flogen, konnte einen großen, heitern Glanz zei¬ gen, wenn er und man wollte. So oft Albano wie vorhin nicht in sein Trauerspiel gieng, zog er den Vorhang eines Lustspiels auf. Der gu¬ ten Rabette war sein Anreden so viel wie sein Anschauen, obwohl sie nur das Letztere erwie¬ derte, um weder ins Du noch Sie zu fallen. Albano, mit Ohren und Augen an Eine Seele geknüpft, konnte mit den Lippen nicht viel mehr hervorbringen als ein seeliges Lächeln; einen Hymnus hätte er leichter gemacht als ein Bonmot, ein Tischgebet leichter als eine Tischrede.
Denn seine Liane war heute zu liebreich! So vergnügt und ermunternd schauete das süße Mädchen umher, mit so herzlichem Spiel die gesprächige, neckende Wirthin machend, daß ein Mann, der es sah und an ihren festen, Sterbeglauben dachte, von diesem Tanz um das Grab mit Blumen auf dem Haupt, nur desto inniger gerühret wurde, wenn er auch merkte -- oder vielmehr eben darum --, daß sie hier mit dem Scherze selber Scherz treibe, bloß um -- nach ihrer neuen moralischen
flogen, konnte einen großen, heitern Glanz zei¬ gen, wenn er und man wollte. So oft Albano wie vorhin nicht in ſein Trauerſpiel gieng, zog er den Vorhang eines Luſtſpiels auf. Der gu¬ ten Rabette war ſein Anreden ſo viel wie ſein Anſchauen, obwohl ſie nur das Letztere erwie¬ derte, um weder ins Du noch Sie zu fallen. Albano, mit Ohren und Augen an Eine Seele geknüpft, konnte mit den Lippen nicht viel mehr hervorbringen als ein ſeeliges Lächeln; einen Hymnus hätte er leichter gemacht als ein Bonmot, ein Tiſchgebet leichter als eine Tiſchrede.
Denn ſeine Liane war heute zu liebreich! So vergnügt und ermunternd ſchauete das ſüße Mädchen umher, mit ſo herzlichem Spiel die geſprächige, neckende Wirthin machend, daß ein Mann, der es ſah und an ihren feſten, Sterbeglauben dachte, von dieſem Tanz um das Grab mit Blumen auf dem Haupt, nur deſto inniger gerühret wurde, wenn er auch merkte — oder vielmehr eben darum —, daß ſie hier mit dem Scherze ſelber Scherz treibe, bloß um — nach ihrer neuen moraliſchen
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flogen, konnte einen großen, heitern Glanz zei¬
gen, wenn er und man wollte. So oft Albano
wie vorhin nicht in ſein Trauerſpiel gieng, zog
er den Vorhang eines Luſtſpiels auf. Der gu¬
ten Rabette war ſein Anreden ſo viel wie ſein
Anſchauen, obwohl ſie nur das Letztere erwie¬
derte, um weder ins Du noch Sie zu fallen.
Albano, mit Ohren und Augen an Eine Seele
geknüpft, konnte mit den Lippen nicht viel
mehr hervorbringen als ein ſeeliges Lächeln;
einen Hymnus hätte er leichter gemacht als
ein Bonmot, ein Tiſchgebet leichter als eine
Tiſchrede.
Denn ſeine Liane war heute zu liebreich!
So vergnügt und ermunternd ſchauete das
ſüße Mädchen umher, mit ſo herzlichem Spiel
die geſprächige, neckende Wirthin machend,
daß ein Mann, der es ſah und an ihren feſten,
Sterbeglauben dachte, von dieſem Tanz um
das Grab mit Blumen auf dem Haupt, nur
deſto inniger gerühret wurde, wenn er auch
merkte — oder vielmehr eben darum —, daß
ſie hier mit dem Scherze ſelber Scherz treibe,
bloß um — nach ihrer neuen moraliſchen
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/85>, abgerufen am 01.02.2025.
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