Das letzte oder siebente Kapitel seines Räu¬ berromans ist sehr kurz und widersprechend. Den dritten Tag besucht' er sie in ihrem Gar¬ ten, war zärtlich, vernünftig, nüchtern, zu¬ rückhaltend als wär' er ein Ehemann. Da er sie voll Kummer fand, den sie doch nur halb aussprach: so kam er aus Angst für ihre Ge¬ sundheit mehrmals wieder; und als diese nicht im Geringsten gelitten, blieb er -- weg. Ge¬ gen Albano war er während besagter Angst demüthig; und nach derselben wie sonst, aber nicht lange. Denn als seine Schwester, die er vielleicht unter allen Menschen am reinsten liebte, durch Albano's Wildheit erblindete: warf er, eben wegen der Ähnlichkeit der Schuld, auf diesen ei¬ nen wahren Haß und etwas Ähnliches auf alle des¬ sen Verwandte. Rabette bekam jetzt Nichts wei¬ ter von ihm als -- Briefe und Entschuldigun¬ gen, kurze Gemählde seiner wilden Natur, die freien Spiel-Raum haben müsse und die einer fremden angeheftet, diese bloß eben so sehr mit der Kette zerschlagen und drücken müsse als sich selber. Alle Einwürfe Rabettens wußt' er so gut zu heben, da sie nur in Worten, und
Das letzte oder ſiebente Kapitel ſeines Räu¬ berromans iſt ſehr kurz und widerſprechend. Den dritten Tag beſucht' er ſie in ihrem Gar¬ ten, war zärtlich, vernünftig, nüchtern, zu¬ rückhaltend als wär' er ein Ehemann. Da er ſie voll Kummer fand, den ſie doch nur halb ausſprach: ſo kam er aus Angſt für ihre Ge¬ ſundheit mehrmals wieder; und als dieſe nicht im Geringſten gelitten, blieb er — weg. Ge¬ gen Albano war er während beſagter Angſt demüthig; und nach derſelben wie ſonſt, aber nicht lange. Denn als ſeine Schweſter, die er vielleicht unter allen Menſchen am reinſten liebte, durch Albano's Wildheit erblindete: warf er, eben wegen der Ähnlichkeit der Schuld, auf dieſen ei¬ nen wahren Haß und etwas Ähnliches auf alle des¬ ſen Verwandte. Rabette bekam jetzt Nichts wei¬ ter von ihm als — Briefe und Entſchuldigun¬ gen, kurze Gemählde ſeiner wilden Natur, die freien Spiel-Raum haben müſſe und die einer fremden angeheftet, dieſe bloß eben ſo ſehr mit der Kette zerſchlagen und drücken müſſe als ſich ſelber. Alle Einwürfe Rabettens wußt' er ſo gut zu heben, da ſie nur in Worten, und
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Das letzte oder ſiebente Kapitel ſeines Räu¬
berromans iſt ſehr kurz und widerſprechend.
Den dritten Tag beſucht' er ſie in ihrem Gar¬
ten, war zärtlich, vernünftig, nüchtern, zu¬
rückhaltend als wär' er ein Ehemann. Da er
ſie voll Kummer fand, den ſie doch nur halb
ausſprach: ſo kam er aus Angſt für ihre Ge¬
ſundheit mehrmals wieder; und als dieſe nicht
im Geringſten gelitten, blieb er — weg. Ge¬
gen Albano war er während beſagter Angſt
demüthig; und nach derſelben wie ſonſt, aber
nicht lange. Denn als ſeine Schweſter, die er
vielleicht unter allen Menſchen am reinſten liebte,
durch Albano's Wildheit erblindete: warf er, eben
wegen der Ähnlichkeit der Schuld, auf dieſen ei¬
nen wahren Haß und etwas Ähnliches auf alle des¬
ſen Verwandte. Rabette bekam jetzt Nichts wei¬
ter von ihm als — Briefe und Entſchuldigun¬
gen, kurze Gemählde ſeiner wilden Natur, die
freien Spiel-Raum haben müſſe und die einer
fremden angeheftet, dieſe bloß eben ſo ſehr mit
der Kette zerſchlagen und drücken müſſe als
ſich ſelber. Alle Einwürfe Rabettens wußt' er
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/289>, abgerufen am 31.01.2025.
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