Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Perthes, Friedrich Christoph: Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur. 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie lange und viel oft ein späterhin viel gelesener
Schriftsteller, z. B. Kant, Jean Paul etc. schrieb,
ehe sich derselbe, vielleicht blos durch Zufall, die
Gunst deß Publicums erwarb und die bis dahin
auf Kosten des Buchhandels durchlebten Lehrjahre
überstanden hatte.
Wie viele Bücher und Abhandlungen gedruckt wer¬
den, deren Kostendeckung den Absatz von zwey
bis vierhundert Exemplaren erfordert, die aber
nur 50 bis 100 Personen interessiren, grade diesen
aber vom höchsten Nutzen sind und sie veranlaßen
und begeistern neues Leben und Streben in den
Wissenschaften zu verbreiten.

Und wenn nun auch ein Buch erworben ist,
welches beym Publikum durchdringt, wie lange bleibt
es, bey dem lebendigen Aufstreben deutscher Literatur,
in dem Werth, daß es reichlichen Gewinn abwerfen
kann. Ist's ein Kunstwerk, wie ändert sich nicht
der Geschmack durch weitere Ausbildung der Sprache?
Ist's ein wissenschaftliches Buch, ein Hand-, Lehr- oder
Schulbuch, in wie kurzer Zeit wird es nicht durch ein
besseres überboten? Wo sind jetzt die Bücher, die
gleich denen von Cellarius, Hübner, Hederich, oder von
Wolf, Baumgarten, Heymann, ehemals ein Jahrhun¬
dert hindurch gebraucht wurden?

Um so viel möglich Männern, die das Innere
der Buchhändler-Geschäfte nicht kennen, verständlich

Wie lange und viel oft ein ſpaͤterhin viel geleſener
Schriftſteller, z. B. Kant, Jean Paul ꝛc. ſchrieb,
ehe ſich derſelbe, vielleicht blos durch Zufall, die
Gunſt deß Publicums erwarb und die bis dahin
auf Koſten des Buchhandels durchlebten Lehrjahre
uͤberſtanden hatte.
Wie viele Buͤcher und Abhandlungen gedruckt wer¬
den, deren Koſtendeckung den Abſatz von zwey
bis vierhundert Exemplaren erfordert, die aber
nur 50 bis 100 Perſonen intereſſiren, grade dieſen
aber vom hoͤchſten Nutzen ſind und ſie veranlaßen
und begeiſtern neues Leben und Streben in den
Wiſſenſchaften zu verbreiten.

Und wenn nun auch ein Buch erworben iſt,
welches beym Publikum durchdringt, wie lange bleibt
es, bey dem lebendigen Aufſtreben deutſcher Literatur,
in dem Werth, daß es reichlichen Gewinn abwerfen
kann. Iſt's ein Kunſtwerk, wie aͤndert ſich nicht
der Geſchmack durch weitere Ausbildung der Sprache?
Iſt's ein wiſſenſchaftliches Buch, ein Hand-, Lehr- oder
Schulbuch, in wie kurzer Zeit wird es nicht durch ein
beſſeres uͤberboten? Wo ſind jetzt die Buͤcher, die
gleich denen von Cellarius, Huͤbner, Hederich, oder von
Wolf, Baumgarten, Heymann, ehemals ein Jahrhun¬
dert hindurch gebraucht wurden?

