Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

ich doch dabei versichert bin, daß beide nicht
mit mir kokettiren sondern nichts im Sinne
und liebhaben als ihr Werk -- was hat, fragt'
ich auf der letzten Zeile des vorigen Blattes,
einer nun übrig, den wie gesagt so vielerlei
anstinkt und vorzüglich noch der Punkt, daß
Besserung schwer ist, aber Verschlimmerung ganz
und gar nicht, weil sogar die Besten den Schlimm¬
sten etwas weißmachen und dadurch sich auch
und weil sie bei ihrer verborgnen Verwünschung
und Sänften- und Achselträgerei der Gegen¬
wart wenigstens um Geld und Ehre tanzen und
sich dafür gern vom festern Pöbel brauchen las¬
sen, als Weinfässer zu Fleischfässern -- was hat
ein Mann, sag' ich, Freund, in Zeiten, wo
man wie jetzt im Druck, aus Schwarz zwar
nicht Weiß macht, aber doch Grau und wo
man, wie Katecheten sollen, gerade die Fragen
auf Nein und Ja vermeidet, noch übrig aus¬
ser seinem Hasse der Tyrannen und Sklaven
zugleich und außer dem Zorne über die Mi߬
handlung sowohl als über die Gemißhandel¬
ten? Und wozu soll sich ein Mann, dem der
Panzer des Lebens an solchen Stellen dünn

ich doch dabei verſichert bin, daß beide nicht
mit mir kokettiren ſondern nichts im Sinne
und liebhaben als ihr Werk — was hat, fragt'
ich auf der letzten Zeile des vorigen Blattes,
einer nun übrig, den wie geſagt ſo vielerlei
anſtinkt und vorzüglich noch der Punkt, daß
Beſſerung ſchwer iſt, aber Verſchlimmerung ganz
und gar nicht, weil ſogar die Beſten den Schlimm¬
ſten etwas weißmachen und dadurch ſich auch
und weil ſie bei ihrer verborgnen Verwünſchung
und Sänften- und Achſelträgerei der Gegen¬
wart wenigſtens um Geld und Ehre tanzen und
ſich dafür gern vom feſtern Pöbel brauchen las¬
ſen, als Weinfäſſer zu Fleiſchfäſſern — was hat
ein Mann, ſag' ich, Freund, in Zeiten, wo
man wie jetzt im Druck, aus Schwarz zwar
nicht Weiß macht, aber doch Grau und wo
man, wie Katecheten ſollen, gerade die Fragen
auf Nein und Ja vermeidet, noch übrig aus¬
ſer ſeinem Haſſe der Tyrannen und Sklaven
zugleich und außer dem Zorne über die Mi߬
handlung ſowohl als über die Gemißhandel¬
ten? Und wozu ſoll ſich ein Mann, dem der
Panzer des Lebens an ſolchen Stellen dünn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0302" n="290"/>
ich doch dabei ver&#x017F;ichert bin, daß beide nicht<lb/>
mit mir kokettiren &#x017F;ondern nichts im Sinne<lb/>
und liebhaben als ihr Werk &#x2014; was hat, fragt'<lb/>
ich auf der letzten Zeile des vorigen Blattes,<lb/>
einer nun übrig, den wie ge&#x017F;agt &#x017F;o vielerlei<lb/>
an&#x017F;tinkt und vorzüglich noch <hi rendition="#g">der</hi> Punkt, daß<lb/>
Be&#x017F;&#x017F;erung &#x017F;chwer i&#x017F;t, aber Ver&#x017F;chlimmerung ganz<lb/>
und gar nicht, weil &#x017F;ogar die Be&#x017F;ten den Schlimm¬<lb/>
&#x017F;ten etwas weißmachen und dadurch &#x017F;ich auch<lb/>
und weil &#x017F;ie bei ihrer verborgnen Verwün&#x017F;chung<lb/>
und Sänften- und Ach&#x017F;elträgerei der Gegen¬<lb/>
wart wenig&#x017F;tens um Geld und Ehre tanzen und<lb/>
&#x017F;ich dafür gern vom fe&#x017F;tern Pöbel brauchen las¬<lb/>
&#x017F;en, als Weinfä&#x017F;&#x017F;er zu Flei&#x017F;chfä&#x017F;&#x017F;ern &#x2014; was hat<lb/>
ein Mann, &#x017F;ag' ich, Freund, in Zeiten, wo<lb/>
man wie jetzt im Druck, aus <hi rendition="#g">Schwarz</hi> zwar<lb/>
nicht <hi rendition="#g">Weiß</hi> macht, aber doch <hi rendition="#g">Grau</hi> und wo<lb/>
man, wie Katecheten &#x017F;ollen, gerade die Fragen<lb/>
auf <hi rendition="#g">Nein</hi> und <hi rendition="#g">Ja</hi> vermeidet, noch übrig aus¬<lb/>
&#x017F;er &#x017F;einem Ha&#x017F;&#x017F;e der Tyrannen und Sklaven<lb/>
zugleich und außer dem Zorne über die Mi߬<lb/>
handlung &#x017F;owohl als über die Gemißhandel¬<lb/>
ten? Und wozu &#x017F;oll &#x017F;ich ein Mann, dem der<lb/>
Panzer des Lebens an &#x017F;olchen Stellen dünn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0302] ich doch dabei verſichert bin, daß beide nicht mit mir kokettiren ſondern nichts im Sinne und liebhaben als ihr Werk — was hat, fragt' ich auf der letzten Zeile des vorigen Blattes, einer nun übrig, den wie geſagt ſo vielerlei anſtinkt und vorzüglich noch der Punkt, daß Beſſerung ſchwer iſt, aber Verſchlimmerung ganz und gar nicht, weil ſogar die Beſten den Schlimm¬ ſten etwas weißmachen und dadurch ſich auch und weil ſie bei ihrer verborgnen Verwünſchung und Sänften- und Achſelträgerei der Gegen¬ wart wenigſtens um Geld und Ehre tanzen und ſich dafür gern vom feſtern Pöbel brauchen las¬ ſen, als Weinfäſſer zu Fleiſchfäſſern — was hat ein Mann, ſag' ich, Freund, in Zeiten, wo man wie jetzt im Druck, aus Schwarz zwar nicht Weiß macht, aber doch Grau und wo man, wie Katecheten ſollen, gerade die Fragen auf Nein und Ja vermeidet, noch übrig aus¬ ſer ſeinem Haſſe der Tyrannen und Sklaven zugleich und außer dem Zorne über die Mi߬ handlung ſowohl als über die Gemißhandel¬ ten? Und wozu ſoll ſich ein Mann, dem der Panzer des Lebens an ſolchen Stellen dünn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/302
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/302>, abgerufen am 22.11.2024.