Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

eines gewissen Beicht-Vaters.
das Zwang-Recht überall so zu sagen in frischem Gebrauchderung nicht
so einschren-
cken.

ist/ so kan man doch solches nicht mit der geringsten raison
auf denjenigen Fall ziehen/ wenn in einer parochie verschie-
dene Pfarrer
vorhanden sind. Alle Schein-Gründe/ so
wieder die Veränderung des Beicht-Vaters vorgebracht
werden/ lassen sich nicht hieher appliciren. Dieser wegen
so trage ich kein Bedencken zusagen/ daß wo mehr als ein
Priester in einem Kirch-Spiel ist/ denen Zuhörern frey ste-
hen soll/ auch ohne gesuchte Erlaubnüß von dem Consisto-
rio
oder Landes-Herrn den Beicht-Vater nach Belieben
zu wehlen/ und nachmahls nach denen Umständen solchen
zu ändern b).

§. XV.
zur Gnüge erkannt haben, daß die Beichte, wie sie jetzo aus siehet,hat das Zwang-
Recht zum er-
sten eingefüh-
ret.

erst unter Innocentio III. zur Reiffe gekommen. Dieser hat aus
demjenigen, so in eines jeden Willkühr gestanden, zu einer Noth-
wendigkeit gemacht. Unter andern aber hat er auch dieses zum
ersten mit verordnet, daß man nirgends als bey seinem Pfarrer
beichten solte. Vielleicht truge das Beicht-Sitzen auch bald darauf
etwas ein, und also hielte man desto steiffer über diese Verordnung.
Wenn ich hier irre, so zeige man aus der Kirchen-Historie ein anders.
Jch will mich alsobald corrigiren. Jch halte es mit Seneca de benef.
Lib. IV. c. 38.
vor keine Leichtsinnigkeit den erkannten Jrrthum abzu-
legen, und frey zu bekennen, ich sey betrogen worden. Jch halte es vor
eine hochmüthige Thorheit, bey dem was einmahl gesaget ist zu
bleiben, es mag solches klappen wie es will. Non est leuitas a cog-
nito & damnato errore discedere, & ingenue fatendum est, aliud
putaui, deceptus sum. Haec vero superbae stultitiae perseuerantia
est; quod semel dixi, qualecunque est fixum, ratumque sit.
b) Dieses ist ausser allem Zweiffel, wenn man die Sache nach denenDie Sprüche
so man zur Be-
hauptung des
Zwang-Rechts
vorbringt, rei-
men sich gar

Reguln des Christenthums betrachtet. Daß das Zwang-
Recht
ein anders eingeführet, ist mir mehr als zu wohl bekannt.
Man erwäge nur diejenigen Sprüche, welche zu dessen Behau-
ptung angeführet werden, und da wird man befinden, daß sie auf
diesen

eines gewiſſen Beicht-Vaters.
das Zwang-Recht uͤberall ſo zu ſagen in friſchem Gebrauchdeꝛung nicht
ſo einſchren-
cken.

iſt/ ſo kan man doch ſolches nicht mit der geringſten raiſon
auf denjenigen Fall ziehen/ wenn in einer parochie verſchie-
dene Pfarrer
vorhanden ſind. Alle Schein-Gruͤnde/ ſo
wieder die Veraͤnderung des Beicht-Vaters vorgebracht
werden/ laſſen ſich nicht hieher appliciren. Dieſer wegen
ſo trage ich kein Bedencken zuſagen/ daß wo mehr als ein
Prieſter in einem Kirch-Spiel iſt/ denen Zuhoͤrern frey ſte-
hen ſoll/ auch ohne geſuchte Erlaubnuͤß von dem Conſiſto-
rio
oder Landes-Herrn den Beicht-Vater nach Belieben
zu wehlen/ und nachmahls nach denen Umſtaͤnden ſolchen
zu aͤndern b).

§. XV.
zur Gnuͤge erkannt haben, daß die Beichte, wie ſie jetzo aus ſiehet,hat das Zwang-
Recht zum er-
ſten eingefuͤh-
ret.

