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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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tende Foderung an seine Freiheit noch härter
und sagt' es sich stark, das Weib dürfe nicht
das heilige Gebiet der männlichen Entfaltung
einengen oder beherrschen. Von der andern
Seite war ja alles Liebe und deren Übermaaß
-- und je länger er reisete und verglich, desto
einsamer und dunkler wurd' es auf der Stelle
seines Lebens, auf welche nur sie die große
Flamme warf. Sie rückte ihm durch sein stil¬
les Beschauen ihres Geistes im Geiste viel hel¬
ler und näher als durch die Gegenwart vor¬
her, weil jenes sie auf einmal in Harmonie,
diese sie mit den einzelnen Dissonanzen ohne
die Auflösung gab. Ihre Kraft der allseitigen
Unpartheilichkeit für alle Karaktere war ihm
an einem Weibe eben so selten als groß erschie¬
nen; zumal da er selber diese Kraft mehr in
der Achtung für sie und in dem freudigen freien
Auffassen großer, exzentrischer, poetischer Er¬
scheinungen, aber nicht aller und der platten
und schlechten wirken ließ.

Gleich mächtig und gewachsen standen in
ihm neben einander Liebe und Freiheit; nur
durch einen neuen Entschluß wurden sie ver¬

Titan IV. P

tende Foderung an ſeine Freiheit noch härter
und ſagt' es ſich ſtark, das Weib dürfe nicht
das heilige Gebiet der männlichen Entfaltung
einengen oder beherrſchen. Von der andern
Seite war ja alles Liebe und deren Übermaaß
— und je länger er reiſete und verglich, deſto
einſamer und dunkler wurd' es auf der Stelle
ſeines Lebens, auf welche nur ſie die große
Flamme warf. Sie rückte ihm durch ſein ſtil¬
les Beſchauen ihres Geiſtes im Geiſte viel hel¬
ler und näher als durch die Gegenwart vor¬
her, weil jenes ſie auf einmal in Harmonie,
dieſe ſie mit den einzelnen Diſſonanzen ohne
die Auflöſung gab. Ihre Kraft der allſeitigen
Unpartheilichkeit für alle Karaktere war ihm
an einem Weibe eben ſo ſelten als groß erſchie¬
nen; zumal da er ſelber dieſe Kraft mehr in
der Achtung für ſie und in dem freudigen freien
Auffaſſen großer, exzentriſcher, poetiſcher Er¬
ſcheinungen, aber nicht aller und der platten
und ſchlechten wirken ließ.

Gleich mächtig und gewachſen ſtanden in
ihm neben einander Liebe und Freiheit; nur
durch einen neuen Entſchluß wurden ſie ver¬

Titan IV. P
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[225/0237] tende Foderung an ſeine Freiheit noch härter und ſagt' es ſich ſtark, das Weib dürfe nicht das heilige Gebiet der männlichen Entfaltung einengen oder beherrſchen. Von der andern Seite war ja alles Liebe und deren Übermaaß — und je länger er reiſete und verglich, deſto einſamer und dunkler wurd' es auf der Stelle ſeines Lebens, auf welche nur ſie die große Flamme warf. Sie rückte ihm durch ſein ſtil¬ les Beſchauen ihres Geiſtes im Geiſte viel hel¬ ler und näher als durch die Gegenwart vor¬ her, weil jenes ſie auf einmal in Harmonie, dieſe ſie mit den einzelnen Diſſonanzen ohne die Auflöſung gab. Ihre Kraft der allſeitigen Unpartheilichkeit für alle Karaktere war ihm an einem Weibe eben ſo ſelten als groß erſchie¬ nen; zumal da er ſelber dieſe Kraft mehr in der Achtung für ſie und in dem freudigen freien Auffaſſen großer, exzentriſcher, poetiſcher Er¬ ſcheinungen, aber nicht aller und der platten und ſchlechten wirken ließ. Gleich mächtig und gewachſen ſtanden in ihm neben einander Liebe und Freiheit; nur durch einen neuen Entſchluß wurden ſie ver¬ Titan IV. P

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/237>, abgerufen am 02.05.2024.