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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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bunten Wasserstrahl auf das Ufer auszuwerfen
schienen. "Wir werden (sagte Julienne ent¬
zückt) durch den Bogen des Friedens einge¬
hen." Bei diesem Worte verschwand der Re¬
gen und der Farbenkranz; und allein die Sonne
glänzte hinter ihnen.

Durch den Fackeltanz der Wellen lief die
Fahrt. Die Fernen glänzten und dampften
herrlich. "Warum ergreifen die Fernen so
mächtig die Seele, obgleich aus denselben Far¬
ben wie die Nähe gemahlt?" -- sagte Albano.
"Das ist eben die Frage," sagte Dian. Ge¬
waltig lag das Meer wie ein Ungeheuer an
den Küsten über ihren ganzen Weg nach Rom
hin, ausgestreckt und hob die Schuppen von
Wellen auf und nieder. Albano sagte: "Da
ich auf dem Vesuv das Gebürg' ansah und das
Meer: so dacht' ich daran, wie klein und falsch
theilet der enge Mensch die zwei Kolossen der
Erde in kleine benannte Glieder entzwei und thut
als reiche nicht dasselbe Meer um die ganze
Erde.

Seine Freundinnen konnten, zu innig und
trübe bewegt, nichts antworten und vor den

bunten Waſſerſtrahl auf das Ufer auszuwerfen
ſchienen. „Wir werden (ſagte Julienne ent¬
zückt) durch den Bogen des Friedens einge¬
hen.“ Bei dieſem Worte verſchwand der Re¬
gen und der Farbenkranz; und allein die Sonne
glänzte hinter ihnen.

Durch den Fackeltanz der Wellen lief die
Fahrt. Die Fernen glänzten und dampften
herrlich. „Warum ergreifen die Fernen ſo
mächtig die Seele, obgleich aus denſelben Far¬
ben wie die Nähe gemahlt?“ — ſagte Albano.
„Das iſt eben die Frage,“ ſagte Dian. Ge¬
waltig lag das Meer wie ein Ungeheuer an
den Küſten über ihren ganzen Weg nach Rom
hin, ausgeſtreckt und hob die Schuppen von
Wellen auf und nieder. Albano ſagte: „Da
ich auf dem Veſuv das Gebürg' anſah und das
Meer: ſo dacht' ich daran, wie klein und falſch
theilet der enge Menſch die zwei Koloſſen der
Erde in kleine benannte Glieder entzwei und thut
als reiche nicht daſſelbe Meer um die ganze
Erde.

Seine Freundinnen konnten, zu innig und
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[207/0219] bunten Waſſerſtrahl auf das Ufer auszuwerfen ſchienen. „Wir werden (ſagte Julienne ent¬ zückt) durch den Bogen des Friedens einge¬ hen.“ Bei dieſem Worte verſchwand der Re¬ gen und der Farbenkranz; und allein die Sonne glänzte hinter ihnen. Durch den Fackeltanz der Wellen lief die Fahrt. Die Fernen glänzten und dampften herrlich. „Warum ergreifen die Fernen ſo mächtig die Seele, obgleich aus denſelben Far¬ ben wie die Nähe gemahlt?“ — ſagte Albano. „Das iſt eben die Frage,“ ſagte Dian. Ge¬ waltig lag das Meer wie ein Ungeheuer an den Küſten über ihren ganzen Weg nach Rom hin, ausgeſtreckt und hob die Schuppen von Wellen auf und nieder. Albano ſagte: „Da ich auf dem Veſuv das Gebürg' anſah und das Meer: ſo dacht' ich daran, wie klein und falſch theilet der enge Menſch die zwei Koloſſen der Erde in kleine benannte Glieder entzwei und thut als reiche nicht daſſelbe Meer um die ganze Erde. Seine Freundinnen konnten, zu innig und trübe bewegt, nichts antworten und vor den

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/219>, abgerufen am 24.11.2024.