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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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bey denen Protestirenden.
Gebrauch. Sie dencken also/ daß hier die Beichte/ so die Pro-
testi
rende hätten/ vollkommen abgeschildert sey. Jch mei-
ne aber/ daß derjenige Luchs-Augen haben müsse/ der nur
ein klein wenig von der heutigen Beichte erkennen will c).

Noch
wundert, daß sie ihm nicht noch eine höhere Charge beylegen. Sie
solten ihn nach heutigem Gebrauch, zum General-Superin-
tendenten,
Ober-Kirchen-Rath, und Ober-Hoffprediger ma-
chen. Jch dächte/ Nathan hätte solche Qualitäten gehabt, daß er
einen solchen Dienst gar wohl verdienet. Warum man ihn sol-
che nicht will zukommen lassen, kan ich gewißlich nicht begreiffen.
Denn wenn es einmahl angehet, den alten Zustand nach dem heu-
tigen zu beurtheilen und ab zumessen, so muß man gewißlich den
Nathan zu solchem Ehren-Amt erheben. Jedoch ich meines Orts
finde nirgends geschrieben, daß Nathan zu gewisser Zeit auf Kö-
niglichen Befehl geprediget. Jch habe nichts gelesen, daß er nach
heutiger Art auf der Cantzel gestanden und die Schrifft kunstmäs-
sig ausgeleget. So viel ist mir bekannt, daß er ein Prophet ge-
wesen. Die Propheten entdeckten denen Leuten den göttlichen
Befehl.
Hierzu hatten sie besondere instruction, und hierinn
bestunde ihr Amt. Die ordentliche Erklärung des Gesetzes über-
liessen sie denen Jüdischen Lehrern und Schrifftgelehrten. Aus
diesen, düncket mich, erhelle zur Genüge, wie abgeschmackt diejeni-
gen urtheilen, welche an statt eines ausserordentlichen Dienstes
dem Nathan ein ordentliches Amt zueignen wollen. Sie ver-
gehen sich nicht wenig, da sie aus einem unmittelbahren Diener
GOttes einen Königlichen Bedienten machen. Das allerwun-
derlichste ist vollends dieses, daß sie dem guten Nathan ein Amt
zueignen, daran man dazumahl gantz und gar nicht gedacht.
c) Denn David kame ja 1) keinesweges zu Nathan in den Tempel,Unterscheid un-
ter Davids
und der heuti-
gen Beichte und
absolution.

oder liesse ihn zu sich fordern, sondern der Prophet stellete sich wegen
unmittelbahren göttlichen Befehls bey ihm ein. 2) Hat ja der Kö-
nig weder eine allgemeine noch besondere Beicht-Formul hergebe-
tet und von Nathan die absolution verlanget. David sagte auf
dasjenige, so Nathan ihm im Nahmen des HErrn verkündiget: Jch
habe gesündiget wieder den HErrn.
3) Nathan versetzte auf
sol-

bey denen Proteſtirenden.
Gebrauch. Sie dencken alſo/ daß hier die Beichte/ ſo die Pro-
teſti
rende haͤtten/ vollkommen abgeſchildert ſey. Jch mei-
ne aber/ daß derjenige Luchs-Augen haben muͤſſe/ der nur
ein klein wenig von der heutigen Beichte erkennen will c).

Noch
wundert, daß ſie ihm nicht noch eine hoͤhere Charge beylegen. Sie
ſolten ihn nach heutigem Gebrauch, zum General-Superin-
tendenten,
Ober-Kirchen-Rath, und Ober-Hoffprediger ma-
chen. Jch daͤchte/ Nathan haͤtte ſolche Qualitaͤten gehabt, daß er
einen ſolchen Dienſt gar wohl verdienet. Warum man ihn ſol-
che nicht will zukommen laſſen, kan ich gewißlich nicht begreiffen.
Denn wenn es einmahl angehet, den alten Zuſtand nach dem heu-
tigen zu beurtheilen und ab zumeſſen, ſo muß man gewißlich den
Nathan zu ſolchem Ehren-Amt erheben. Jedoch ich meines Orts
finde nirgends geſchrieben, daß Nathan zu gewiſſer Zeit auf Koͤ-
niglichen Befehl geprediget. Jch habe nichts geleſen, daß er nach
heutiger Art auf der Cantzel geſtanden und die Schrifft kunſtmaͤſ-
ſig ausgeleget. So viel iſt mir bekannt, daß er ein Prophet ge-
weſen. Die Propheten entdeckten denen Leuten den goͤttlichen
Befehl.
Hierzu hatten ſie beſondere inſtruction, und hierinn
beſtunde ihr Amt. Die ordentliche Erklaͤrung des Geſetzes uͤber-
lieſſen ſie denen Juͤdiſchen Lehrern und Schrifftgelehrten. Aus
dieſen, duͤncket mich, erhelle zur Genuͤge, wie abgeſchmackt diejeni-
gen urtheilen, welche an ſtatt eines auſſerordentlichen Dienſtes
dem Nathan ein ordentliches Amt zueignen wollen. Sie ver-
gehen ſich nicht wenig, da ſie aus einem unmittelbahren Diener
GOttes einen Koͤniglichen Bedienten machen. Das allerwun-
derlichſte iſt vollends dieſes, daß ſie dem guten Nathan ein Amt
zueignen, daran man dazumahl gantz und gar nicht gedacht.
c) Denn David kame ja 1) keinesweges zu Nathan in den Tempel,Unterſcheid un-
ter Davids
und der heuti-
gen Beichte und
abſolution.

