Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

Bild:
<< vorherige Seite

rascht, aber eben mit einem Ach. Liane gieng
zur Mutter und als sie an der Hand der Ge¬
fälligen ein kleines Schaudern fühlte, drang sie
in sie, aus der Nachtluft zu gehen und gab
nicht eher nach, als bis sie mit ihr die Zauber¬
stätte verließ.

Die Freunde blieben zurück. Nach Alba¬
no's Rechnung wär' es freilich nicht zu viel
gewesen, hätte man sich in dieser offenherzigen
Zeit, worin unsere heiligern vom gemeinen
Tage bedeckten Gedanken sich wie Steine of¬
fenbaren, bis gegen Morgen auf dem Dache
aufgehalten. Beide giengen eine Zeitlang
schweigend auf und ab. Endlich hielt sie der
Rauchaltar der fünf Blumen fest. Albano
faßte zufällig die nahe Statue mit beiden
Händen und sagte: "an hohen Orten will man
"gern etwas hinabstürzen -- sogar sich oft. --
"Und hinein in die Welt, in weite ferne Län¬
"der möcht' ich mich auch stürzen, so oft ich in
"das Nachtroth dort schaue -- und so oft ich
"unter Orangerie-Blüthen komme, wie unter
"diese. Bruder, wie ist Dir? -- Der Himmel
"und die Erde breiten sich so aus: warum soll

raſcht, aber eben mit einem Ach. Liane gieng
zur Mutter und als ſie an der Hand der Ge¬
fälligen ein kleines Schaudern fühlte, drang ſie
in ſie, aus der Nachtluft zu gehen und gab
nicht eher nach, als bis ſie mit ihr die Zauber¬
ſtätte verließ.

Die Freunde blieben zurück. Nach Alba¬
no's Rechnung wär' es freilich nicht zu viel
geweſen, hätte man ſich in dieſer offenherzigen
Zeit, worin unſere heiligern vom gemeinen
Tage bedeckten Gedanken ſich wie Steine of¬
fenbaren, bis gegen Morgen auf dem Dache
aufgehalten. Beide giengen eine Zeitlang
ſchweigend auf und ab. Endlich hielt ſie der
Rauchaltar der fünf Blumen feſt. Albano
faßte zufällig die nahe Statue mit beiden
Händen und ſagte: „an hohen Orten will man
„gern etwas hinabſtürzen — ſogar ſich oft. —
„Und hinein in die Welt, in weite ferne Län¬
„der möcht' ich mich auch ſtürzen, ſo oft ich in
„das Nachtroth dort ſchaue — und ſo oft ich
„unter Orangerie-Blüthen komme, wie unter
„dieſe. Bruder, wie iſt Dir? — Der Himmel
„und die Erde breiten ſich ſo aus: warum ſoll

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="59"/>
ra&#x017F;cht, aber eben mit einem Ach. Liane gieng<lb/>
zur Mutter und als &#x017F;ie an der Hand der Ge¬<lb/>
fälligen ein kleines Schaudern fühlte, drang &#x017F;ie<lb/>
in &#x017F;ie, aus der Nachtluft zu gehen und gab<lb/>
nicht eher nach, als bis &#x017F;ie mit ihr die Zauber¬<lb/>
&#x017F;tätte verließ.</p><lb/>
          <p>Die Freunde blieben zurück. Nach Alba¬<lb/>
no's Rechnung wär' es freilich nicht zu viel<lb/>
gewe&#x017F;en, hätte man &#x017F;ich in die&#x017F;er offenherzigen<lb/>
Zeit, worin un&#x017F;ere heiligern vom gemeinen<lb/>
Tage bedeckten Gedanken &#x017F;ich wie Steine of¬<lb/>
fenbaren, bis gegen Morgen auf dem Dache<lb/>
aufgehalten. Beide giengen eine Zeitlang<lb/>
&#x017F;chweigend auf und ab. Endlich hielt &#x017F;ie der<lb/>
Rauchaltar der fünf Blumen fe&#x017F;t. Albano<lb/>
faßte zufällig die nahe Statue mit beiden<lb/>
Händen und &#x017F;agte: &#x201E;an hohen Orten will man<lb/>
&#x201E;gern etwas hinab&#x017F;türzen &#x2014; &#x017F;ogar &#x017F;ich oft. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Und hinein in die Welt, in weite ferne Län¬<lb/>
&#x201E;der möcht' ich mich auch &#x017F;türzen, &#x017F;o oft ich in<lb/>
&#x201E;das Nachtroth dort &#x017F;chaue &#x2014; und &#x017F;o oft ich<lb/>
&#x201E;unter Orangerie-Blüthen komme, wie unter<lb/>
&#x201E;die&#x017F;e. Bruder, wie i&#x017F;t Dir? &#x2014; Der Himmel<lb/>
&#x201E;und die Erde breiten &#x017F;ich &#x017F;o aus: warum &#x017F;oll<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] raſcht, aber eben mit einem Ach. Liane gieng zur Mutter und als ſie an der Hand der Ge¬ fälligen ein kleines Schaudern fühlte, drang ſie in ſie, aus der Nachtluft zu gehen und gab nicht eher nach, als bis ſie mit ihr die Zauber¬ ſtätte verließ. Die Freunde blieben zurück. Nach Alba¬ no's Rechnung wär' es freilich nicht zu viel geweſen, hätte man ſich in dieſer offenherzigen Zeit, worin unſere heiligern vom gemeinen Tage bedeckten Gedanken ſich wie Steine of¬ fenbaren, bis gegen Morgen auf dem Dache aufgehalten. Beide giengen eine Zeitlang ſchweigend auf und ab. Endlich hielt ſie der Rauchaltar der fünf Blumen feſt. Albano faßte zufällig die nahe Statue mit beiden Händen und ſagte: „an hohen Orten will man „gern etwas hinabſtürzen — ſogar ſich oft. — „Und hinein in die Welt, in weite ferne Län¬ „der möcht' ich mich auch ſtürzen, ſo oft ich in „das Nachtroth dort ſchaue — und ſo oft ich „unter Orangerie-Blüthen komme, wie unter „dieſe. Bruder, wie iſt Dir? — Der Himmel „und die Erde breiten ſich ſo aus: warum ſoll

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/67
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/67>, abgerufen am 02.05.2024.