Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

denen also jene wie es schien hatte zuvorkom¬
men sollen. Was wollte sie? -- Wollte sie
von einem Jüngling, den sie so oft durch ihre
Männer-Verachtung und durch ihr zorniges,
blitzschnelles Funkenschlagen aufgebracht, etwan
Liebe, vielleicht bloß weil er ihr freundliches
Anblicken immer so warm erwiedert hatte ge¬
gen eine so theure -- Freundin seiner Gelieb¬
ten? -- Oder wollte sie von ihm nur Haß ge¬
gen die geehrte Fürstin, und zwar aus Neid
und gewöhnlicher Weiber-Ähnlichkeit mit dem
Elfenbein, dessen weisse Farbe so leicht zur
gelben wird und das nur durch das Erwär¬
men wieder die schöne bekommt? --

Diese Fragen wurden mehr wiederholt als
beantwortet von einem Abende, wo er und Ju¬
lienne bei der Fürstin waren. Eine gute Vor¬
lesung sollte von Göthe's Tasso die Gemälde-
Ausstellung geben. Schöne Kunst und nichts als
Kunst war für die Fürstin die Passauer-Kunst
gegen Hof- und Lebens-Wunden; und über¬
haupt war ihr das Weltgebäude nur ein vollstän¬
diges Bilder- und Pembrokisches Kabinet und
Antikenkabinet. -- Die Leserollen wurden von der

Titan III. U

denen alſo jene wie es ſchien hatte zuvorkom¬
men ſollen. Was wollte ſie? — Wollte ſie
von einem Jüngling, den ſie ſo oft durch ihre
Männer-Verachtung und durch ihr zorniges,
blitzſchnelles Funkenſchlagen aufgebracht, etwan
Liebe, vielleicht bloß weil er ihr freundliches
Anblicken immer ſo warm erwiedert hatte ge¬
gen eine ſo theure — Freundin ſeiner Gelieb¬
ten? — Oder wollte ſie von ihm nur Haß ge¬
gen die geehrte Fürſtin, und zwar aus Neid
und gewöhnlicher Weiber-Ähnlichkeit mit dem
Elfenbein, deſſen weiſſe Farbe ſo leicht zur
gelben wird und das nur durch das Erwär¬
men wieder die ſchöne bekommt? —

Dieſe Fragen wurden mehr wiederholt als
beantwortet von einem Abende, wo er und Ju¬
lienne bei der Fürſtin waren. Eine gute Vor¬
leſung ſollte von Göthe's Taſſo die Gemälde-
Ausſtellung geben. Schöne Kunſt und nichts als
Kunſt war für die Fürſtin die Paſſauer-Kunſt
gegen Hof- und Lebens-Wunden; und über¬
haupt war ihr das Weltgebäude nur ein vollſtän¬
diges Bilder- und Pembrokiſches Kabinet und
Antikenkabinet. — Die Leſerollen wurden von der

Titan III. U
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0317" n="305"/>
denen al&#x017F;o jene wie es &#x017F;chien hatte zuvorkom¬<lb/>
men &#x017F;ollen. Was wollte &#x017F;ie? &#x2014; Wollte &#x017F;ie<lb/>
von einem Jüngling, den &#x017F;ie &#x017F;o oft durch ihre<lb/>
Männer-Verachtung und durch ihr zorniges,<lb/>
blitz&#x017F;chnelles Funken&#x017F;chlagen aufgebracht, etwan<lb/>
Liebe, vielleicht bloß weil er ihr freundliches<lb/>
Anblicken immer &#x017F;o warm erwiedert hatte ge¬<lb/>
gen eine &#x017F;o theure &#x2014; Freundin &#x017F;einer Gelieb¬<lb/>
ten? &#x2014; Oder wollte &#x017F;ie von ihm nur Haß ge¬<lb/>
gen die geehrte Für&#x017F;tin, und zwar aus Neid<lb/>
und gewöhnlicher Weiber-Ähnlichkeit mit dem<lb/>
Elfenbein, de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">wei&#x017F;&#x017F;e</hi> Farbe &#x017F;o leicht zur<lb/><hi rendition="#g">gelben</hi> wird und das nur durch das Erwär¬<lb/>
men wieder die &#x017F;chöne bekommt? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Fragen wurden mehr wiederholt als<lb/>
beantwortet von einem Abende, wo er und Ju¬<lb/>
lienne bei der Für&#x017F;tin waren. Eine gute Vor¬<lb/>
le&#x017F;ung &#x017F;ollte von Göthe's Ta&#x017F;&#x017F;o die Gemälde-<lb/>
Aus&#x017F;tellung geben. Schöne Kun&#x017F;t und nichts als<lb/>
Kun&#x017F;t war für die Für&#x017F;tin die Pa&#x017F;&#x017F;auer-Kun&#x017F;t<lb/>
gegen Hof- und Lebens-Wunden; und über¬<lb/>
haupt war ihr das Weltgebäude nur ein voll&#x017F;tän¬<lb/>
diges Bilder- und Pembroki&#x017F;ches Kabinet und<lb/>
Antikenkabinet. &#x2014; Die Le&#x017F;erollen wurden von der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Titan <hi rendition="#aq">III</hi>. U<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0317] denen alſo jene wie es ſchien hatte zuvorkom¬ men ſollen. Was wollte ſie? — Wollte ſie von einem Jüngling, den ſie ſo oft durch ihre Männer-Verachtung und durch ihr zorniges, blitzſchnelles Funkenſchlagen aufgebracht, etwan Liebe, vielleicht bloß weil er ihr freundliches Anblicken immer ſo warm erwiedert hatte ge¬ gen eine ſo theure — Freundin ſeiner Gelieb¬ ten? — Oder wollte ſie von ihm nur Haß ge¬ gen die geehrte Fürſtin, und zwar aus Neid und gewöhnlicher Weiber-Ähnlichkeit mit dem Elfenbein, deſſen weiſſe Farbe ſo leicht zur gelben wird und das nur durch das Erwär¬ men wieder die ſchöne bekommt? — Dieſe Fragen wurden mehr wiederholt als beantwortet von einem Abende, wo er und Ju¬ lienne bei der Fürſtin waren. Eine gute Vor¬ leſung ſollte von Göthe's Taſſo die Gemälde- Ausſtellung geben. Schöne Kunſt und nichts als Kunſt war für die Fürſtin die Paſſauer-Kunſt gegen Hof- und Lebens-Wunden; und über¬ haupt war ihr das Weltgebäude nur ein vollſtän¬ diges Bilder- und Pembrokiſches Kabinet und Antikenkabinet. — Die Leſerollen wurden von der Titan III. U

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/317
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/317>, abgerufen am 24.11.2024.