Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.bey denen Protestirenden. gerne zu/ wenn der beste Zustand der Kirche nach dem äus-heutigenKirche. serlichen splendeur, nach der Menge der Ceremonien und Kir- chen-Gebräuche auszumessen ist/ daß unsere Kirche vor derje- nigen den Vorzug haben muß/ welche zu Zeiten der Apo- stel gewesen. Allein ich halte nicht davor/ daß man die Sa- che nach der äußerlichen Blüthe und nach dem ruhigen Zu- stand beurtheilen darf. Jch verwerffe nicht den äußerlichen Gottesdienst, sondern halte solchen vielmehr vor ein höchst nothwendiges Stücke. Dieses aber muß ich bekennen/ daß die äußerlichen Gebräuche der Religion nützen und scha- den können. Mich düncket/ daß es in diesem Stück nicht übel würde gethan seyn/ wenn man sich nach denen Aposto- lischen Zeiten richtete. Dazumahl hatte man einfältige und salutis praesidia jam ordine disposita sunt, vt quilibet inde fidem haurire & salutem adipisci possit. Et talis est hodierna ecclesia Lutherana, non illa prima. Wenn ich aber nicht irre, so wird es nicht genug seyn, daß man alles dasjenige findet, was zur Seeligkeit nöthig ist, sondern die Leute werden auch darnach le- ben müssen. Mich bedüncket, die gepflantzete Kirche müsse aus dem lebendigen Glauben an Christum, dadurch wir Glie- der Christi, als des Hauptes der Kirchen werden, vornehmlich beurtheilet werden. Hiernächst so weiß ich nicht, was den guten Doctor Fechten angefochten, daß er behauptet, in der ersten Kir- che wären nicht alle Mittel zur Seeligkeit vorhanden oder in gehöriger Ordnung gewesen. Mich düncket, es habe nirgendswo gefehlet. Die ersten Christen sind wegen ihrer reinen Lehre, als auch wegen ihres untadelichen Lebens zu rühmen. Hält man diese beyden Stücke gegen unsere Zeiten, so wird man befinden, daß unsere Kirche mit weit grösserm Recht unter die noch zu pflantzen- den zu rechnen, als die erste Apostolische. Wenn man saget, der er- sten Kirchen hätten Mittel zur Seeligkeit gemangelt, so verhauet man sich nicht wenig. Man imputiret der ersten Kirche eine un- vollkommene Lehre welches man nicht einmahl gedencken solte. b) Nach- (Recht der Beicht-Stühle.) z
bey denen Proteſtirenden. gerne zu/ wenn der beſte Zuſtand der Kirche nach dem aͤuſ-heutigenKirche. ſerlichen ſplendeur, nach der Menge der Ceremonien und Kir- chen-Gebraͤuche auszumeſſen iſt/ daß unſere Kirche vor derje- nigen den Vorzug haben muß/ welche zu Zeiten der Apo- ſtel geweſen. Allein ich halte nicht davor/ daß man die Sa- che nach der aͤußerlichen Bluͤthe und nach dem ruhigen Zu- ſtand beurtheilen darf. Jch verwerffe nicht den aͤußerlichen Gottesdienſt, ſondern halte ſolchen vielmehr vor ein hoͤchſt nothwendiges Stuͤcke. Dieſes aber muß ich bekennen/ daß die aͤußerlichen Gebraͤuche der Religion nuͤtzen und ſcha- den koͤnnen. Mich duͤncket/ daß es in dieſem Stuͤck nicht uͤbel wuͤrde gethan ſeyn/ wenn man ſich nach denen Apoſto- liſchen Zeiten richtete. Dazumahl hatte man einfaͤltige und ſalutis præſidia jam ordine diſpoſita ſunt, vt quilibet inde fidem haurire & ſalutem adipiſci poſſit. Et talis eſt hodierna eccleſia Lutherana, non illa prima. Wenn ich aber nicht irre, ſo wird es nicht genug ſeyn, daß man alles dasjenige findet, was zur Seeligkeit noͤthig iſt, ſondern die Leute werden auch darnach le- ben muͤſſen. Mich