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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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tiges so schön und so lebendig, wie ein frisches
Kind auf der Bühne und am Hofe -- Wir ge¬
riethen in den Tartarus -- Wir saßen an der
Stelle, wo Du mir Deinen Verzicht auf Linda
geschworen -- In meinen Sinnen glühte der
Wein, in ihren das Herz -- O, warum hat sie,
wenn man spricht und strömt, keine andere
Worte als Küsse und macht einen sinnlich aus
Langweile -- und zwingt zum Sprechen ihrer
Sprache? -- Meine wahnsinnige Kühnheit, die
mir die Phantasie und der Rausch einhauchen
und die ich kommen sehe und doch erwarte, er¬
griff mich und trieb mich wie einen Nachtwand¬
ler. -- Aber immer ist Etwas in mir hellblicken¬
des, das selber das Zuggarn des Wahnsinns
strickt, über mich wirft und mich verhüllt darin
führt. -- So sieh mich in jener Nacht mit dem
brennenden Netz um das Haupt, der Todten¬
bach murmelt zu mir, das Skelet greift durch
die Harfe -- Aber umschlungen, vergittert, ver¬
dunkelt, geblendet vom Feuer-Geflechte der Lust
acht' ich weder Vernichtung noch Himmel noch
Dich und jenen Abend, sondern ich schlinge Al¬
les durcheinander und ins Geflechte -- Und so

tiges ſo ſchön und ſo lebendig, wie ein friſches
Kind auf der Bühne und am Hofe — Wir ge¬
riethen in den Tartarus — Wir ſaßen an der
Stelle, wo Du mir Deinen Verzicht auf Linda
geſchworen — In meinen Sinnen glühte der
Wein, in ihren das Herz — O, warum hat ſie,
wenn man ſpricht und ſtrömt, keine andere
Worte als Küſſe und macht einen ſinnlich aus
Langweile — und zwingt zum Sprechen ihrer
Sprache? — Meine wahnſinnige Kühnheit, die
mir die Phantaſie und der Rauſch einhauchen
und die ich kommen ſehe und doch erwarte, er¬
griff mich und trieb mich wie einen Nachtwand¬
ler. — Aber immer iſt Etwas in mir hellblicken¬
des, das ſelber das Zuggarn des Wahnſinns
ſtrickt, über mich wirft und mich verhüllt darin
führt. — So ſieh mich in jener Nacht mit dem
brennenden Netz um das Haupt, der Todten¬
bach murmelt zu mir, das Skelet greift durch
die Harfe — Aber umſchlungen, vergittert, ver¬
dunkelt, geblendet vom Feuer-Geflechte der Luſt
acht' ich weder Vernichtung noch Himmel noch
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[285/0297] tiges ſo ſchön und ſo lebendig, wie ein friſches Kind auf der Bühne und am Hofe — Wir ge¬ riethen in den Tartarus — Wir ſaßen an der Stelle, wo Du mir Deinen Verzicht auf Linda geſchworen — In meinen Sinnen glühte der Wein, in ihren das Herz — O, warum hat ſie, wenn man ſpricht und ſtrömt, keine andere Worte als Küſſe und macht einen ſinnlich aus Langweile — und zwingt zum Sprechen ihrer Sprache? — Meine wahnſinnige Kühnheit, die mir die Phantaſie und der Rauſch einhauchen und die ich kommen ſehe und doch erwarte, er¬ griff mich und trieb mich wie einen Nachtwand¬ ler. — Aber immer iſt Etwas in mir hellblicken¬ des, das ſelber das Zuggarn des Wahnſinns ſtrickt, über mich wirft und mich verhüllt darin führt. — So ſieh mich in jener Nacht mit dem brennenden Netz um das Haupt, der Todten¬ bach murmelt zu mir, das Skelet greift durch die Harfe — Aber umſchlungen, vergittert, ver¬ dunkelt, geblendet vom Feuer-Geflechte der Luſt acht' ich weder Vernichtung noch Himmel noch Dich und jenen Abend, ſondern ich ſchlinge Al¬ les durcheinander und ins Geflechte — Und ſo

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/297>, abgerufen am 24.11.2024.