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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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lang (vom 14ten an gezählt) kann ich ihn ei¬
nem Mädchen geben; später wird es manirier¬
ter. Dreizehn und siebzehn Jahre zugleich ist
gewöhnlich ein solches holdes Wesen alt.

Warum warest Du so reizend-unbefangen,
zarte Liane, als weil Du wie die Bourignon
nicht einmal wußtest, was zu fliehen war und
weil Deine heilige Schuldlosigkeit noch das ver¬
dächtige Ausspähen der entlegensten Absichten,
das an die Erde gebückte Behorchen des kom¬
menden Feindes und alle kokette Manifeste
und Ausrüstungen ausschloß? -- Die Männer
waren Dir noch gebietende Väter und Brüder;
und darum erhobest Du zu ihnen noch nicht
stolz, sondern so freundlich das treue Au¬
genpaar! --

Und mit diesem gütigen Blick und mit ih¬
rem Lächeln -- dessen Fortdauer oft auf männ¬
lichen
Gesichtern, aber nicht auf jungfräu¬
lichen
die Titelvignette der Falschheit ist --
nahm sie unsern edeln Jüngling an, aber ihn
nicht allein.

Sie setzte sich an den Stickrahmen; und
die Mutter schiffte den Grafen bald in das

lang (vom 14ten an gezählt) kann ich ihn ei¬
nem Mädchen geben; ſpäter wird es manirier¬
ter. Dreizehn und ſiebzehn Jahre zugleich iſt
gewöhnlich ein ſolches holdes Weſen alt.

Warum wareſt Du ſo reizend-unbefangen,
zarte Liane, als weil Du wie die Bourignon
nicht einmal wußteſt, was zu fliehen war und
weil Deine heilige Schuldloſigkeit noch das ver¬
dächtige Ausſpähen der entlegenſten Abſichten,
das an die Erde gebückte Behorchen des kom¬
menden Feindes und alle kokette Manifeſte
und Ausrüſtungen ausſchloß? — Die Männer
waren Dir noch gebietende Väter und Brüder;
und darum erhobeſt Du zu ihnen noch nicht
ſtolz, ſondern ſo freundlich das treue Au¬
genpaar! —

Und mit dieſem gütigen Blick und mit ih¬
rem Lächeln — deſſen Fortdauer oft auf männ¬
lichen
Geſichtern, aber nicht auf jungfräu¬
lichen
die Titelvignette der Falſchheit iſt —
nahm ſie unſern edeln Jüngling an, aber ihn
nicht allein.

Sie ſetzte ſich an den Stickrahmen; und
die Mutter ſchiffte den Grafen bald in das

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[41/0049] lang (vom 14ten an gezählt) kann ich ihn ei¬ nem Mädchen geben; ſpäter wird es manirier¬ ter. Dreizehn und ſiebzehn Jahre zugleich iſt gewöhnlich ein ſolches holdes Weſen alt. Warum wareſt Du ſo reizend-unbefangen, zarte Liane, als weil Du wie die Bourignon nicht einmal wußteſt, was zu fliehen war und weil Deine heilige Schuldloſigkeit noch das ver¬ dächtige Ausſpähen der entlegenſten Abſichten, das an die Erde gebückte Behorchen des kom¬ menden Feindes und alle kokette Manifeſte und Ausrüſtungen ausſchloß? — Die Männer waren Dir noch gebietende Väter und Brüder; und darum erhobeſt Du zu ihnen noch nicht ſtolz, ſondern ſo freundlich das treue Au¬ genpaar! — Und mit dieſem gütigen Blick und mit ih¬ rem Lächeln — deſſen Fortdauer oft auf männ¬ lichen Geſichtern, aber nicht auf jungfräu¬ lichen die Titelvignette der Falſchheit iſt — nahm ſie unſern edeln Jüngling an, aber ihn nicht allein. Sie ſetzte ſich an den Stickrahmen; und die Mutter ſchiffte den Grafen bald in das

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/49>, abgerufen am 19.04.2024.