beduͤncket, die gepflantzete Kirche muͤſſe aus dem lebendigen Glauben an Chriſtum, dadurch wir Glie- der Chriſti, als des Hauptes der Kirchen werden, vornehmlich beurtheilet werden. Hiernaͤchſt ſo weiß ich nicht, was den guten Doctor Fechten angefochten, daß er behauptet, in der erſten Kir- che waͤren nicht alle Mittel zur Seeligkeit vorhanden oder in gehoͤriger Ordnung geweſen. Mich duͤncket, es habe nirgendswo gefehlet. Die erſten Chriſten ſind wegen ihrer reinen Lehre, als auch wegen ihres untadelichen Lebens zu ruͤhmen. Haͤlt man dieſe beyden Stuͤcke gegen unſere Zeiten, ſo wird man befinden, daß unſere Kirche mit weit groͤſſerm Recht unter die noch zu pflantzen- den zu rechnen, als die erſte Apoſtoliſche. Wenn man ſaget, der er- ſten Kirchen haͤtten Mittel zur Seeligkeit gemangelt, ſo verhauet man ſich nicht wenig. Man imputiret der erſten Kirche eine un- vollkommene Lehre welches man nicht einmahl gedencken ſolte. b) Nach- (Recht der Beicht-Stuͤhle.) z
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gerne zu/ wenn der beſte Zuſtand der Kirche nach dem aͤuſ-
ſerlichen ſplendeur, nach der Menge der Ceremonien und Kir-
chen-Gebraͤuche auszumeſſen iſt/ daß unſere Kirche vor derje-
nigen den Vorzug haben muß/ welche zu Zeiten der Apo-
ſtel geweſen. Allein ich halte nicht davor/ daß man die Sa-
che nach der aͤußerlichen Bluͤthe und nach dem ruhigen Zu-
ſtand beurtheilen darf. Jch verwerffe nicht den aͤußerlichen
Gottesdienſt, ſondern halte ſolchen vielmehr vor ein hoͤchſt
nothwendiges Stuͤcke. Dieſes aber muß ich bekennen/ daß
die aͤußerlichen Gebraͤuche der Religion nuͤtzen und ſcha-
den koͤnnen. Mich duͤncket/ daß es in dieſem Stuͤck nicht
uͤbel wuͤrde gethan ſeyn/ wenn man ſich nach denen Apoſto-
liſchen Zeiten richtete. Dazumahl hatte man einfaͤltige
und
(a)
heutigen
Kirche.
(a) ſalutis præſidia jam ordine diſpoſita ſunt, vt quilibet inde fidem
haurire & ſalutem adipiſci poſſit. Et talis eſt hodierna eccleſia
Lutherana, non illa prima. Wenn ich aber nicht irre, ſo wird
es nicht genug ſeyn, daß man alles dasjenige findet, was zur
Seeligkeit noͤthig iſt, ſondern die Leute werden auch darnach le-
ben muͤſſen. Mich beduͤncket, die gepflantzete Kirche muͤſſe
aus dem lebendigen Glauben an Chriſtum, dadurch wir Glie-
der Chriſti, als des Hauptes der Kirchen werden, vornehmlich
beurtheilet werden. Hiernaͤchſt ſo weiß ich nicht, was den guten
Doctor Fechten angefochten, daß er behauptet, in der erſten Kir-
che waͤren nicht alle Mittel zur Seeligkeit vorhanden oder in
gehoͤriger Ordnung geweſen. Mich duͤncket, es habe nirgendswo
gefehlet. Die erſten Chriſten ſind wegen ihrer reinen Lehre, als
auch wegen ihres untadelichen Lebens zu ruͤhmen. Haͤlt man dieſe
beyden Stuͤcke gegen unſere Zeiten, ſo wird man befinden, daß
unſere Kirche mit weit groͤſſerm Recht unter die noch zu pflantzen-
den zu rechnen, als die erſte Apoſtoliſche. Wenn man ſaget, der er-
ſten Kirchen haͤtten Mittel zur Seeligkeit gemangelt, ſo verhauet
man ſich nicht wenig. Man imputiret der erſten Kirche eine un-
vollkommene Lehre welches man nicht einmahl gedencken ſolte.
b) Nach-
(Recht der Beicht-Stuͤhle.) z
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Zitationshilfe: | Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/196>, abgerufen am 16.02.2025. |