Um ſo viel moͤglich Maͤnnern, die das Innere
der Buchhaͤndler-Geſchaͤfte nicht kennen, verſtaͤndlich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <pb facs="#f0026" n="20"/>
            <item>Wie lange und viel oft ein &#x017F;pa&#x0364;terhin viel gele&#x017F;ener<lb/>
Schrift&#x017F;teller, z. B. Kant, Jean Paul &#xA75B;c. &#x017F;chrieb,<lb/>
ehe &#x017F;ich der&#x017F;elbe, vielleicht blos durch Zufall, die<lb/>
Gun&#x017F;t deß Publicums erwarb und die bis dahin<lb/>
auf Ko&#x017F;ten des Buchhandels durchlebten Lehrjahre<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;tanden hatte.</item><lb/>
            <item>Wie viele Bu&#x0364;cher und Abhandlungen gedruckt wer¬<lb/>
den, deren Ko&#x017F;tendeckung den Ab&#x017F;atz von zwey<lb/>
bis vierhundert Exemplaren erfordert, die aber<lb/>
nur 50 bis 100 Per&#x017F;onen intere&#x017F;&#x017F;iren, grade die&#x017F;en<lb/>
aber vom ho&#x0364;ch&#x017F;ten Nutzen &#x017F;ind und &#x017F;ie veranlaßen<lb/>
und begei&#x017F;tern neues Leben und Streben in den<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften zu verbreiten.</item>
          </list><lb/>
          <p>Und wenn nun auch ein Buch erworben i&#x017F;t,<lb/>
welches beym Publikum durchdringt, wie lange bleibt<lb/>
es, bey dem lebendigen Auf&#x017F;treben deut&#x017F;cher Literatur,<lb/>
in dem Werth, daß es reichlichen Gewinn abwerfen<lb/>
kann. I&#x017F;t's ein Kun&#x017F;twerk, wie a&#x0364;ndert &#x017F;ich nicht<lb/>
der Ge&#x017F;chmack durch weitere Ausbildung der Sprache?<lb/>
I&#x017F;t's ein wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliches Buch, ein Hand-, Lehr- oder<lb/>
Schulbuch, in wie kurzer Zeit wird es nicht durch ein<lb/>
be&#x017F;&#x017F;eres u&#x0364;berboten? Wo &#x017F;ind jetzt die Bu&#x0364;cher, die<lb/>
gleich denen von Cellarius, Hu&#x0364;bner, Hederich, oder von<lb/>
Wolf, Baumgarten, Heymann, ehemals ein Jahrhun¬<lb/>
dert hindurch gebraucht wurden?</p><lb/>
          <p>Um &#x017F;o viel mo&#x0364;glich Ma&#x0364;nnern, die das <hi rendition="#g">Innere</hi><lb/>
der Buchha&#x0364;ndler-Ge&#x017F;cha&#x0364;fte nicht kennen, ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0026] Wie lange und viel oft ein ſpaͤterhin viel geleſener Schriftſteller, z. B. Kant, Jean Paul ꝛc. ſchrieb, ehe ſich derſelbe, vielleicht blos durch Zufall, die Gunſt deß Publicums erwarb und die bis dahin auf Koſten des Buchhandels durchlebten Lehrjahre uͤberſtanden hatte. Wie viele Buͤcher und Abhandlungen gedruckt wer¬ den, deren Koſtendeckung den Abſatz von zwey bis vierhundert Exemplaren erfordert, die aber nur 50 bis 100 Perſonen intereſſiren, grade dieſen aber vom hoͤchſten Nutzen ſind und ſie veranlaßen und begeiſtern neues Leben und Streben in den Wiſſenſchaften zu verbreiten. Und wenn nun auch ein Buch erworben iſt, welches beym Publikum durchdringt, wie lange bleibt es, bey dem lebendigen Aufſtreben deutſcher Literatur, in dem Werth, daß es reichlichen Gewinn abwerfen kann. Iſt's ein Kunſtwerk, wie aͤndert ſich nicht der Geſchmack durch weitere Ausbildung der Sprache? Iſt's ein wiſſenſchaftliches Buch, ein Hand-, Lehr- oder Schulbuch, in wie kurzer Zeit wird es nicht durch ein beſſeres uͤberboten? Wo ſind jetzt die Buͤcher, die gleich denen von Cellarius, Huͤbner, Hederich, oder von Wolf, Baumgarten, Heymann, ehemals ein Jahrhun¬ dert hindurch gebraucht wurden? Um ſo viel moͤglich Maͤnnern, die das Innere der Buchhaͤndler-Geſchaͤfte nicht kennen, verſtaͤndlich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/perthes_buchhandel_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/perthes_buchhandel_1816/26
Zitationshilfe: Perthes, Friedrich Christoph: Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur. 1816, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/perthes_buchhandel_1816/26>, abgerufen am 03.12.2024.