ten. -- "O, wollte Gott! Nein, ich bins "nicht" sagte er und erstickte aus Schonung den innern Sturm; denn er hätte so gern sei¬ nen Jammer, seine Liebe, seinen Todes-Wunsch ausgerufen vor ihr mit einem tödtlichen Schrei, wie eine Nachtigal sich zu Tode schmettert und vom Zweige stürzt.
Ihr erkältetes Auge ruhte, sich erwär¬ mend, lange auf seinem Angesicht voll unaus¬ sprechlicher Liebe und sie sagte endlich mit schwe¬ rem Lächeln: "So liebst Du mich also wieder, "Albano! -- Du hattest Dich auch in Lilar "ganz geirrt. Erst nach langer Zeit wird mein "Albano es erfahren, warum ich von Ihm ge¬ "wichen bin, nur zu Seinem Wohl. Heute, "Heute an meinem Sterbetage sag' ich Dir, "daß mein Herz Dir treu geblieben. -- Glaub' "es mir! -- Mein Herz ist bei Gott, meine "Worte sind wahr -- Sieh! Darum bat ich Dich "heute zu mir -- denn Du sollst sanft, ohne "Reue, ohne Vorwurf auf Deine erste Jugend¬ "liebe herübersehen in Deinem künftigen lan¬ "gen Leben. -- Heute wirst Du nicht böse "über die kleine Linda, daß sie vom Sterben
ten. — „O, wollte Gott! Nein, ich bins „nicht“ ſagte er und erſtickte aus Schonung den innern Sturm; denn er hätte ſo gern ſei¬ nen Jammer, ſeine Liebe, ſeinen Todes-Wunſch ausgerufen vor ihr mit einem tödtlichen Schrei, wie eine Nachtigal ſich zu Tode ſchmettert und vom Zweige ſtürzt.
Ihr erkältetes Auge ruhte, ſich erwär¬ mend, lange auf ſeinem Angeſicht voll unaus¬ ſprechlicher Liebe und ſie ſagte endlich mit ſchwe¬ rem Lächeln: „So liebſt Du mich alſo wieder, „Albano! — Du hatteſt Dich auch in Lilar „ganz geirrt. Erſt nach langer Zeit wird mein „Albano es erfahren, warum ich von Ihm ge¬ „wichen bin, nur zu Seinem Wohl. Heute, „Heute an meinem Sterbetage ſag' ich Dir, „daß mein Herz Dir treu geblieben. — Glaub' „es mir! — Mein Herz iſt bei Gott, meine „Worte ſind wahr — Sieh! Darum bat ich Dich „heute zu mir — denn Du ſollſt ſanft, ohne „Reue, ohne Vorwurf auf Deine erſte Jugend¬ „liebe herüberſehen in Deinem künftigen lan¬ „gen Leben. — Heute wirſt Du nicht böſe „über die kleine Linda, daß ſie vom Sterben
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ten. — „O, wollte Gott! Nein, ich bins
„nicht“ ſagte er und erſtickte aus Schonung
den innern Sturm; denn er hätte ſo gern ſei¬
nen Jammer, ſeine Liebe, ſeinen Todes-Wunſch
ausgerufen vor ihr mit einem tödtlichen Schrei,
wie eine Nachtigal ſich zu Tode ſchmettert und
vom Zweige ſtürzt.
Ihr erkältetes Auge ruhte, ſich erwär¬
mend, lange auf ſeinem Angeſicht voll unaus¬
ſprechlicher Liebe und ſie ſagte endlich mit ſchwe¬
rem Lächeln: „So liebſt Du mich alſo wieder,
„Albano! — Du hatteſt Dich auch in Lilar
„ganz geirrt. Erſt nach langer Zeit wird mein
„Albano es erfahren, warum ich von Ihm ge¬
„wichen bin, nur zu Seinem Wohl. Heute,
„Heute an meinem Sterbetage ſag' ich Dir,
„daß mein Herz Dir treu geblieben. — Glaub'
„es mir! — Mein Herz iſt bei Gott, meine
„Worte ſind wahr — Sieh! Darum bat ich Dich
„heute zu mir — denn Du ſollſt ſanft, ohne
„Reue, ohne Vorwurf auf Deine erſte Jugend¬
„liebe herüberſehen in Deinem künftigen lan¬
„gen Leben. — Heute wirſt Du nicht böſe
„über die kleine Linda, daß ſie vom Sterben
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/393>, abgerufen am 23.11.2024.
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