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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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immer wieder: "Vater!" -- Er rief fort, ihn hef¬
tig wie ein Feind umflechtend und sagte: "Va¬
ter, das ist Liane!" -- Noch heftiger wurde
die Umarmung, nicht aus Liebe, nur aus Quaal.
-- "Komme zu dir, und zu mir, lieber Albano!"
sagte der Ritter. "O, ich will es thun, Sie ist
nun gestorben, Vater!" sagt' er erstickt und nun
zerriß sein Schmerz am Vater wie ein Ge¬
wölke am Gebürge, in Eine unaufhörliche Thrä¬
ne -- sie strömte fort als wollte sich die inner¬
ste Seele verbluten aus allen offnen Adern --
aber das Weinen wühlte nur die Quaalen auf
wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld, er wur¬
de trostloser und ungestümer und wiederholte
dumpf das alte Wort.

"Albano! (sagte Gaspard nach einiger
Zeit mit stärkerer Stimme) willst Du mich
begleiten?" -- "Gern, mein Vater!" sagte
er und folgte ihm, wie der Mutter ein bluten¬
des Kind mit seiner Wunde. -- "Morgen will
ich schon sprechen," sagte Albano im Wagen
und nahm die väterliche Hand. Die weit off¬
nen Augen hiengen geschwollen und blind an
der warmen Abendsonne fest, die schon auf dem

immer wieder: „Vater!“ — Er rief fort, ihn hef¬
tig wie ein Feind umflechtend und ſagte: „Va¬
ter, das iſt Liane!“ — Noch heftiger wurde
die Umarmung, nicht aus Liebe, nur aus Quaal.
— „Komme zu dir, und zu mir, lieber Albano!“
ſagte der Ritter. „O, ich will es thun, Sie iſt
nun geſtorben, Vater!“ ſagt' er erſtickt und nun
zerriß ſein Schmerz am Vater wie ein Ge¬
wölke am Gebürge, in Eine unaufhörliche Thrä¬
ne — ſie ſtrömte fort als wollte ſich die inner¬
ſte Seele verbluten aus allen offnen Adern —
aber das Weinen wühlte nur die Quaalen auf
wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld, er wur¬
de troſtloſer und ungeſtümer und wiederholte
dumpf das alte Wort.

„Albano! (ſagte Gaſpard nach einiger
Zeit mit ſtärkerer Stimme) willſt Du mich
begleiten?“ — „Gern, mein Vater!“ ſagte
er und folgte ihm, wie der Mutter ein bluten¬
des Kind mit ſeiner Wunde. — „Morgen will
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[391/0403] immer wieder: „Vater!“ — Er rief fort, ihn hef¬ tig wie ein Feind umflechtend und ſagte: „Va¬ ter, das iſt Liane!“ — Noch heftiger wurde die Umarmung, nicht aus Liebe, nur aus Quaal. — „Komme zu dir, und zu mir, lieber Albano!“ ſagte der Ritter. „O, ich will es thun, Sie iſt nun geſtorben, Vater!“ ſagt' er erſtickt und nun zerriß ſein Schmerz am Vater wie ein Ge¬ wölke am Gebürge, in Eine unaufhörliche Thrä¬ ne — ſie ſtrömte fort als wollte ſich die inner¬ ſte Seele verbluten aus allen offnen Adern — aber das Weinen wühlte nur die Quaalen auf wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld, er wur¬ de troſtloſer und ungeſtümer und wiederholte dumpf das alte Wort. „Albano! (ſagte Gaſpard nach einiger Zeit mit ſtärkerer Stimme) willſt Du mich begleiten?“ — „Gern, mein Vater!“ ſagte er und folgte ihm, wie der Mutter ein bluten¬ des Kind mit ſeiner Wunde. — „Morgen will ich ſchon ſprechen,“ ſagte Albano im Wagen und nahm die väterliche Hand. Die weit off¬ nen Augen hiengen geſchwollen und blind an der warmen Abendſonne feſt, die ſchon auf dem

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/403>, abgerufen am 24.11.2024.