Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

spürte -- von der Kürze des Himmelsweges,
der wenigstens so lang hätte seyn sollen als
die Friedrichs-Straße? -- Wahrhaftig er sel¬
ber sagte nichts -- er dachte bloß ans abscheu¬
liche Inhibitorial-Zimmer, wo ihre Scheidung
vorfallen mußte -- er zitterte unter dem Su¬
chen eines Lauts. "Sie haben wohl (sagte
"Liane leicht und offen, die gern die befreun¬
"dete Stimme, zumal nach der warmen
"Rede hörte) unser Lilar schon besucht?" --
"Wahrhaftig nicht, aber Sie?" sagt' er zu
verwirrt. "Ich und meine Mutter wohnten
"gern in jedem Frühlinge da." --

Nun waren sie im Scheide-Zimmer. Lei¬
der stand er so mit ihr, die nichts sah, einige
Sekunden fest und sah geradeaus willens, et¬
was zu sagen, bis die Mutter ihn aufweckte,
die für ihre, von dem ganzen Abend so ge¬
nährte Liebe eifrig eine abgetrennte Stunde
am Tochterherzen suchte. -- Und so war alles
vorbei; denn beide schwanden wie Erscheinun¬
gen weg.

Aber Alban war wie ein Mensch, den ein
herrlicher Traum verlässet und der den ganzen

ſpürte — von der Kürze des Himmelsweges,
der wenigſtens ſo lang hätte ſeyn ſollen als
die Friedrichs-Straße? — Wahrhaftig er ſel¬
ber ſagte nichts — er dachte bloß ans abſcheu¬
liche Inhibitorial-Zimmer, wo ihre Scheidung
vorfallen mußte — er zitterte unter dem Su¬
chen eines Lauts. „Sie haben wohl (ſagte
„Liane leicht und offen, die gern die befreun¬
„dete Stimme, zumal nach der warmen
„Rede hörte) unſer Lilar ſchon beſucht?“ —
„Wahrhaftig nicht, aber Sie?“ ſagt’ er zu
verwirrt. „Ich und meine Mutter wohnten
„gern in jedem Frühlinge da.“ —

Nun waren ſie im Scheide-Zimmer. Lei¬
der ſtand er ſo mit ihr, die nichts ſah, einige
Sekunden feſt und ſah geradeaus willens, et¬
was zu ſagen, bis die Mutter ihn aufweckte,
die für ihre, von dem ganzen Abend ſo ge¬
nährte Liebe eifrig eine abgetrennte Stunde
am Tochterherzen ſuchte. — Und ſo war alles
vorbei; denn beide ſchwanden wie Erſcheinun¬
gen weg.

Aber Alban war wie ein Menſch, den ein
herrlicher Traum verläſſet und der den ganzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0413" n="393"/>
&#x017F;pürte &#x2014; von der Kürze des Himmelsweges,<lb/>
der wenig&#x017F;tens &#x017F;o lang hätte &#x017F;eyn &#x017F;ollen als<lb/>
die Friedrichs-Straße? &#x2014; Wahrhaftig er &#x017F;el¬<lb/>
ber &#x017F;agte nichts &#x2014; er dachte bloß ans ab&#x017F;cheu¬<lb/>
liche Inhibitorial-Zimmer, wo ihre Scheidung<lb/>
vorfallen mußte &#x2014; er zitterte unter dem Su¬<lb/>
chen eines Lauts. &#x201E;Sie haben wohl (&#x017F;agte<lb/>
&#x201E;Liane leicht und offen, die gern die befreun¬<lb/>
&#x201E;dete Stimme, zumal nach der warmen<lb/>
&#x201E;Rede hörte) un&#x017F;er Lilar &#x017F;chon be&#x017F;ucht?&#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x201E;Wahrhaftig nicht, aber Sie?&#x201C; &#x017F;agt&#x2019; er zu<lb/>
verwirrt. &#x201E;Ich und meine Mutter wohnten<lb/>
&#x201E;gern in jedem Frühlinge da.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nun waren &#x017F;ie im Scheide-Zimmer. Lei¬<lb/>
der &#x017F;tand er &#x017F;o mit ihr, die nichts &#x017F;ah, einige<lb/>
Sekunden fe&#x017F;t und &#x017F;ah geradeaus willens, et¬<lb/>
was zu &#x017F;agen, bis die Mutter ihn aufweckte,<lb/>
die für ihre, von dem ganzen Abend &#x017F;o ge¬<lb/>
nährte Liebe eifrig eine abgetrennte Stunde<lb/>
am Tochterherzen &#x017F;uchte. &#x2014; Und &#x017F;o war alles<lb/>
vorbei; denn beide &#x017F;chwanden wie Er&#x017F;cheinun¬<lb/>
gen weg.</p><lb/>
          <p>Aber Alban war wie ein Men&#x017F;ch, den ein<lb/>
herrlicher Traum verlä&#x017F;&#x017F;et und der den ganzen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[393/0413] ſpürte — von der Kürze des Himmelsweges, der wenigſtens ſo lang hätte ſeyn ſollen als die Friedrichs-Straße? — Wahrhaftig er ſel¬ ber ſagte nichts — er dachte bloß ans abſcheu¬ liche Inhibitorial-Zimmer, wo ihre Scheidung vorfallen mußte — er zitterte unter dem Su¬ chen eines Lauts. „Sie haben wohl (ſagte „Liane leicht und offen, die gern die befreun¬ „dete Stimme, zumal nach der warmen „Rede hörte) unſer Lilar ſchon beſucht?“ — „Wahrhaftig nicht, aber Sie?“ ſagt’ er zu verwirrt. „Ich und meine Mutter wohnten „gern in jedem Frühlinge da.“ — Nun waren ſie im Scheide-Zimmer. Lei¬ der ſtand er ſo mit ihr, die nichts ſah, einige Sekunden feſt und ſah geradeaus willens, et¬ was zu ſagen, bis die Mutter ihn aufweckte, die für ihre, von dem ganzen Abend ſo ge¬ nährte Liebe eifrig eine abgetrennte Stunde am Tochterherzen ſuchte. — Und ſo war alles vorbei; denn beide ſchwanden wie Erſcheinun¬ gen weg. Aber Alban war wie ein Menſch, den ein herrlicher Traum verläſſet und der den ganzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/413
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/413>, abgerufen am 25.11.2024.