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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

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Zorn und aus dessen Liebe man den kleinern
saugt? -- Und nun vollends auf immer in die¬
se Peinlichkeit die heitern Verhältnisse einge¬
schraubt, die uns sonst über die peinlichen em¬
porhalten sollen -- auf immer das lang ge¬
wünschte Götter-Glück des Lebens in einen
platten Schein und Kupferstich verkehrt, -- das
Herz in eine Brust und Larve -- das Mark des
Daseyns in spitze Knochen -- Und doch bei al¬
len Vorwürfen der Kälte nur ans Schweigen
gekettet, unschuldig und stumm auf die Folter
gebunden -- und Das eben ohne Ende! --

Nein, lieber den Wahnsinn her, den man
aus dem Tempel der Liebe sowohl wie der Eu¬
meniden holt! Lieber recht unglücklich-entbrannt,
ohne Hoffnung, ohne Laut, bis zur Bleichheit
und Wuth als so geliebt-nicht liebend! -- Wer
einmal in dieser Hölle brannte, Albano, der --
fährt immerfort in sie; das ist das neue Un¬
glück. Verschmerz' ich nicht das Leben und den
Tod und die Wunden und Stacheln vorher und
bin gewiß nicht schwach? -- Doch bin ich nicht
im Stande, einer empfindsamen Rede -- oder
Klavierphantasie -- oder Vorlesung oder Vor¬

Zorn und aus deſſen Liebe man den kleinern
ſaugt? — Und nun vollends auf immer in die¬
ſe Peinlichkeit die heitern Verhältniſſe einge¬
ſchraubt, die uns ſonſt über die peinlichen em¬
porhalten ſollen — auf immer das lang ge¬
wünſchte Götter-Glück des Lebens in einen
platten Schein und Kupferſtich verkehrt, — das
Herz in eine Bruſt und Larve — das Mark des
Daſeyns in ſpitze Knochen — Und doch bei al¬
len Vorwürfen der Kälte nur ans Schweigen
gekettet, unſchuldig und ſtumm auf die Folter
gebunden — und Das eben ohne Ende! —

Nein, lieber den Wahnſinn her, den man
aus dem Tempel der Liebe ſowohl wie der Eu¬
meniden holt! Lieber recht unglücklich-entbrannt,
ohne Hoffnung, ohne Laut, bis zur Bleichheit
und Wuth als ſo geliebt-nicht liebend! — Wer
einmal in dieſer Hölle brannte, Albano, der —
fährt immerfort in ſie; das iſt das neue Un¬
glück. Verſchmerz' ich nicht das Leben und den
Tod und die Wunden und Stacheln vorher und
bin gewiß nicht ſchwach? — Doch bin ich nicht
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[283/0295] Zorn und aus deſſen Liebe man den kleinern ſaugt? — Und nun vollends auf immer in die¬ ſe Peinlichkeit die heitern Verhältniſſe einge¬ ſchraubt, die uns ſonſt über die peinlichen em¬ porhalten ſollen — auf immer das lang ge¬ wünſchte Götter-Glück des Lebens in einen platten Schein und Kupferſtich verkehrt, — das Herz in eine Bruſt und Larve — das Mark des Daſeyns in ſpitze Knochen — Und doch bei al¬ len Vorwürfen der Kälte nur ans Schweigen gekettet, unſchuldig und ſtumm auf die Folter gebunden — und Das eben ohne Ende! — Nein, lieber den Wahnſinn her, den man aus dem Tempel der Liebe ſowohl wie der Eu¬ meniden holt! Lieber recht unglücklich-entbrannt, ohne Hoffnung, ohne Laut, bis zur Bleichheit und Wuth als ſo geliebt-nicht liebend! — Wer einmal in dieſer Hölle brannte, Albano, der — fährt immerfort in ſie; das iſt das neue Un¬ glück. Verſchmerz' ich nicht das Leben und den Tod und die Wunden und Stacheln vorher und bin gewiß nicht ſchwach? — Doch bin ich nicht im Stande, einer empfindſamen Rede — oder Klavierphantaſie — oder Vorleſung oder Vor¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/295>, abgerufen am 24.11.2024.