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Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721.

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I. Abth. III. Cap. Von der solennen Ohren-Beichte,
machen wissen/ auch/ weil sie seine Worte nicht selbst gelesen/
dem Pabst einen gantz andern Verstand aufdringen a).
Was manche wieder ihn noch mehr zum Eifer antreibet/
ist dieses/ daß der Pabst gesetzet: man könne um wichtiger
Ursachen willen auch in einem Jahr gar nicht zum Abend-
mahl gehen. Hier fragen sie/ was doch wohl dieses vor eine
Ursache seyn müste? Jch will weder solche ausfündig machen/
noch mich mit denen Theologis in einen Streit einlassen/
ob man nothwendig zum Abendmahl gehen müsse/ oder
durch Zwang dazu angehalten werden könne. Mich dün-
cket/ daß es zum wenigsten besser wäre/ wenn man denen
Leuten frey liesse/ ob sie diese himmlische Mahlzeit geniessen
wolten oder nicht. Die Christliche Freyheit scheinet derglei-
chen mit sich zu bringen. Paulus saget/ der Mensch solte
sich selbst prüffen/ und also von diesem Brod essen/ und von
diesem Kelch trincken. Mit diesen Worten hat er nicht un-
deutlich zu verstehen gegeben/ daß niemand zu dem Abend-

mahl
a) Wie offt man
[j]ährlich das A-
bendmahl ge-
brauchen soll.
Innocentius saget nicht, daß man nicht öffter zum Abendmahl
gehen solte oder dürffte, sondern er meinet nur, die Pflicht eines
Christen bringe es mit, daß man wenigstens des Jahrs einmahl
sich als ein Gast dieser himmlischen Mahlzeit einfände. Wenn ein
Christ dieses beobachtete, so solte die Geistlichkeit nichts dagegen
einzuwenden haben. Warum wollen wir dieserwegen auf Innocen-
tium
böse seyn? Das Abendmahl ist ja an statt des Osterlamms
eingesetzet, und solches genosse man ja des Jahrs nur einmahl. Jch
weiß aber gar wohl, was einige vor Sophistische Streiche machen,
den Pabst eines groben Jrrthums zu überführen. Sie sagen:
wenn man nur einmahl des Jahrs zum Abendmahl gehen solte,
so folgte auch, man dürffte nur einmahl des Jahrs Busse thun,
und Reue über seine Sünden haben. Alle Verständige werden
sich über solchen Schluß mocquiren. Man soll täglich Reue und
Leid über seine Sünden bezeugen, aber darum soll man nicht täg-
lich zum Abendmahl gehen.
b) Das

I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte,
machen wiſſen/ auch/ weil ſie ſeine Worte nicht ſelbſt geleſen/
dem Pabſt einen gantz andern Verſtand aufdringen a).
Was manche wieder ihn noch mehr zum Eifer antreibet/
iſt dieſes/ daß der Pabſt geſetzet: man koͤnne um wichtiger
Urſachen willen auch in einem Jahr gar nicht zum Abend-
mahl gehen. Hier fragen ſie/ was doch wohl dieſes vor eine
Urſache ſeyn muͤſte? Jch will wedeꝛ ſolche ausfuͤndig machen/
noch mich mit denen Theologis in einen Streit einlaſſen/
ob man nothwendig zum Abendmahl gehen muͤſſe/ oder
durch Zwang dazu angehalten werden koͤnne. Mich duͤn-
cket/ daß es zum wenigſten beſſer waͤre/ wenn man denen
Leuten frey lieſſe/ ob ſie dieſe himmliſche Mahlzeit genieſſen
wolten oder nicht. Die Chriſtliche Freyheit ſcheinet derglei-
chen mit ſich zu bringen. Paulus ſaget/ der Menſch ſolte
ſich ſelbſt pruͤffen/ und alſo von dieſem Brod eſſen/ und von
dieſem Kelch trincken. Mit dieſen Worten hat er nicht un-
deutlich zu verſtehen gegeben/ daß niemand zu dem Abend-

