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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stühle,
Zwar wollen die Prediger den Dienst des Wortes so zu sagen
sich eintzig und allein zuschreiben d); Allein die Wahrheit
zu sagen/ von Anfang ware es nicht also. Man wuste von
keinem Unterscheid unter denen Clericis und Laicis. Da
aber endlich dieser aufgekommen und die Priester allein das
Lehr-Amt überkommen/ so lassen es auch alle kluge Leute
dabey bewenden. Es können also dieselben fleißig von Bus-
se und Vergebung predigen; doch daß man solche Personen
vor dergleichen Werckzeuge halten solte/ ohne welche entwe-
der keine Vergebung der Sünden geschehen könnte/ oder
daß doch von denenselben die Sünden würcklich vergeben

wür-
und zwar also, daß er solche durch diese nicht allein anzei-
gen, sondern wahrhafftig ertheilen lässet, also, daß der
Gläubige in solchen Mitteln die Vergebung suchet und fin-
det.
Also kan man die Vergebung der Sünden erlangen,
wenn man sich GOttes Wort im Glauben zu Nutze machet.
d) Was die Geist-
lichen hierbey
verrichten.
Der seel. Spener scheinet auch hieher incliniret zu haben. Er
fähret am angeführten Orte fort: Der Dienst des Wortes a-
ber ist denen Predigern aufgetragen, daher haben sie das
Amt, das die Versöhnung prediget, und führen das Wort
der Versöhnung,
2. Cor. V, 18. 19. und zwar also, daß sie
nicht allein aus dem Wort bezeugen, daß GOTT sich mit
uns zu versöhnen willig sey; sondern auch den Bußfertigen,
eintzeln oder mehreren die Versöhnung anbieten, und sie
also von ihrer Seite versöhnen, dermassen, daß wo jene
mit Glauben solches annehmen, sie der Versöhnung und
Vergebung auch würcklich fähig werden.
Jch erinnere nur
folgendes hierbey. Jn der ersten Kirche ware es jedem der die Ge-
schicklichkeit hatte erlaubt, das Wort in der Gemeinde zu lehren.
Ferner ist es ein anders, jemand mit GOtt versöhnen helffen, ein
anders, ihme an GOttes statt die Sünde vergeben. Jenes kan
durch Ermahnen, Erinnern, Bitte, Gebet und Fürbitte gesche-
hen. Und wenn auch der Dienst des Wortes denen Predigern
aufgetragen, so kan doch ein jeder die Schrifft selbst lesen. Er
kan

I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle,
Zwar wollen die Prediger den Dienſt des Wortes ſo zu ſagen
ſich eintzig und allein zuſchreiben d); Allein die Wahrheit
zu ſagen/ von Anfang ware es nicht alſo. Man wuſte von
keinem Unterſcheid unter denen Clericis und Laicis. Da
aber endlich dieſer aufgekommen und die Prieſter allein das
Lehr-Amt uͤberkommen/ ſo laſſen es auch alle kluge Leute
dabey bewenden. Es koͤnnen alſo dieſelben fleißig von Buſ-
ſe und Vergebung predigen; doch daß man ſolche Perſonen
vor dergleichen Werckzeuge halten ſolte/ ohne welche entwe-
der keine Vergebung der Suͤnden geſchehen koͤnnte/ oder
daß doch von denenſelben die Suͤnden wuͤrcklich vergeben