oder lieſſe ihn zu ſich fordern, ſondern der Prophet ſtellete ſich wegen
unmittelbahren goͤttlichen Befehls bey ihm ein. 2) Hat ja der Koͤ-
nig weder eine allgemeine noch beſondere Beicht-Formul hergebe-
tet und von Nathan die abſolution verlanget. David ſagte auf
dasjenige, ſo Nathan ihm im Nahmen des HErrn verkuͤndiget: Jch
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[135/0154] bey denen Proteſtirenden. Gebrauch. Sie dencken alſo/ daß hier die Beichte/ ſo die Pro- teſtirende haͤtten/ vollkommen abgeſchildert ſey. Jch mei- ne aber/ daß derjenige Luchs-Augen haben muͤſſe/ der nur ein klein wenig von der heutigen Beichte erkennen will c). Noch (b) c) Denn David kame ja 1) keinesweges zu Nathan in den Tempel, oder lieſſe ihn zu ſich fordern, ſondern der Prophet ſtellete ſich wegen unmittelbahren goͤttlichen Befehls bey ihm ein. 2) Hat ja der Koͤ- nig weder eine allgemeine noch beſondere Beicht-Formul hergebe- tet und von Nathan die abſolution verlanget. David ſagte auf dasjenige, ſo Nathan ihm im Nahmen des HErrn verkuͤndiget: Jch habe geſuͤndiget wieder den HErrn. 3) Nathan verſetzte auf ſol- (b) wundert, daß ſie ihm nicht noch eine hoͤhere Charge beylegen. Sie ſolten ihn nach heutigem Gebrauch, zum General-Superin- tendenten, Ober-Kirchen-Rath, und Ober-Hoffprediger ma- chen. Jch daͤchte/ Nathan haͤtte ſolche Qualitaͤten gehabt, daß er einen ſolchen Dienſt gar wohl verdienet. Warum man ihn ſol- che nicht will zukommen laſſen, kan ich gewißlich nicht begreiffen. Denn wenn es einmahl angehet, den alten Zuſtand nach dem heu- tigen zu beurtheilen und ab zumeſſen, ſo muß man gewißlich den Nathan zu ſolchem Ehren-Amt erheben. Jedoch ich meines Orts finde nirgends geſchrieben, daß Nathan zu gewiſſer Zeit auf Koͤ- niglichen Befehl geprediget. Jch habe nichts geleſen, daß er nach heutiger Art auf der Cantzel geſtanden und die Schrifft kunſtmaͤſ- ſig ausgeleget. So viel iſt mir bekannt, daß er ein Prophet ge- weſen. Die Propheten entdeckten denen Leuten den goͤttlichen Befehl. Hierzu hatten ſie beſondere inſtruction, und hierinn beſtunde ihr Amt. Die ordentliche Erklaͤrung des Geſetzes uͤber- lieſſen ſie denen Juͤdiſchen Lehrern und Schrifftgelehrten. Aus dieſen, duͤncket mich, erhelle zur Genuͤge, wie abgeſchmackt diejeni- gen urtheilen, welche an ſtatt eines auſſerordentlichen Dienſtes dem Nathan ein ordentliches Amt zueignen wollen. Sie ver- gehen ſich nicht wenig, da ſie aus einem unmittelbahren Diener GOttes einen Koͤniglichen Bedienten machen. Das allerwun- derlichſte iſt vollends dieſes, daß ſie dem guten Nathan ein Amt zueignen, daran man dazumahl gantz und gar nicht gedacht.

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/154>, abgerufen am 03.12.2024.