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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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ser Morgen, durch alle Lauben dämmernd, im
Garten, gleichsam das zarte Leuchten eines ho¬
hen, ganz reinen Geistes, der nur in der heili¬
gen stillen Nacht die tiefe Erde betritt und da
Nichts sucht als die reine, stille Liane. --

Als Albano blickte und träumte und sich
sehnte, kam die Fürstin mit ihrer Haltermann
herauf.

Der Professor brach sich vor Verehrung
gegen sie fast entzwei, und ließ den Fix-Son¬
nen keinen astrologischen Einfluß auf sein gera¬
des Stehen zu. -- Albano und die Fürstin
fanden sich mit einem Gewinnst gegenseitiger
Wärme wieder. Aber die erste Frage der Für¬
stin war: ob er die spanische Gräfin gesehen.
Gleichgültig sagt' er, von der Prinzessin sey er
seit ihrer Ankunft eingeladen worden, sey aber
nicht gekommen. "Ma belle-soeur bewundert
sie am meisten (fuhr die Fürstin fort), aber sie
ists ein wenig werth. Sie ist majestätisch ge¬
bauet, länger als ich, und schön, zumal ihr Kopf,
ihr Auge und Haar. Doch ist sie mehr plastisch
als mahlerisch schön, eher einer Juno oder Mi¬
nerva ähnlich als einer Madonna. Aber sie

ſer Morgen, durch alle Lauben dämmernd, im
Garten, gleichſam das zarte Leuchten eines ho¬
hen, ganz reinen Geiſtes, der nur in der heili¬
gen ſtillen Nacht die tiefe Erde betritt und da
Nichts ſucht als die reine, ſtille Liane. —

Als Albano blickte und träumte und ſich
ſehnte, kam die Fürſtin mit ihrer Haltermann
herauf.

Der Profeſſor brach ſich vor Verehrung
gegen ſie faſt entzwei, und ließ den Fix-Son¬
nen keinen aſtrologiſchen Einfluß auf ſein gera¬
des Stehen zu. — Albano und die Fürſtin
fanden ſich mit einem Gewinnſt gegenſeitiger
Wärme wieder. Aber die erſte Frage der Für¬
ſtin war: ob er die ſpaniſche Gräfin geſehen.
Gleichgültig ſagt' er, von der Prinzeſſin ſey er
ſeit ihrer Ankunft eingeladen worden, ſey aber
nicht gekommen. „Ma belle-soeur bewundert
ſie am meiſten (fuhr die Fürſtin fort), aber ſie
iſts ein wenig werth. Sie iſt majeſtätiſch ge¬
bauet, länger als ich, und ſchön, zumal ihr Kopf,
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[330/0342] ſer Morgen, durch alle Lauben dämmernd, im Garten, gleichſam das zarte Leuchten eines ho¬ hen, ganz reinen Geiſtes, der nur in der heili¬ gen ſtillen Nacht die tiefe Erde betritt und da Nichts ſucht als die reine, ſtille Liane. — Als Albano blickte und träumte und ſich ſehnte, kam die Fürſtin mit ihrer Haltermann herauf. Der Profeſſor brach ſich vor Verehrung gegen ſie faſt entzwei, und ließ den Fix-Son¬ nen keinen aſtrologiſchen Einfluß auf ſein gera¬ des Stehen zu. — Albano und die Fürſtin fanden ſich mit einem Gewinnſt gegenſeitiger Wärme wieder. Aber die erſte Frage der Für¬ ſtin war: ob er die ſpaniſche Gräfin geſehen. Gleichgültig ſagt' er, von der Prinzeſſin ſey er ſeit ihrer Ankunft eingeladen worden, ſey aber nicht gekommen. „Ma belle-soeur bewundert ſie am meiſten (fuhr die Fürſtin fort), aber ſie iſts ein wenig werth. Sie iſt majeſtätiſch ge¬ bauet, länger als ich, und ſchön, zumal ihr Kopf, ihr Auge und Haar. Doch iſt ſie mehr plaſtiſch als mahleriſch ſchön, eher einer Juno oder Mi¬ nerva ähnlich als einer Madonna. Aber ſie

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/342>, abgerufen am 24.11.2024.