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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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hier als er den heiligen unsterblichen Himmel
und die reichen Sterne im Norden wieder
schimmern sah, die nie auf und untergehen,
den Pol-Stern, und Friedrichs Ehre, die Bä¬
ren und den Drachen und den Wagen und
Kassiopeja, die ihn mild wie mit den hellen
winkenden Augen ewiger Geister anblickten:
da fragte der Geist sich selber, "wer kann mich
"ergreifen, ich bin ein Geist unter Geistern;"
und der Muth der Unsterblichkeit schlug wieder
in der warmen Brust. -- --

Aber welcher sonderbare Garten! Große
und kleine blumenlose Beete voll Rosmarin,
Raute und Taxus zerstückten ihn -- ein Kreis
von Trauerbirken umgab wie ein Leichenge¬
folge gesenkt den stummen Platz -- unter dem
Garten murmelte der begrabne Bach -- und
in der Mitte stand ein weißer Altar, neben wel¬
chem ein Mensch lag.

Albano wurde gestärkt durch die gemeine
Kleidung und durch den Handwerksbündel,
worauf der Schläfer ausruhte; er trat ganz
dicht an ihn, und las die goldne Inschrift des
Altars: "nimm mein letztes Opfer, Allgüti¬

hier als er den heiligen unſterblichen Himmel
und die reichen Sterne im Norden wieder
ſchimmern ſah, die nie auf und untergehen,
den Pol-Stern, und Friedrichs Ehre, die Bä¬
ren und den Drachen und den Wagen und
Kaſſiopeja, die ihn mild wie mit den hellen
winkenden Augen ewiger Geiſter anblickten:
da fragte der Geiſt ſich ſelber, „wer kann mich
„ergreifen, ich bin ein Geiſt unter Geiſtern;“
und der Muth der Unſterblichkeit ſchlug wieder
in der warmen Bruſt. — —

Aber welcher ſonderbare Garten! Große
und kleine blumenloſe Beete voll Rosmarin,
Raute und Taxus zerſtückten ihn — ein Kreis
von Trauerbirken umgab wie ein Leichenge¬
folge geſenkt den ſtummen Platz — unter dem
Garten murmelte der begrabne Bach — und
in der Mitte ſtand ein weißer Altar, neben wel¬
chem ein Menſch lag.

Albano wurde geſtärkt durch die gemeine
Kleidung und durch den Handwerksbündel,
worauf der Schläfer ausruhte; er trat ganz
dicht an ihn, und las die goldne Inſchrift des
Altars: „nimm mein letztes Opfer, Allgüti¬

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[502/0522] hier als er den heiligen unſterblichen Himmel und die reichen Sterne im Norden wieder ſchimmern ſah, die nie auf und untergehen, den Pol-Stern, und Friedrichs Ehre, die Bä¬ ren und den Drachen und den Wagen und Kaſſiopeja, die ihn mild wie mit den hellen winkenden Augen ewiger Geiſter anblickten: da fragte der Geiſt ſich ſelber, „wer kann mich „ergreifen, ich bin ein Geiſt unter Geiſtern;“ und der Muth der Unſterblichkeit ſchlug wieder in der warmen Bruſt. — — Aber welcher ſonderbare Garten! Große und kleine blumenloſe Beete voll Rosmarin, Raute und Taxus zerſtückten ihn — ein Kreis von Trauerbirken umgab wie ein Leichenge¬ folge geſenkt den ſtummen Platz — unter dem Garten murmelte der begrabne Bach — und in der Mitte ſtand ein weißer Altar, neben wel¬ chem ein Menſch lag. Albano wurde geſtärkt durch die gemeine Kleidung und durch den Handwerksbündel, worauf der Schläfer ausruhte; er trat ganz dicht an ihn, und las die goldne Inſchrift des Altars: „nimm mein letztes Opfer, Allgüti¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/522>, abgerufen am 30.04.2024.