erſt unter Innocentio III. zur Reiffe gekommen. Dieſer hat aus
demjenigen, ſo in eines jeden Willkuͤhr geſtanden, zu einer Noth-
wendigkeit gemacht. Unter andern aber hat er auch dieſes zum
erſten mit verordnet, daß man nirgends als bey ſeinem Pfarrer
beichten ſolte. Vielleicht truge das Beicht-Sitzen auch bald darauf
etwas ein, und alſo hielte man deſto ſteiffer uͤber dieſe Verordnung.
Weñ ich hier irre, ſo zeige man aus der Kirchen-Hiſtorie ein anders.
Jch will mich alſobald corrigiren. Jch halte es mit Seneca de benef.
Lib. IV. c. 38.
vor keine Leichtſinnigkeit den erkannten Jrrthum abzu-
legen, und frey zu bekennen, ich ſey betrogen worden. Jch halte es vor
eine hochmuͤthige Thorheit, bey dem was einmahl geſaget iſt zu
bleiben, es mag ſolches klappen wie es will. Non eſt leuitas a cog-
nito & damnato errore diſcedere, & ingenue fatendum eſt, aliud
putaui, deceptus ſum. Hæc vero ſuperbæ ſtultitiæ perſeuerantia
eſt; quod ſemel dixi, qualecunque eſt fixum, ratumque ſit.
b) Dieſes iſt auſſer allem Zweiffel, wenn man die Sache nach denenDie Spruͤche
ſo man zur Be-
hauptung des
Zwang-Rechts
vorbringt, rei-
men ſich gar

