Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

ten sie sich wieder als Thau brennend nieder.
Ich kam der Sonne näher und sie stand schon
im Ähren-Kranz; ""es ist schon Mittag,""
sangen die Einsiedler über mir.

Träge, wie Bienen über Honigfluren, schwam¬
men im finstern Blau die Welten gedrängt über
dem göttlichen Lande -- vom Gebürge bog sich
eine Milchstraße herüber, die sich in die Sonne
senkte -- helle Länder rollten sich auf -- Licht¬
harfen, mit Strahlen bezogen, klangen im Feu¬
er -- Ein Dreiklang aus drei Donnern erschüt¬
terte das Land, ein klingender Gewitterregen
aus Glanz und Thau füllte dämmernd das
weite Eden -- Er vertropfte wie eine weinende
Entzückung -- Hirtenlieder flogen durch die reine,
blaue Luft und noch einige Rosenwölkchen aus
dem Gewitter tanzten nach den Tönen. -- Da
blickte weich die nahe Morgensonne aus einem
blassen Lilienkranze und die Einsiedler sangen
oben: ""o Seeligkeit, o Seeligkeit, der Abend
""blüht."" Es wurde still und dämmernd. An der
Sonne hielten die Welten umher still, und um¬
rangen sie mit ihren schönen Riesen, der mensch¬
lichen Gestalt ähnlich aber höher und heiliger;

ten ſie ſich wieder als Thau brennend nieder.
Ich kam der Sonne näher und ſie ſtand ſchon
im Ähren-Kranz; „„es iſt ſchon Mittag,““
ſangen die Einſiedler über mir.

Träge, wie Bienen über Honigfluren, ſchwam¬
men im finſtern Blau die Welten gedrängt über
dem göttlichen Lande — vom Gebürge bog ſich
eine Milchſtraße herüber, die ſich in die Sonne
ſenkte — helle Länder rollten ſich auf — Licht¬
harfen, mit Strahlen bezogen, klangen im Feu¬
er — Ein Dreiklang aus drei Donnern erſchüt¬
terte das Land, ein klingender Gewitterregen
aus Glanz und Thau füllte dämmernd das
weite Eden — Er vertropfte wie eine weinende
Entzückung — Hirtenlieder flogen durch die reine,
blaue Luft und noch einige Roſenwölkchen aus
dem Gewitter tanzten nach den Tönen. — Da
blickte weich die nahe Morgenſonne aus einem
blaſſen Lilienkranze und die Einſiedler ſangen
oben: „„o Seeligkeit, o Seeligkeit, der Abend
„„blüht.““ Es wurde ſtill und dämmernd. An der
Sonne hielten die Welten umher ſtill, und um¬
rangen ſie mit ihren ſchönen Rieſen, der menſch¬
lichen Geſtalt ähnlich aber höher und heiliger;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0437" n="425"/>
ten &#x017F;ie &#x017F;ich wieder als Thau brennend nieder.<lb/>
Ich kam der Sonne näher und &#x017F;ie &#x017F;tand &#x017F;chon<lb/>
im Ähren-Kranz; &#x201E;&#x201E;es i&#x017F;t &#x017F;chon Mittag,&#x201C;&#x201C;<lb/>
&#x017F;angen die Ein&#x017F;iedler über mir.</p><lb/>
          <p>Träge, wie Bienen über Honigfluren, &#x017F;chwam¬<lb/>
men im fin&#x017F;tern Blau die Welten gedrängt über<lb/>
dem göttlichen Lande &#x2014; vom Gebürge bog &#x017F;ich<lb/>
eine Milch&#x017F;traße herüber, die &#x017F;ich in die Sonne<lb/>
&#x017F;enkte &#x2014; helle Länder rollten &#x017F;ich auf &#x2014; Licht¬<lb/>
harfen, mit Strahlen bezogen, klangen im Feu¬<lb/>
er &#x2014; Ein Dreiklang aus drei Donnern er&#x017F;chüt¬<lb/>
terte das Land, ein klingender Gewitterregen<lb/>
aus Glanz und Thau füllte dämmernd das<lb/>
weite Eden &#x2014; Er vertropfte wie eine weinende<lb/>
Entzückung &#x2014; Hirtenlieder flogen durch die reine,<lb/>
blaue Luft und noch einige Ro&#x017F;enwölkchen aus<lb/>
dem Gewitter tanzten nach den Tönen. &#x2014; Da<lb/>
blickte weich die nahe Morgen&#x017F;onne aus einem<lb/>
bla&#x017F;&#x017F;en Lilienkranze und die Ein&#x017F;iedler &#x017F;angen<lb/>
oben: &#x201E;&#x201E;o Seeligkeit, o Seeligkeit, der Abend<lb/>
&#x201E;&#x201E;blüht.&#x201C;&#x201C; Es wurde &#x017F;till und dämmernd. An der<lb/>
Sonne hielten die Welten umher &#x017F;till, und um¬<lb/>
rangen &#x017F;ie mit ihren &#x017F;chönen Rie&#x017F;en, der men&#x017F;ch¬<lb/>
lichen Ge&#x017F;talt ähnlich aber höher und heiliger;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[425/0437] ten ſie ſich wieder als Thau brennend nieder. Ich kam der Sonne näher und ſie ſtand ſchon im Ähren-Kranz; „„es iſt ſchon Mittag,““ ſangen die Einſiedler über mir. Träge, wie Bienen über Honigfluren, ſchwam¬ men im finſtern Blau die Welten gedrängt über dem göttlichen Lande — vom Gebürge bog ſich eine Milchſtraße herüber, die ſich in die Sonne ſenkte — helle Länder rollten ſich auf — Licht¬ harfen, mit Strahlen bezogen, klangen im Feu¬ er — Ein Dreiklang aus drei Donnern erſchüt¬ terte das Land, ein klingender Gewitterregen aus Glanz und Thau füllte dämmernd das weite Eden — Er vertropfte wie eine weinende Entzückung — Hirtenlieder flogen durch die reine, blaue Luft und noch einige Roſenwölkchen aus dem Gewitter tanzten nach den Tönen. — Da blickte weich die nahe Morgenſonne aus einem blaſſen Lilienkranze und die Einſiedler ſangen oben: „„o Seeligkeit, o Seeligkeit, der Abend „„blüht.““ Es wurde ſtill und dämmernd. An der Sonne hielten die Welten umher ſtill, und um¬ rangen ſie mit ihren ſchönen Rieſen, der menſch¬ lichen Geſtalt ähnlich aber höher und heiliger;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/437
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/437>, abgerufen am 23.11.2024.