die
Neuerungen nicht anſtehen wollen, ferner die Worte Horatii zu
uͤberlegen Epiſt. Lib. II. Epiſt. I.
Quod ſi tam Græcis nouitas inuiſa fuiſſet,
Quam nobis, quid nunc eſſet vetus, aut quid haberet
Quod legeret tereretque viritim publicus vſus?
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