mahl
a) Wie offt man
[j]aͤhrlich das A-
bendmahl ge-
brauchen ſoll.
Innocentius ſaget nicht, daß man nicht oͤffter zum Abendmahl
gehen ſolte oder duͤrffte, ſondern er meinet nur, die Pflicht eines
Chriſten bringe es mit, daß man wenigſtens des Jahrs einmahl
ſich als ein Gaſt dieſer himmliſchen Mahlzeit einfaͤnde. Wenn ein
Chriſt dieſes beobachtete, ſo ſolte die Geiſtlichkeit nichts dagegen
einzuwenden haben. Warum wollen wir dieſerwegen auf Innocen-
tium
boͤſe ſeyn? Das Abendmahl iſt ja an ſtatt des Oſterlamms
eingeſetzet, und ſolches genoſſe man ja des Jahrs nur einmahl. Jch
weiß aber gar wohl, was einige vor Sophiſtiſche Streiche machen,
den Pabſt eines groben Jrrthums zu uͤberfuͤhren. Sie ſagen:
wenn man nur einmahl des Jahrs zum Abendmahl gehen ſolte,
ſo folgte auch, man duͤrffte nur einmahl des Jahrs Buſſe thun,
und Reue uͤber ſeine Suͤnden haben. Alle Verſtaͤndige werden
ſich uͤber ſolchen Schluß mocquiren. Man ſoll taͤglich Reue und
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lich zum Abendmahl gehen.
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[114/0133] I. Abth. III. Cap. Von der ſolennen Ohren-Beichte, machen wiſſen/ auch/ weil ſie ſeine Worte nicht ſelbſt geleſen/ dem Pabſt einen gantz andern Verſtand aufdringen a). Was manche wieder ihn noch mehr zum Eifer antreibet/ iſt dieſes/ daß der Pabſt geſetzet: man koͤnne um wichtiger Urſachen willen auch in einem Jahr gar nicht zum Abend- mahl gehen. Hier fragen ſie/ was doch wohl dieſes vor eine Urſache ſeyn muͤſte? Jch will wedeꝛ ſolche ausfuͤndig machen/ noch mich mit denen Theologis in einen Streit einlaſſen/ ob man nothwendig zum Abendmahl gehen muͤſſe/ oder durch Zwang dazu angehalten werden koͤnne. Mich duͤn- cket/ daß es zum wenigſten beſſer waͤre/ wenn man denen Leuten frey lieſſe/ ob ſie dieſe himmliſche Mahlzeit genieſſen wolten oder nicht. Die Chriſtliche Freyheit ſcheinet derglei- chen mit ſich zu bringen. Paulus ſaget/ der Menſch ſolte ſich ſelbſt pruͤffen/ und alſo von dieſem Brod eſſen/ und von dieſem Kelch trincken. Mit dieſen Worten hat er nicht un- deutlich zu verſtehen gegeben/ daß niemand zu dem Abend- mahl a) Innocentius ſaget nicht, daß man nicht oͤffter zum Abendmahl gehen ſolte oder duͤrffte, ſondern er meinet nur, die Pflicht eines Chriſten bringe es mit, daß man wenigſtens des Jahrs einmahl ſich als ein Gaſt dieſer himmliſchen Mahlzeit einfaͤnde. Wenn ein Chriſt dieſes beobachtete, ſo ſolte die Geiſtlichkeit nichts dagegen einzuwenden haben. Warum wollen wir dieſerwegen auf Innocen- tium boͤſe ſeyn? Das Abendmahl iſt ja an ſtatt des Oſterlamms eingeſetzet, und ſolches genoſſe man ja des Jahrs nur einmahl. Jch weiß aber gar wohl, was einige vor Sophiſtiſche Streiche machen, den Pabſt eines groben Jrrthums zu uͤberfuͤhren. Sie ſagen: wenn man nur einmahl des Jahrs zum Abendmahl gehen ſolte, ſo folgte auch, man duͤrffte nur einmahl des Jahrs Buſſe thun, und Reue uͤber ſeine Suͤnden haben. Alle Verſtaͤndige werden ſich uͤber ſolchen Schluß mocquiren. Man ſoll taͤglich Reue und Leid uͤber ſeine Suͤnden bezeugen, aber darum ſoll man nicht taͤg- lich zum Abendmahl gehen. b) Das

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Zitationshilfe: Pertsch, Johann Georg: Das Recht Der Beicht-Stühle. Halle, 1721, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pertsch_recht_1721/133>, abgerufen am 27.04.2024.