könne -- und bat ihn, "Linda zu schonen, nicht nur in ihrer Zartheit, sondern auch in ihrer eignen Ehe-Scheu, die sehr weit gehe. Sie konnte nicht einmal eine Freundinn an den Traualtar begleiten, (setzte Julienne dazu,) sie nannte diesen den Richtplatz der weiblichen Freiheit, den Scheiterhaufen der schönsten freie¬ sten Liebe und sagte, das Heldengedicht der Liebe werde dann höchstens zum Schäfergedicht der Ehe. Freilich weiß sie nicht, wohin solche Grundsätze endlich führen." -- "Ich hoffe auch, daß Du ihr vertrauest," sagte Albano, sich die¬ se Seltsamkeit anders und höher ableitend als seine strenge Schwester. Sie brach schnell ab, um ihm noch den Rath nach Pestiz mitzuge¬ ben, die Fürstinn zu fliehen, die ins Innerste hinein kalt, falsch, rach- und selbstsüchtig sey. "Sie hat etwas und zwar viel mit Dir vor' -- und ihr Haß gegen die Gräfinn kommt jetzt dazu -- Linda fasset sie scharf auf, aber doch lässet sie sich aus Heftigkeit durch alle hinreis¬ sen und benutzen, die sie übersieht und voraus¬ sieht." Albano blieb bei seinem alten sanftern Urtheil über die Fürstinn -- um so mehr, da
Titan IV. Q
könne — und bat ihn, „Linda zu ſchonen, nicht nur in ihrer Zartheit, ſondern auch in ihrer eignen Ehe-Scheu, die ſehr weit gehe. Sie konnte nicht einmal eine Freundinn an den Traualtar begleiten, (ſetzte Julienne dazu,) ſie nannte dieſen den Richtplatz der weiblichen Freiheit, den Scheiterhaufen der ſchönſten freie¬ ſten Liebe und ſagte, das Heldengedicht der Liebe werde dann höchſtens zum Schäfergedicht der Ehe. Freilich weiß ſie nicht, wohin ſolche Grundſätze endlich führen.“ — „Ich hoffe auch, daß Du ihr vertraueſt,“ ſagte Albano, ſich die¬ ſe Seltſamkeit anders und höher ableitend als ſeine ſtrenge Schweſter. Sie brach ſchnell ab, um ihm noch den Rath nach Peſtiz mitzuge¬ ben, die Fürſtinn zu fliehen, die ins Innerſte hinein kalt, falſch, rach- und ſelbſtſüchtig ſey. „Sie hat etwas und zwar viel mit Dir vor' — und ihr Haß gegen die Gräfinn kommt jetzt dazu — Linda faſſet ſie ſcharf auf, aber doch läſſet ſie ſich aus Heftigkeit durch alle hinreis¬ ſen und benutzen, die ſie überſieht und voraus¬ ſieht.“ Albano blieb bei ſeinem alten ſanftern Urtheil über die Fürſtinn — um ſo mehr, da
Titan IV. Q
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0253"n="241"/>
könne — und bat ihn, „Linda zu ſchonen,<lb/>
nicht nur in ihrer Zartheit, ſondern auch in<lb/>
ihrer eignen Ehe-Scheu, die ſehr weit gehe.<lb/>
Sie konnte nicht einmal eine Freundinn an den<lb/>
Traualtar begleiten, (ſetzte Julienne dazu,) ſie<lb/>
nannte dieſen den Richtplatz der weiblichen<lb/>
Freiheit, den Scheiterhaufen der ſchönſten freie¬<lb/>ſten Liebe und ſagte, das Heldengedicht der<lb/>
Liebe werde dann höchſtens zum Schäfergedicht<lb/>
der Ehe. Freilich weiß ſie nicht, wohin ſolche<lb/>
Grundſätze endlich führen.“—„Ich hoffe auch,<lb/>
daß Du ihr vertraueſt,“ſagte Albano, ſich die¬<lb/>ſe Seltſamkeit anders und höher ableitend als<lb/>ſeine ſtrenge Schweſter. Sie brach ſchnell ab,<lb/>
um ihm noch den Rath nach Peſtiz mitzuge¬<lb/>
ben, die Fürſtinn zu fliehen, die ins Innerſte<lb/>
hinein kalt, falſch, rach- und ſelbſtſüchtig ſey.<lb/>„Sie hat etwas und zwar viel mit Dir vor'<lb/>— und ihr Haß gegen die Gräfinn kommt jetzt<lb/>
dazu — Linda faſſet ſie ſcharf auf, aber doch<lb/>
läſſet ſie ſich aus Heftigkeit durch alle hinreis¬<lb/>ſen und benutzen, die ſie überſieht und voraus¬<lb/>ſieht.“ Albano blieb bei ſeinem alten ſanftern<lb/>
Urtheil über die Fürſtinn — um ſo mehr, da<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Titan <hirendition="#aq">IV</hi>. Q<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[241/0253]
könne — und bat ihn, „Linda zu ſchonen,
nicht nur in ihrer Zartheit, ſondern auch in
ihrer eignen Ehe-Scheu, die ſehr weit gehe.
Sie konnte nicht einmal eine Freundinn an den
Traualtar begleiten, (ſetzte Julienne dazu,) ſie
nannte dieſen den Richtplatz der weiblichen
Freiheit, den Scheiterhaufen der ſchönſten freie¬
ſten Liebe und ſagte, das Heldengedicht der
Liebe werde dann höchſtens zum Schäfergedicht
der Ehe. Freilich weiß ſie nicht, wohin ſolche
Grundſätze endlich führen.“ — „Ich hoffe auch,
daß Du ihr vertraueſt,“ ſagte Albano, ſich die¬
ſe Seltſamkeit anders und höher ableitend als
ſeine ſtrenge Schweſter. Sie brach ſchnell ab,
um ihm noch den Rath nach Peſtiz mitzuge¬
ben, die Fürſtinn zu fliehen, die ins Innerſte
hinein kalt, falſch, rach- und ſelbſtſüchtig ſey.
„Sie hat etwas und zwar viel mit Dir vor'
— und ihr Haß gegen die Gräfinn kommt jetzt
dazu — Linda faſſet ſie ſcharf auf, aber doch
läſſet ſie ſich aus Heftigkeit durch alle hinreis¬
ſen und benutzen, die ſie überſieht und voraus¬
ſieht.“ Albano blieb bei ſeinem alten ſanftern
Urtheil über die Fürſtinn — um ſo mehr, da
Titan IV. Q
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/253>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.