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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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wir alle mehr thun und suchen; aber wir las¬
sen immer nur die Finger und Augen sich üben
und regen, das Herz selber weiß nichts davon
und thut dabei was es will, es träumt, weint,
blutet, hüpft -- Ein wenig Philosophiren wär'
uns dienlich; aber so geben wir uns allen Ge¬
fühlen gebunden dahin und wenn wir denken,
ist's bloß, um ihnen noch gar zu helfen." --

Sie kamen ins Dorf zurück, es war voll
geschäftigen Abendlärms, Kinder tanzten Idoi¬
nen entgegen, von den Höhen klangen Alphör¬
ner herein und aus den Häusern Flöten und
Lieder heraus. Idoine gab heiter Abendbefehle.
"Wie doch (sagte sie) die äußere Ruhe so leicht
die innere aufhebt. Ein beschäftigtes Herz ist
wie ein umgeschwungenes Gefäß mit Wasser;
man halt' es still, so fließet es über."

Julienne hatte schon einigemal, aber vergeb¬
lich, nach dem Steuerruder der Zeit und Rede
gehascht, um ihren Plan zu vollführen; jetzt da
sie Linda's Schweigen, Rührung und Träumen
bemerkte, glaubte sie die lang' erwartete gün¬
stige Stunde zu treffen, wo einige Worte, die
Idoine über die Ehe ausstreuete, in Linda einen

Titan IV. Y

wir alle mehr thun und ſuchen; aber wir las¬
ſen immer nur die Finger und Augen ſich üben
und regen, das Herz ſelber weiß nichts davon
und thut dabei was es will, es träumt, weint,
blutet, hüpft — Ein wenig Philoſophiren wär'
uns dienlich; aber ſo geben wir uns allen Ge¬
fühlen gebunden dahin und wenn wir denken,
iſt's bloß, um ihnen noch gar zu helfen.“ —

Sie kamen ins Dorf zurück, es war voll
geſchäftigen Abendlärms, Kinder tanzten Idoi¬
nen entgegen, von den Höhen klangen Alphör¬
ner herein und aus den Häuſern Flöten und
Lieder heraus. Idoine gab heiter Abendbefehle.
„Wie doch (ſagte ſie) die äußere Ruhe ſo leicht
die innere aufhebt. Ein beſchäftigtes Herz iſt
wie ein umgeſchwungenes Gefäß mit Waſſer;
man halt' es ſtill, ſo fließet es über.“

Julienne hatte ſchon einigemal, aber vergeb¬
lich, nach dem Steuerruder der Zeit und Rede
gehaſcht, um ihren Plan zu vollführen; jetzt da
ſie Linda's Schweigen, Rührung und Träumen
bemerkte, glaubte ſie die lang' erwartete gün¬
ſtige Stunde zu treffen, wo einige Worte, die
Idoine über die Ehe ausſtreuete, in Linda einen

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[337/0349] wir alle mehr thun und ſuchen; aber wir las¬ ſen immer nur die Finger und Augen ſich üben und regen, das Herz ſelber weiß nichts davon und thut dabei was es will, es träumt, weint, blutet, hüpft — Ein wenig Philoſophiren wär' uns dienlich; aber ſo geben wir uns allen Ge¬ fühlen gebunden dahin und wenn wir denken, iſt's bloß, um ihnen noch gar zu helfen.“ — Sie kamen ins Dorf zurück, es war voll geſchäftigen Abendlärms, Kinder tanzten Idoi¬ nen entgegen, von den Höhen klangen Alphör¬ ner herein und aus den Häuſern Flöten und Lieder heraus. Idoine gab heiter Abendbefehle. „Wie doch (ſagte ſie) die äußere Ruhe ſo leicht die innere aufhebt. Ein beſchäftigtes Herz iſt wie ein umgeſchwungenes Gefäß mit Waſſer; man halt' es ſtill, ſo fließet es über.“ Julienne hatte ſchon einigemal, aber vergeb¬ lich, nach dem Steuerruder der Zeit und Rede gehaſcht, um ihren Plan zu vollführen; jetzt da ſie Linda's Schweigen, Rührung und Träumen bemerkte, glaubte ſie die lang' erwartete gün¬ ſtige Stunde zu treffen, wo einige Worte, die Idoine über die Ehe ausſtreuete, in Linda einen Titan IV. Y

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/349>, abgerufen am 22.11.2024.