Reguln des Chriſtenthums betrachtet. Daß das Zwang-
Recht
ein anders eingefuͤhret, iſt mir mehr als zu wohl bekannt.
Man erwaͤge nur diejenigen Spruͤche, welche zu deſſen Behau-
ptung angefuͤhret werden, und da wird man befinden, daß ſie auf
dieſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="207"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">eines gewi&#x017F;&#x017F;en Beicht-Vaters.</hi></fw><lb/>
das <hi rendition="#fr">Zwang-Recht</hi> u&#x0364;berall &#x017F;o zu &#x017F;agen in fri&#x017F;chem Gebrauch<note place="right">de&#xA75B;ung nicht<lb/>
&#x017F;o ein&#x017F;chren-<lb/>
cken.</note><lb/>
i&#x017F;t/ &#x017F;o kan man doch &#x017F;olches nicht mit der gering&#x017F;ten <hi rendition="#aq">rai&#x017F;on</hi><lb/>
auf denjenigen Fall ziehen/ wenn in einer <hi rendition="#aq">parochie</hi> <hi rendition="#fr">ver&#x017F;chie-<lb/>
dene Pfarrer</hi> vorhanden &#x017F;ind. Alle Schein-Gru&#x0364;nde/ &#x017F;o<lb/>
wieder die Vera&#x0364;nderung des Beicht-Vaters vorgebracht<lb/>
werden/ la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht hieher <hi rendition="#aq">applici</hi>ren. Die&#x017F;er wegen<lb/>
&#x017F;o trage ich kein Bedencken zu&#x017F;agen/ daß wo mehr als ein<lb/>
Prie&#x017F;ter in einem Kirch-Spiel i&#x017F;t/ denen Zuho&#x0364;rern frey &#x017F;te-<lb/>
hen &#x017F;oll/ auch ohne ge&#x017F;uchte Erlaubnu&#x0364;ß von dem <hi rendition="#aq">Con&#x017F;i&#x017F;to-<lb/>
rio</hi> oder Landes-Herrn den Beicht-Vater nach Belieben<lb/>
zu wehlen/ und nachmahls nach denen Um&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;olchen<lb/>
zu a&#x0364;ndern <note xml:id="h09" next="#h10" place="foot" n="b)">Die&#x017F;es i&#x017F;t au&#x017F;&#x017F;er allem Zweiffel, wenn man die Sache nach denen<note place="right">Die Spru&#x0364;che<lb/>
&#x017F;o man zur Be-<lb/>
hauptung des<lb/>
Zwang-Rechts<lb/>
vorbringt, rei-<lb/>
men &#x017F;ich gar</note><lb/><hi rendition="#fr">Reguln des Chri&#x017F;tenthums</hi> betrachtet. Daß das <hi rendition="#fr">Zwang-<lb/>
Recht</hi> ein anders eingefu&#x0364;hret, i&#x017F;t mir mehr als zu wohl bekannt.<lb/>
Man erwa&#x0364;ge nur diejenigen Spru&#x0364;che, welche zu de&#x017F;&#x017F;en Behau-<lb/>
ptung angefu&#x0364;hret werden, und da wird man befinden, daß &#x017F;ie auf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;en</fw></note>.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§. <hi rendition="#aq">XV.</hi></fw><lb/>
            <p>
              <note xml:id="h08" prev="#h07" place="foot" n="(a)">zur Gnu&#x0364;ge erkannt haben, daß die Beichte, wie &#x017F;ie jetzo aus &#x017F;iehet,<note place="right">hat das Zwang-<lb/>
Recht zum er-<lb/>
&#x017F;ten eingefu&#x0364;h-<lb/>
ret.</note><lb/>
er&#x017F;t unter <hi rendition="#aq">Innocentio III.</hi> zur Reiffe gekommen. Die&#x017F;er hat aus<lb/>
demjenigen, &#x017F;o in eines jeden Willku&#x0364;hr ge&#x017F;tanden, zu einer Noth-<lb/>
wendigkeit gemacht. Unter andern aber hat er auch die&#x017F;es zum<lb/>
er&#x017F;ten mit verordnet, daß man nirgends als bey &#x017F;einem Pfarrer<lb/>
beichten &#x017F;olte. Vielleicht truge das Beicht-Sitzen auch bald darauf<lb/>
etwas ein, und al&#x017F;o hielte man de&#x017F;to &#x017F;teiffer u&#x0364;ber die&#x017F;e Verordnung.<lb/>
Wen&#x0303; ich hier irre, &#x017F;o zeige man aus der Kirchen-Hi&#x017F;torie ein anders.<lb/>
Jch will mich al&#x017F;obald <hi rendition="#aq">corrigi</hi>ren. Jch halte es mit <hi rendition="#aq">Seneca <hi rendition="#i">de benef.<lb/>
Lib. IV. c. 38.</hi></hi> vor keine Leicht&#x017F;innigkeit den erkannten Jrrthum abzu-<lb/>
legen, und frey zu bekennen, ich &#x017F;ey betrogen worden. Jch halte es vor<lb/>
eine hochmu&#x0364;thige Thorheit, bey dem was einmahl ge&#x017F;aget i&#x017F;t zu<lb/>
bleiben, es mag &#x017F;olches klappen wie es will. <hi rendition="#aq">Non e&#x017F;t leuitas a cog-<lb/>
nito &amp; damnato errore di&#x017F;cedere, &amp; ingenue fatendum e&#x017F;t, aliud<lb/>
putaui, deceptus &#x017F;um. Hæc vero &#x017F;uperbæ &#x017F;tultitiæ per&#x017F;euerantia<lb/>
e&#x017F;t; quod &#x017F;emel dixi, qualecunque e&#x017F;t fixum, ratumque &#x017F;it.</hi></note>
            </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0226] eines gewiſſen Beicht-Vaters. das Zwang-Recht uͤberall ſo zu ſagen in friſchem Gebrauch iſt/ ſo kan man doch ſolches nicht mit der geringſten raiſon auf denjenigen Fall ziehen/ wenn in einer parochie verſchie- dene Pfarrer vorhanden ſind. Alle Schein-Gruͤnde/ ſo wieder die Veraͤnderung des Beicht-Vaters vorgebracht werden/ laſſen ſich nicht hieher appliciren. Dieſer wegen ſo trage ich kein Bedencken zuſagen/ daß wo mehr als ein Prieſter in einem Kirch-Spiel iſt/ denen Zuhoͤrern frey ſte- hen ſoll/ auch ohne geſuchte Erlaubnuͤß von dem Conſiſto- rio oder Landes-Herrn den Beicht-Vater nach Belieben zu wehlen/ und nachmahls nach denen Umſtaͤnden ſolchen zu aͤndern b). deꝛung nicht ſo einſchren- cken. §. XV. (a) b) Dieſes iſt auſſer allem Zweiffel, wenn man die Sache nach denen Reguln des Chriſtenthums betrachtet. Daß das Zwang- Recht ein anders eingefuͤhret, iſt mir mehr als zu wohl bekannt. Man erwaͤge nur diejenigen Spruͤche, welche zu deſſen Behau- ptung angefuͤhret werden, und da wird man befinden, daß ſie auf dieſen (a) zur Gnuͤge erkannt haben, daß die Beichte, wie ſie jetzo aus ſiehet, erſt unter Innocentio III. zur Reiffe gekommen. Dieſer hat aus demjenigen, ſo in eines jeden Willkuͤhr geſtanden, zu einer Noth- wendigkeit gemacht. Unter andern aber hat er auch dieſes zum erſten mit verordnet, daß man nirgends als bey ſeinem Pfarrer beichten ſolte. Vielleicht truge das Beicht-Sitzen auch bald darauf etwas ein, und alſo hielte man deſto ſteiffer uͤber dieſe Verordnung. Weñ ich hier irre, ſo zeige man aus der Kirchen-Hiſtorie ein anders. Jch will mich alſobald corrigiren. Jch halte es mit Seneca de benef. Lib. IV. c. 38. vor keine Leichtſinnigkeit den erkannten Jrrthum abzu- legen, und frey zu bekennen, ich ſey betrogen worden. Jch halte es vor eine hochmuͤthige Thorheit, bey dem was einmahl geſaget iſt zu bleiben, es mag ſolches klappen wie es will. Non eſt leuitas a cog- nito & damnato errore diſcedere, & ingenue fatendum eſt, aliud putaui, deceptus ſum. Hæc vero ſuperbæ ſtultitiæ perſeuerantia eſt; quod ſemel dixi, qualecunque eſt fixum, ratumque ſit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/226
Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/226>, abgerufen am 11.05.2024.