(keine Mutter, keinen Bruder, keine Schwester und kein Kind,) gewonnen: so war er so neu ent¬ zückt über den Gewinn einer Mutter. Was die Achtung thun, die Wärme sprechen und die Hoffnung verrathen durfte, das ließ er zu.
Es war eine Nacht, wo in Rom schon wie¬ der der Frühling Blumen durch die Wolken des Winters warf. Im Schauspielhause gab man Mozarts Tito. Wie nimmt den Men¬ schen auf fremdem Boden das vaterländische Lied dahin, das ihm nachgezogen! Die Lerche, die über römischen Ruinen gerade so singt wie über deutschen Feldern, ist die Taube, die uns mit ihrem bekannten Gesang den Ölzweig aus dem Vaterland bringt. -- Bis hieher hatte Albano auf dem Alpenwege über Ruinen, das Auge straff nur durch die künftige Kriegs- Laufbahn blicken lassen und es selten gen Him¬ mel gehoben, wo die verklärte Liane war und hatte gewaltsam jede Thräne darin zerstäubt. Aber jetzt hatte der kranke Vater den Vorhang des unterirdischen Bettes aufgezogen, wo ihre Hülle schlief. Nun drang auf einmahl der helle Strom der Töne, der durch seine Jugendländer,
(keine Mutter, keinen Bruder, keine Schweſter und kein Kind,) gewonnen: ſo war er ſo neu ent¬ zückt über den Gewinn einer Mutter. Was die Achtung thun, die Wärme ſprechen und die Hoffnung verrathen durfte, das ließ er zu.
Es war eine Nacht, wo in Rom ſchon wie¬ der der Frühling Blumen durch die Wolken des Winters warf. Im Schauſpielhauſe gab man Mozarts Tito. Wie nimmt den Men¬ ſchen auf fremdem Boden das vaterländiſche Lied dahin, das ihm nachgezogen! Die Lerche, die über römiſchen Ruinen gerade ſo ſingt wie über deutſchen Feldern, iſt die Taube, die uns mit ihrem bekannten Geſang den Ölzweig aus dem Vaterland bringt. — Bis hieher hatte Albano auf dem Alpenwege über Ruinen, das Auge ſtraff nur durch die künftige Kriegs- Laufbahn blicken laſſen und es ſelten gen Him¬ mel gehoben, wo die verklärte Liane war und hatte gewaltſam jede Thräne darin zerſtäubt. Aber jetzt hatte der kranke Vater den Vorhang des unterirdiſchen Bettes aufgezogen, wo ihre Hülle ſchlief. Nun drang auf einmahl der helle Strom der Töne, der durch ſeine Jugendländer,
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(keine Mutter, keinen Bruder, keine Schweſter
und kein Kind,) gewonnen: ſo war er ſo neu ent¬
zückt über den Gewinn einer Mutter. Was
die Achtung thun, die Wärme ſprechen und die
Hoffnung verrathen durfte, das ließ er zu.
Es war eine Nacht, wo in Rom ſchon wie¬
der der Frühling Blumen durch die Wolken
des Winters warf. Im Schauſpielhauſe gab
man Mozarts Tito. Wie nimmt den Men¬
ſchen auf fremdem Boden das vaterländiſche
Lied dahin, das ihm nachgezogen! Die Lerche,
die über römiſchen Ruinen gerade ſo ſingt wie
über deutſchen Feldern, iſt die Taube, die uns
mit ihrem bekannten Geſang den Ölzweig aus
dem Vaterland bringt. — Bis hieher hatte
Albano auf dem Alpenwege über Ruinen,
das Auge ſtraff nur durch die künftige Kriegs-
Laufbahn blicken laſſen und es ſelten gen Him¬
mel gehoben, wo die verklärte Liane war und
hatte gewaltſam jede Thräne darin zerſtäubt.
Aber jetzt hatte der kranke Vater den Vorhang
des unterirdiſchen Bettes aufgezogen, wo ihre
Hülle ſchlief. Nun drang auf einmahl der helle
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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/91>, abgerufen am 16.02.2025.
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