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Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801.

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ströme durchrauschten. Er glühte gleich den
Wolken, von seiner Sonne nach -- seine in¬
nern Flügel waren wie die des Strausses, voll
Stacheln und verwundeten ihn im Erheben --
-- der romantische Geistertag, der Brief des
Vaters, Lianens Auge voll Thränen, seine
Kühnheit und seine Wonne und Reue darüber
und jetzt die erhabne Nacht- Welt auf allen
Seiten um ihn her, zogen erschütternd im jun¬
gen Herzen hin und her -- er berührte mit der
Feuer-Wange die beregneten Gipfel und kühlte
sich nicht, und war dem tönenden fliegenden
Herzen, der Nachtigal, nahe und hörte sie kaum.
-- -- Wie eine Sonne geht das Herz durch die
blassen Gedanken und löschet auf der Bahn ein
Sternbild nach dem andern aus. -- -- Auf
der Erde und an dem Himmel, in der Ver¬
gangenheit und in der Zukunft stand vor Al¬
ban nur eine Gestalt; "Liane" sagte sein Herz,
"Liane" sagte die ganze Natur.

Er gieng die Brücke hinab und stieg die
westlichen Triumphbogen hinauf, das däm¬
mernde Lilar ruhte vor ihm. -- Siehe da sah
er den alten "frommen Vater" auf dem Gelän¬

ſtröme durchrauſchten. Er glühte gleich den
Wolken, von ſeiner Sonne nach — ſeine in¬
nern Flügel waren wie die des Strauſſes, voll
Stacheln und verwundeten ihn im Erheben —
— der romantiſche Geiſtertag, der Brief des
Vaters, Lianens Auge voll Thränen, ſeine
Kühnheit und ſeine Wonne und Reue darüber
und jetzt die erhabne Nacht- Welt auf allen
Seiten um ihn her, zogen erſchütternd im jun¬
gen Herzen hin und her — er berührte mit der
Feuer-Wange die beregneten Gipfel und kühlte
ſich nicht, und war dem tönenden fliegenden
Herzen, der Nachtigal, nahe und hörte ſie kaum.
— — Wie eine Sonne geht das Herz durch die
blaſſen Gedanken und löſchet auf der Bahn ein
Sternbild nach dem andern aus. — — Auf
der Erde und an dem Himmel, in der Ver¬
gangenheit und in der Zukunft ſtand vor Al¬
ban nur eine Geſtalt; „Liane“ ſagte ſein Herz,
„Liane“ ſagte die ganze Natur.

Er gieng die Brücke hinab und ſtieg die
weſtlichen Triumphbogen hinauf, das däm¬
mernde Lilar ruhte vor ihm. — Siehe da ſah
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[110/0118] ſtröme durchrauſchten. Er glühte gleich den Wolken, von ſeiner Sonne nach — ſeine in¬ nern Flügel waren wie die des Strauſſes, voll Stacheln und verwundeten ihn im Erheben — — der romantiſche Geiſtertag, der Brief des Vaters, Lianens Auge voll Thränen, ſeine Kühnheit und ſeine Wonne und Reue darüber und jetzt die erhabne Nacht- Welt auf allen Seiten um ihn her, zogen erſchütternd im jun¬ gen Herzen hin und her — er berührte mit der Feuer-Wange die beregneten Gipfel und kühlte ſich nicht, und war dem tönenden fliegenden Herzen, der Nachtigal, nahe und hörte ſie kaum. — — Wie eine Sonne geht das Herz durch die blaſſen Gedanken und löſchet auf der Bahn ein Sternbild nach dem andern aus. — — Auf der Erde und an dem Himmel, in der Ver¬ gangenheit und in der Zukunft ſtand vor Al¬ ban nur eine Geſtalt; „Liane“ ſagte ſein Herz, „Liane“ ſagte die ganze Natur. Er gieng die Brücke hinab und ſtieg die weſtlichen Triumphbogen hinauf, das däm¬ mernde Lilar ruhte vor ihm. — Siehe da ſah er den alten „frommen Vater“ auf dem Gelän¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 2. Berlin, 1801, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan02_1801/118>, abgerufen am 06.05.2024.