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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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rer warteten, begleiten -- dann sie in Rom
einmal zufällig -- dann auf Isola bella zum
letztenmale zufällig finden dürfte; eine sehr
unfreundliche Unterwürfigkeit unter den Welt-
Schein, auf welche aber Linda so stark als Ju¬
lienne drang und zu welcher selber Albano,
durch seine Geburt mehr zum Standes-Zwange
abgehärtet als ein bürgerlicher Jüngling von
gleicher Seele leicht das schmerzliche Ja unter
dem schweren Schleier aller Verhältnisse her¬
gab. Julienne entschied über alle kleinern Maa߬
regeln; sie war auf der ganzen Reise die Ge¬
schäftsträgerin der Gräfinn gewesen, die, wie
sie sagte, nicht Kopf genug habe, um sich einen
Hut darauf zu kaufen, so rasch, geldvergessen
und träumend sey sie. Die Schwester war so
munter und ganz hergestellt, sagte aber, alle
fünf und dreißig heiße Quellen der Insel hät¬
ten nicht halb so viel für ihre Genesung gethan,
als eben so viele Freudenthränen, die sie zum
Glück vergossen habe.

Sonderbar erschien alles um sie am Reise-
Morgen; ein helles warmes Gewölk' vertropfte
silbern -- die Sonne schien zwischen zwei Ber¬

rer warteten, begleiten — dann ſie in Rom
einmal zufällig — dann auf Isola bella zum
letztenmale zufällig finden dürfte; eine ſehr
unfreundliche Unterwürfigkeit unter den Welt-
Schein, auf welche aber Linda ſo ſtark als Ju¬
lienne drang und zu welcher ſelber Albano,
durch ſeine Geburt mehr zum Standes-Zwange
abgehärtet als ein bürgerlicher Jüngling von
gleicher Seele leicht das ſchmerzliche Ja unter
dem ſchweren Schleier aller Verhältniſſe her¬
gab. Julienne entſchied über alle kleinern Maa߬
regeln; ſie war auf der ganzen Reiſe die Ge¬
ſchäftsträgerin der Gräfinn geweſen, die, wie
ſie ſagte, nicht Kopf genug habe, um ſich einen
Hut darauf zu kaufen, ſo raſch, geldvergeſſen
und träumend ſey ſie. Die Schweſter war ſo
munter und ganz hergeſtellt, ſagte aber, alle
fünf und dreißig heiße Quellen der Inſel hät¬
ten nicht halb ſo viel für ihre Geneſung gethan,
als eben ſo viele Freudenthränen, die ſie zum
Glück vergoſſen habe.

Sonderbar erſchien alles um ſie am Reiſe-
Morgen; ein helles warmes Gewölk' vertropfte
ſilbern — die Sonne ſchien zwiſchen zwei Ber¬

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[205/0217] rer warteten, begleiten — dann ſie in Rom einmal zufällig — dann auf Isola bella zum letztenmale zufällig finden dürfte; eine ſehr unfreundliche Unterwürfigkeit unter den Welt- Schein, auf welche aber Linda ſo ſtark als Ju¬ lienne drang und zu welcher ſelber Albano, durch ſeine Geburt mehr zum Standes-Zwange abgehärtet als ein bürgerlicher Jüngling von gleicher Seele leicht das ſchmerzliche Ja unter dem ſchweren Schleier aller Verhältniſſe her¬ gab. Julienne entſchied über alle kleinern Maa߬ regeln; ſie war auf der ganzen Reiſe die Ge¬ ſchäftsträgerin der Gräfinn geweſen, die, wie ſie ſagte, nicht Kopf genug habe, um ſich einen Hut darauf zu kaufen, ſo raſch, geldvergeſſen und träumend ſey ſie. Die Schweſter war ſo munter und ganz hergeſtellt, ſagte aber, alle fünf und dreißig heiße Quellen der Inſel hät¬ ten nicht halb ſo viel für ihre Geneſung gethan, als eben ſo viele Freudenthränen, die ſie zum Glück vergoſſen habe. Sonderbar erſchien alles um ſie am Reiſe- Morgen; ein helles warmes Gewölk' vertropfte ſilbern — die Sonne ſchien zwiſchen zwei Ber¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/217>, abgerufen am 24.11.2024.