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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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quemsten durchzusetzen. Die Gurt- Brust-
Schwanz- und Sattelriemen des höfischen, klein¬
städtischen und bürgerlichen Lebens hatte sein
Buzephalus längst abgesprengt; und wenn sich
der Graf jeden Tag über den Sprach-Lauf¬
zaum des Lektors ärgerte, der alles richtig
sagte, Kanaster statt Knaster, Juften statt
Juchten, funfzig statt fufzig, und barbieren,
(welches R ich selber für eine dumme Härte
halte): so war Roquairol ein Freidenker bis
zum renommistischen Freiredner, und sprach nach
seinem eignen Ausdruck, der zugleich das Bei¬
spiel war, "von der Leber und vom Maule
"weg". Dem Grafen klebte zu seinem Ver¬
druß eine gewisse epische von Büchern anerzo¬
gene Sprach-Würde an. Sie überdachten und
verwünschten oft mit einander das erbärmliche
Glazen-Leben, das man hätte, wenn man, wie
der Lector, als ein wohlgewachsener Staatsbür¬
ger von Extrakzion dahin lebte, Konduite und
einen saubern Anzug hätte, und hübsche nicht
unebene Kenntnisse von mehreren Fächern und
zur Erholung seinen Tischwein und Geschmack
an treflichen Maler- und andern Meistern, und

quemſten durchzuſetzen. Die Gurt- Bruſt-
Schwanz- und Sattelriemen des höfiſchen, klein¬
ſtädtiſchen und bürgerlichen Lebens hatte ſein
Buzephalus längſt abgeſprengt; und wenn ſich
der Graf jeden Tag über den Sprach-Lauf¬
zaum des Lektors ärgerte, der alles richtig
ſagte, Kanaſter ſtatt Knaſter, Juften ſtatt
Juchten, funfzig ſtatt fufzig, und barbieren,
(welches R ich ſelber für eine dumme Härte
halte): ſo war Roquairol ein Freidenker bis
zum renommiſtiſchen Freiredner, und ſprach nach
ſeinem eignen Ausdruck, der zugleich das Bei¬
ſpiel war, „von der Leber und vom Maule
„weg“. Dem Grafen klebte zu ſeinem Ver¬
druß eine gewiſſe epiſche von Büchern anerzo¬
gene Sprach-Würde an. Sie überdachten und
verwünſchten oft mit einander das erbärmliche
Glazen-Leben, das man hätte, wenn man, wie
der Lector, als ein wohlgewachſener Staatsbür¬
ger von Extrakzion dahin lebte, Konduite und
einen ſaubern Anzug hätte, und hübſche nicht
unebene Kenntniſſe von mehreren Fächern und
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[6/0014] quemſten durchzuſetzen. Die Gurt- Bruſt- Schwanz- und Sattelriemen des höfiſchen, klein¬ ſtädtiſchen und bürgerlichen Lebens hatte ſein Buzephalus längſt abgeſprengt; und wenn ſich der Graf jeden Tag über den Sprach-Lauf¬ zaum des Lektors ärgerte, der alles richtig ſagte, Kanaſter ſtatt Knaſter, Juften ſtatt Juchten, funfzig ſtatt fufzig, und barbieren, (welches R ich ſelber für eine dumme Härte halte): ſo war Roquairol ein Freidenker bis zum renommiſtiſchen Freiredner, und ſprach nach ſeinem eignen Ausdruck, der zugleich das Bei¬ ſpiel war, „von der Leber und vom Maule „weg“. Dem Grafen klebte zu ſeinem Ver¬ druß eine gewiſſe epiſche von Büchern anerzo¬ gene Sprach-Würde an. Sie überdachten und verwünſchten oft mit einander das erbärmliche Glazen-Leben, das man hätte, wenn man, wie der Lector, als ein wohlgewachſener Staatsbür¬ ger von Extrakzion dahin lebte, Konduite und einen ſaubern Anzug hätte, und hübſche nicht unebene Kenntniſſe von mehreren Fächern und zur Erholung ſeinen Tiſchwein und Geſchmack an treflichen Maler- und andern Meiſtern, und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/14>, abgerufen am 28.03.2024.