wuͤr-
und zwar alſo, daß er ſolche durch dieſe nicht allein anzei-
gen, ſondern wahrhafftig ertheilen laͤſſet, alſo, daß der
Glaͤubige in ſolchen Mitteln die Vergebung ſuchet und fin-
det.
Alſo kan man die Vergebung der Suͤnden erlangen,
wenn man ſich GOttes Wort im Glauben zu Nutze machet.
d) Was die Geiſt-
lichen hierbey
verrichten.
Der ſeel. Spener ſcheinet auch hieher incliniret zu haben. Er
faͤhret am angefuͤhrten Orte fort: Der Dienſt des Wortes a-
ber iſt denen Predigern aufgetragen, daher haben ſie das
Amt, das die Verſoͤhnung prediget, und fuͤhren das Wort
der Verſoͤhnung,
2. Cor. V, 18. 19. und zwar alſo, daß ſie
nicht allein aus dem Wort bezeugen, daß GOTT ſich mit
uns zu verſoͤhnen willig ſey; ſondern auch den Bußfertigen,
eintzeln oder mehreren die Verſoͤhnung anbieten, und ſie
alſo von ihrer Seite verſoͤhnen, dermaſſen, daß wo jene
mit Glauben ſolches annehmen, ſie der Verſoͤhnung und
Vergebung auch wuͤrcklich faͤhig werden.
Jch erinnere nur
folgendes hierbey. Jn der erſten Kirche ware es jedem der die Ge-
ſchicklichkeit hatte erlaubt, das Wort in der Gemeinde zu lehren.
Ferner iſt es ein anders, jemand mit GOtt verſoͤhnen helffen, ein
anders, ihme an GOttes ſtatt die Suͤnde vergeben. Jenes kan
durch Ermahnen, Erinnern, Bitte, Gebet und Fuͤrbitte geſche-
hen. Und wenn auch der Dienſt des Wortes denen Predigern
aufgetragen, ſo kan doch ein jeder die Schrifft ſelbſt leſen. Er
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[164/0183] I. Abth. IV. Cap. Von Beybehaltung der Beicht-Stuͤhle, Zwar wollen die Prediger den Dienſt des Wortes ſo zu ſagen ſich eintzig und allein zuſchreiben d); Allein die Wahrheit zu ſagen/ von Anfang ware es nicht alſo. Man wuſte von keinem Unterſcheid unter denen Clericis und Laicis. Da aber endlich dieſer aufgekommen und die Prieſter allein das Lehr-Amt uͤberkommen/ ſo laſſen es auch alle kluge Leute dabey bewenden. Es koͤnnen alſo dieſelben fleißig von Buſ- ſe und Vergebung predigen; doch daß man ſolche Perſonen vor dergleichen Werckzeuge halten ſolte/ ohne welche entwe- der keine Vergebung der Suͤnden geſchehen koͤnnte/ oder daß doch von denenſelben die Suͤnden wuͤrcklich vergeben wuͤr- (c) d) Der ſeel. Spener ſcheinet auch hieher incliniret zu haben. Er faͤhret am angefuͤhrten Orte fort: Der Dienſt des Wortes a- ber iſt denen Predigern aufgetragen, daher haben ſie das Amt, das die Verſoͤhnung prediget, und fuͤhren das Wort der Verſoͤhnung, 2. Cor. V, 18. 19. und zwar alſo, daß ſie nicht allein aus dem Wort bezeugen, daß GOTT ſich mit uns zu verſoͤhnen willig ſey; ſondern auch den Bußfertigen, eintzeln oder mehreren die Verſoͤhnung anbieten, und ſie alſo von ihrer Seite verſoͤhnen, dermaſſen, daß wo jene mit Glauben ſolches annehmen, ſie der Verſoͤhnung und Vergebung auch wuͤrcklich faͤhig werden. Jch erinnere nur folgendes hierbey. Jn der erſten Kirche ware es jedem der die Ge- ſchicklichkeit hatte erlaubt, das Wort in der Gemeinde zu lehren. Ferner iſt es ein anders, jemand mit GOtt verſoͤhnen helffen, ein anders, ihme an GOttes ſtatt die Suͤnde vergeben. Jenes kan durch Ermahnen, Erinnern, Bitte, Gebet und Fuͤrbitte geſche- hen. Und wenn auch der Dienſt des Wortes denen Predigern aufgetragen, ſo kan doch ein jeder die Schrifft ſelbſt leſen. Er kan (c) und zwar alſo, daß er ſolche durch dieſe nicht allein anzei- gen, ſondern wahrhafftig ertheilen laͤſſet, alſo, daß der Glaͤubige in ſolchen Mitteln die Vergebung ſuchet und fin- det. Alſo kan man die Vergebung der Suͤnden erlangen, wenn man ſich GOttes Wort im Glauben zu Nutze machet.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/183>, abgerufen am 04.05.2024.