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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
diese gewisse Meinung gezogen, es stünde denen Zuhörern nicht
frey, bald diesen bald jenen zum Beicht-Vater zu erwehlen:
Denn der ordentl.
Pastor wird dadurch verdächtig gemacht, als
verrichtete er sein Amt nicht nach Gebühr; Andere werden da-
durch geärgert und zu gleicher Leichtsinnigkeit und Verände-
rung angeführet, dadurch denn der dem
Ministerio gebührende
Gehorsam und die Zucht auf einmahl dahin fiele. Endlich
machet man dadurch der Sünde Raum, indem, wenn die Zuhö-
rer von einem Pfarrer zu dem andern wandern, niemand auf
sie eine genaue Aufsicht hat, und ihre Laster wie sichs gebüh-
ret untersucht.
Zum fernern Beweiß beruffet sich dieser
Mann auf die Einstimmung unserer Theologen und Juri-
sten/ deren Lehren ich aber jetzo nicht aufwärmen mag. Jch
erinnere vorjetzo nur dieses/ daß es nicht zu rathen/ eine
solche Freyheit zu ertheilen/ daß die Zuhörern einmahl die-
sen/ das anderemahl einen andern/ und das drittemahl wie-
der einen andern zum Beicht-Vater annehmen. Allein
soll man denn darum alle Veränderung untersagen? Will
man darum die Freyheit der Gewissen einschräncken/ weil
man dafür hält/ der Beicht-Vater würde verdächtig ge-
macht? Dieses ist nur ein Vorwand/ das Zwang-Recht zu
mainteniren. Wenn ich auf einen ein grösser Vertrauen
setze/ so mache ich ia den andern dadurch nicht verdächtig/
als thäte er seinem Amt kein Genügen. Man weist ja/ daß
mancher auf einen eine Liebe wirfft/ welcher doch noch lan-
ge nicht sein Amt so eifrig treibet/ als der ordentlicher Pfar-

rer.
dinarius, qui descritur, quasi officio suo non bene fungeretur;
scandalum praebetur aliis, qui ad parem leuitatem ac mutationem
inducuntur, quo ipso obsequium ministerio debitum, cum di-
sciplina corrueret penitus. Demum licentia peccandi induci-
tur, dum enim auditores ab vno pastore ad alterum vagantur,
nemo accuratam ipsorum curam habet, aut in vitia aeque in-
quirit.

b) Was

II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung
dieſe gewiſſe Meinung gezogen, es ſtuͤnde denen Zuhoͤrern nicht
frey, bald dieſen bald jenen zum Beicht-Vater zu erwehlen:
Denn der ordentl.
Paſtor wird dadurch verdaͤchtig gemacht, als
verrichtete er ſein Amt nicht nach Gebuͤhr; Andere werden da-
durch geaͤrgert und zu gleicher Leichtſinnigkeit und Veraͤnde-
rung angefuͤhret, dadurch denn der dem
Miniſterio gebuͤhrende
Gehorſam und die Zucht auf einmahl dahin fiele. Endlich
machet man dadurch der Suͤnde Raum, indem, wenn die Zuhoͤ-
rer von einem Pfarrer zu dem andern wandern, niemand auf
ſie eine genaue Aufſicht hat, und ihre Laſter wie ſichs gebuͤh-
ret unterſucht.
Zum fernern Beweiß beruffet ſich dieſer
Mann auf die Einſtimmung unſerer Theologen und Juri-
ſten/ deren Lehren ich aber jetzo nicht aufwaͤrmen mag. Jch
erinnere vorjetzo nur dieſes/ daß es nicht zu rathen/ eine
ſolche Freyheit zu ertheilen/ daß die Zuhoͤrern einmahl die-
ſen/ das anderemahl einen andern/ und das drittemahl wie-
der einen andern zum Beicht-Vater annehmen. Allein
ſoll man denn darum alle Veraͤnderung unterſagen? Will
man darum die Freyheit der Gewiſſen einſchraͤncken/ weil
man dafuͤr haͤlt/ der Beicht-Vater wuͤrde verdaͤchtig ge-
macht? Dieſes iſt nur ein Vorwand/ das Zwang-Recht zu
mainteniren. Wenn ich auf einen ein groͤſſer Vertrauen
ſetze/ ſo mache ich ia den andern dadurch nicht verdaͤchtig/
als thaͤte er ſeinem Amt kein Genuͤgen. Man weiſt ja/ daß
mancher auf einen eine Liebe wirfft/ welcher doch noch lan-
ge nicht ſein Amt ſo eifrig treibet/ als der ordentlicher Pfar-

