Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm keinen wärmern Blick und Anklang wie
jedem, aber auch keinen kältern; denn ihre
Seele wollte ja nicht quälen, sondern nur lei¬
den und gehorchen. Er machte -- glaubt' er
-- alle Blicke und Laute sanft; auch rächte sich
der edle Mensch durch keinen Schein der Kälte
oder gar einer untreuen Befreundung mit der
fürstlichen Kron- und Herzenswerberin.

Die Fürstin fieng an, ihm unverständlich
zu werden. Man kam vom Romantischen auf
Roman, dann auf die Frage, warum er die Ehe
nicht mahle; "weil er, (versetzte sie,) ohne den
"Amor nicht seyn kann." -- "Und die Ehe?" --
fragte unhöflich Albano. -- "Nicht ohne einen
"Freund; (sagte sie,) aber Amor ist ein Gott,
"nec deus intersit nisi dignus vindice nodus
"inciderit *) -- --" setzte sie dazu, weil sie La¬
tein der Dichter wegen gelernt hatte.

Bouverot sagte den Vers gar aus, um den
Sinn doppelsinnig zu machen:

*) Es braucht eben keinen Gott, wenn nicht ein
Knoten da liegt, der nicht anders zu lösen ist.

ihm keinen wärmern Blick und Anklang wie
jedem, aber auch keinen kältern; denn ihre
Seele wollte ja nicht quälen, ſondern nur lei¬
den und gehorchen. Er machte — glaubt' er
— alle Blicke und Laute ſanft; auch rächte ſich
der edle Menſch durch keinen Schein der Kälte
oder gar einer untreuen Befreundung mit der
fürſtlichen Kron- und Herzenswerberin.

Die Fürſtin fieng an, ihm unverſtändlich
zu werden. Man kam vom Romantiſchen auf
Roman, dann auf die Frage, warum er die Ehe
nicht mahle; „weil er, (verſetzte ſie,) ohne den
„Amor nicht ſeyn kann.“ — „Und die Ehe?“ —
fragte unhöflich Albano. — „Nicht ohne einen
„Freund; (ſagte ſie,) aber Amor iſt ein Gott,
nec deus intersit nisi dignus vindice nodus
inciderit *) — —“ ſetzte ſie dazu, weil ſie La¬
tein der Dichter wegen gelernt hatte.

Bouverot ſagte den Vers gar aus, um den
Sinn doppelſinnig zu machen:

*) Es braucht eben keinen Gott, wenn nicht ein
Knoten da liegt, der nicht anders zu löſen iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="173"/>
ihm keinen wärmern Blick und Anklang wie<lb/>
jedem, aber auch keinen kältern; denn ihre<lb/>
Seele wollte ja nicht quälen, &#x017F;ondern nur lei¬<lb/>
den und gehorchen. Er machte &#x2014; glaubt' er<lb/>
&#x2014; alle Blicke und Laute &#x017F;anft; auch rächte &#x017F;ich<lb/>
der edle Men&#x017F;ch durch keinen Schein der Kälte<lb/>
oder gar einer untreuen Befreundung mit der<lb/>
für&#x017F;tlichen Kron- und Herzenswerberin.</p><lb/>
          <p>Die Für&#x017F;tin fieng an, ihm unver&#x017F;tändlich<lb/>
zu werden. Man kam vom Romanti&#x017F;chen auf<lb/>
Roman, dann auf die Frage, warum er die Ehe<lb/>
nicht mahle; &#x201E;weil er, (ver&#x017F;etzte &#x017F;ie,) ohne den<lb/>
&#x201E;Amor nicht &#x017F;eyn kann.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Und die Ehe?&#x201C; &#x2014;<lb/>
fragte unhöflich Albano. &#x2014; &#x201E;Nicht ohne einen<lb/>
&#x201E;Freund; (&#x017F;agte &#x017F;ie,) aber Amor i&#x017F;t ein Gott,<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#aq">nec deus intersit nisi dignus vindice nodus</hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#aq">inciderit</hi> <note place="foot" n="*)">Es braucht eben keinen Gott, wenn nicht ein<lb/>
Knoten da liegt, der nicht anders zu lö&#x017F;en i&#x017F;t.<lb/></note> &#x2014; &#x2014;&#x201C; &#x017F;etzte &#x017F;ie dazu, weil &#x017F;ie La¬<lb/>
tein der Dichter wegen gelernt hatte.</p><lb/>
          <p>Bouverot &#x017F;agte den Vers gar aus, um den<lb/>
Sinn doppel&#x017F;innig zu machen:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0185] ihm keinen wärmern Blick und Anklang wie jedem, aber auch keinen kältern; denn ihre Seele wollte ja nicht quälen, ſondern nur lei¬ den und gehorchen. Er machte — glaubt' er — alle Blicke und Laute ſanft; auch rächte ſich der edle Menſch durch keinen Schein der Kälte oder gar einer untreuen Befreundung mit der fürſtlichen Kron- und Herzenswerberin. Die Fürſtin fieng an, ihm unverſtändlich zu werden. Man kam vom Romantiſchen auf Roman, dann auf die Frage, warum er die Ehe nicht mahle; „weil er, (verſetzte ſie,) ohne den „Amor nicht ſeyn kann.“ — „Und die Ehe?“ — fragte unhöflich Albano. — „Nicht ohne einen „Freund; (ſagte ſie,) aber Amor iſt ein Gott, „nec deus intersit nisi dignus vindice nodus „inciderit *) — —“ ſetzte ſie dazu, weil ſie La¬ tein der Dichter wegen gelernt hatte. Bouverot ſagte den Vers gar aus, um den Sinn doppelſinnig zu machen: *) Es braucht eben keinen Gott, wenn nicht ein Knoten da liegt, der nicht anders zu löſen iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/185
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/185>, abgerufen am 17.05.2024.