Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.die Eisgrube der künftigen Erinnerung. Die Unglücklich ist die weibliche Seele, die sich in die Eisgrube der künftigen Erinnerung. Die Unglücklich iſt die weibliche Seele, die ſich in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0018" n="10"/> die Eisgrube der künftigen Erinnerung. Die<lb/> unglückliche Liebe für Linda de Romeiro, die<lb/> ihn ſpäter vielleicht geſtählet hätte, öfnete ſo<lb/> früh alle Adern ſeines Herzens und badete es<lb/> warm im eignen Blute; er ſtürzte ſich in gute<lb/> und böſe Zerſtreuungen und Liebeshändel, und<lb/> ſtellte Hinterher alles auf dem Papier und<lb/> Theater wieder dar, was er bereuete oder ſeg¬<lb/> nete; und jede Darſtellung höhlte ihn tiefer<lb/> aus, wie der Sonne von ausgeworfenen Wel¬<lb/> ten die Gruben blieben. Sein Herz konnte die<lb/> heiligen Empfindungen nicht laſſen, aber ſie<lb/> waren eine neue Schwelgerei, höchſtens ein<lb/> Stärkungsmittel (ein <hi rendition="#aq">tonicum</hi>); und gerade<lb/> von ihrer Höhe lief der Weg zu den Sümpfen<lb/> der unheiligſten abſchüſſiger. Wie im dramati¬<lb/> ſchen Dichter engelreine und ſchmutzige Zuſtände<lb/> nebeneinander ſtehen und folgen, ſo in ſeinem<lb/> Leben; er fütterte wie in Curinam die Schweine<lb/> mit Ananas; gleich den ältern Giganten, hatt'<lb/> er hebende Flügel und kriechende Schlangenfüße.</p><lb/> <p>Unglücklich iſt die weibliche Seele, die ſich in<lb/> ein ſo großes mitten im Himmel aufgeſpanntes<lb/> Gewebe verfliegt; und glücklich iſt ſie, wenn ſie<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [10/0018]
die Eisgrube der künftigen Erinnerung. Die
unglückliche Liebe für Linda de Romeiro, die
ihn ſpäter vielleicht geſtählet hätte, öfnete ſo
früh alle Adern ſeines Herzens und badete es
warm im eignen Blute; er ſtürzte ſich in gute
und böſe Zerſtreuungen und Liebeshändel, und
ſtellte Hinterher alles auf dem Papier und
Theater wieder dar, was er bereuete oder ſeg¬
nete; und jede Darſtellung höhlte ihn tiefer
aus, wie der Sonne von ausgeworfenen Wel¬
ten die Gruben blieben. Sein Herz konnte die
heiligen Empfindungen nicht laſſen, aber ſie
waren eine neue Schwelgerei, höchſtens ein
Stärkungsmittel (ein tonicum); und gerade
von ihrer Höhe lief der Weg zu den Sümpfen
der unheiligſten abſchüſſiger. Wie im dramati¬
ſchen Dichter engelreine und ſchmutzige Zuſtände
nebeneinander ſtehen und folgen, ſo in ſeinem
Leben; er fütterte wie in Curinam die Schweine
mit Ananas; gleich den ältern Giganten, hatt'
er hebende Flügel und kriechende Schlangenfüße.
Unglücklich iſt die weibliche Seele, die ſich in
ein ſo großes mitten im Himmel aufgeſpanntes
Gewebe verfliegt; und glücklich iſt ſie, wenn ſie
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