immer wieder: "Vater!" -- Er rief fort, ihn hef¬ tig wie ein Feind umflechtend und sagte: "Va¬ ter, das ist Liane!" -- Noch heftiger wurde die Umarmung, nicht aus Liebe, nur aus Quaal. -- "Komme zu dir, und zu mir, lieber Albano!" sagte der Ritter. "O, ich will es thun, Sie ist nun gestorben, Vater!" sagt' er erstickt und nun zerriß sein Schmerz am Vater wie ein Ge¬ wölke am Gebürge, in Eine unaufhörliche Thrä¬ ne -- sie strömte fort als wollte sich die inner¬ ste Seele verbluten aus allen offnen Adern -- aber das Weinen wühlte nur die Quaalen auf wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld, er wur¬ de trostloser und ungestümer und wiederholte dumpf das alte Wort.
"Albano! (sagte Gaspard nach einiger Zeit mit stärkerer Stimme) willst Du mich begleiten?" -- "Gern, mein Vater!" sagte er und folgte ihm, wie der Mutter ein bluten¬ des Kind mit seiner Wunde. -- "Morgen will ich schon sprechen," sagte Albano im Wagen und nahm die väterliche Hand. Die weit off¬ nen Augen hiengen geschwollen und blind an der warmen Abendsonne fest, die schon auf dem
immer wieder: „Vater!“ — Er rief fort, ihn hef¬ tig wie ein Feind umflechtend und ſagte: „Va¬ ter, das iſt Liane!“ — Noch heftiger wurde die Umarmung, nicht aus Liebe, nur aus Quaal. — „Komme zu dir, und zu mir, lieber Albano!“ ſagte der Ritter. „O, ich will es thun, Sie iſt nun geſtorben, Vater!“ ſagt' er erſtickt und nun zerriß ſein Schmerz am Vater wie ein Ge¬ wölke am Gebürge, in Eine unaufhörliche Thrä¬ ne — ſie ſtrömte fort als wollte ſich die inner¬ ſte Seele verbluten aus allen offnen Adern — aber das Weinen wühlte nur die Quaalen auf wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld, er wur¬ de troſtloſer und ungeſtümer und wiederholte dumpf das alte Wort.
„Albano! (ſagte Gaſpard nach einiger Zeit mit ſtärkerer Stimme) willſt Du mich begleiten?“ — „Gern, mein Vater!“ ſagte er und folgte ihm, wie der Mutter ein bluten¬ des Kind mit ſeiner Wunde. — „Morgen will ich ſchon ſprechen,“ ſagte Albano im Wagen und nahm die väterliche Hand. Die weit off¬ nen Augen hiengen geſchwollen und blind an der warmen Abendſonne feſt, die ſchon auf dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0403"n="391"/>
immer wieder: „Vater!“— Er rief fort, ihn hef¬<lb/>
tig wie ein Feind umflechtend und ſagte: „Va¬<lb/>
ter, das iſt Liane!“— Noch heftiger wurde<lb/>
die Umarmung, nicht aus Liebe, nur aus Quaal.<lb/>—„Komme zu dir, und zu mir, lieber Albano!“<lb/>ſagte der Ritter. „O, ich will es thun, Sie iſt<lb/>
nun geſtorben, Vater!“ſagt' er erſtickt und nun<lb/>
zerriß ſein Schmerz am Vater wie ein Ge¬<lb/>
wölke am Gebürge, in Eine unaufhörliche Thrä¬<lb/>
ne —ſie ſtrömte fort als wollte ſich die inner¬<lb/>ſte Seele verbluten aus allen offnen Adern —<lb/>
aber das Weinen wühlte nur die Quaalen auf<lb/>
wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld, er wur¬<lb/>
de troſtloſer und ungeſtümer und wiederholte<lb/>
dumpf das alte Wort.</p><lb/><p>„Albano! (ſagte Gaſpard nach einiger<lb/>
Zeit mit ſtärkerer Stimme) willſt Du mich<lb/>
begleiten?“—„Gern, mein Vater!“ſagte<lb/>
er und folgte ihm, wie der Mutter ein bluten¬<lb/>
des Kind mit ſeiner Wunde. —„Morgen will<lb/>
ich ſchon ſprechen,“ſagte Albano im Wagen<lb/>
und nahm die väterliche Hand. Die weit off¬<lb/>
nen Augen hiengen geſchwollen und blind an<lb/>
der warmen Abendſonne feſt, die ſchon auf dem<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[391/0403]
immer wieder: „Vater!“ — Er rief fort, ihn hef¬
tig wie ein Feind umflechtend und ſagte: „Va¬
ter, das iſt Liane!“ — Noch heftiger wurde
die Umarmung, nicht aus Liebe, nur aus Quaal.
— „Komme zu dir, und zu mir, lieber Albano!“
ſagte der Ritter. „O, ich will es thun, Sie iſt
nun geſtorben, Vater!“ ſagt' er erſtickt und nun
zerriß ſein Schmerz am Vater wie ein Ge¬
wölke am Gebürge, in Eine unaufhörliche Thrä¬
ne — ſie ſtrömte fort als wollte ſich die inner¬
ſte Seele verbluten aus allen offnen Adern —
aber das Weinen wühlte nur die Quaalen auf
wie ein Wolkenbruch ein Schlachtfeld, er wur¬
de troſtloſer und ungeſtümer und wiederholte
dumpf das alte Wort.
„Albano! (ſagte Gaſpard nach einiger
Zeit mit ſtärkerer Stimme) willſt Du mich
begleiten?“ — „Gern, mein Vater!“ ſagte
er und folgte ihm, wie der Mutter ein bluten¬
des Kind mit ſeiner Wunde. — „Morgen will
ich ſchon ſprechen,“ ſagte Albano im Wagen
und nahm die väterliche Hand. Die weit off¬
nen Augen hiengen geſchwollen und blind an
der warmen Abendſonne feſt, die ſchon auf dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/403>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.