rer.
dinarius, qui deſcritur, quaſi officio ſuo non bene fungeretur;
ſcandalum præbetur aliis, qui ad parem leuitatem ac mutationem
inducuntur, quo ipſo obſequium miniſterio debitum, cum di-
ſciplina corrueret penitus. Demum licentia peccandi induci-
tur, dum enim auditores ab vno paſtore ad alterum vagantur,
nemo accuratam ipſorum curam habet, aut in vitia æque in-
quirit.

b) Was
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[198/0217] II. Abth. I. Cap. Von Erwehlung dieſe gewiſſe Meinung gezogen, es ſtuͤnde denen Zuhoͤrern nicht frey, bald dieſen bald jenen zum Beicht-Vater zu erwehlen: Denn der ordentl. Paſtor wird dadurch verdaͤchtig gemacht, als verrichtete er ſein Amt nicht nach Gebuͤhr; Andere werden da- durch geaͤrgert und zu gleicher Leichtſinnigkeit und Veraͤnde- rung angefuͤhret, dadurch denn der dem Miniſterio gebuͤhrende Gehorſam und die Zucht auf einmahl dahin fiele. Endlich machet man dadurch der Suͤnde Raum, indem, wenn die Zuhoͤ- rer von einem Pfarrer zu dem andern wandern, niemand auf ſie eine genaue Aufſicht hat, und ihre Laſter wie ſichs gebuͤh- ret unterſucht. Zum fernern Beweiß beruffet ſich dieſer Mann auf die Einſtimmung unſerer Theologen und Juri- ſten/ deren Lehren ich aber jetzo nicht aufwaͤrmen mag. Jch erinnere vorjetzo nur dieſes/ daß es nicht zu rathen/ eine ſolche Freyheit zu ertheilen/ daß die Zuhoͤrern einmahl die- ſen/ das anderemahl einen andern/ und das drittemahl wie- der einen andern zum Beicht-Vater annehmen. Allein ſoll man denn darum alle Veraͤnderung unterſagen? Will man darum die Freyheit der Gewiſſen einſchraͤncken/ weil man dafuͤr haͤlt/ der Beicht-Vater wuͤrde verdaͤchtig ge- macht? Dieſes iſt nur ein Vorwand/ das Zwang-Recht zu mainteniren. Wenn ich auf einen ein groͤſſer Vertrauen ſetze/ ſo mache ich ia den andern dadurch nicht verdaͤchtig/ als thaͤte er ſeinem Amt kein Genuͤgen. Man weiſt ja/ daß mancher auf einen eine Liebe wirfft/ welcher doch noch lan- ge nicht ſein Amt ſo eifrig treibet/ als der ordentlicher Pfar- rer. (a) (a) dinarius, qui deſcritur, quaſi officio ſuo non bene fungeretur; ſcandalum præbetur aliis, qui ad parem leuitatem ac mutationem inducuntur, quo ipſo obſequium miniſterio debitum, cum di- ſciplina corrueret penitus. Demum licentia peccandi induci- tur, dum enim auditores ab vno paſtore ad alterum vagantur, nemo accuratam ipſorum curam habet, aut in vitia æque in- quirit. b) Was

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/217>, abgerufen am 11.05.2024.