Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

nachgiebiger seyn. Ob er also gleich merkte,
daß die Ministerinn dabei an die muskulöse
aber auch hartgreifende Hand ihres wilden
Sohnes mit schmerzlichen Erfahrungen denke;
-- oder vielmehr, eben weil ers merkte und
weil er für diesen künftigen Freund gern der
Waffenschmidt und Waffenträger werden woll¬
te --: so blieb er dabei, warf alles Brechzeug
des jungen männlichen Willens aus den Schul¬
stuben auf die Gasse, und sagte in seiner ab¬
stechenden Sprache: "die Gothen schickten ihre
"Knaben lieber in keine Schule, damit sie Lö¬
"wen blieben. Wenn man auch Mädchen
"einen Tag vor dem Pflanzen in die bürger¬
"liche Welt in Milch einweichen muß: so soll
"man doch Knaben wie Aprikosen mit der stei¬
"nernen Schaale in die Erde stecken, weil sie
"den Stein durch ihr Wurzeln und Wachsen
"schon abwerfen und verlassen." -- Der Lek¬
tor mit seiner feinen Offenheit -- ein krystalle¬
nes Gefäß mit goldnem Schnitt -- bemerkte
mit leiser Rüge von Albans Heftigkeit: wenig¬
stens habe selber die Art, womit beide ihre
Beweise geführt, zu den Beweisen gehört;

nachgiebiger ſeyn. Ob er alſo gleich merkte,
daß die Miniſterinn dabei an die muſkulöſe
aber auch hartgreifende Hand ihres wilden
Sohnes mit ſchmerzlichen Erfahrungen denke;
— oder vielmehr, eben weil ers merkte und
weil er für dieſen künftigen Freund gern der
Waffenſchmidt und Waffenträger werden woll¬
te —: ſo blieb er dabei, warf alles Brechzeug
des jungen männlichen Willens aus den Schul¬
ſtuben auf die Gaſſe, und ſagte in ſeiner ab¬
ſtechenden Sprache: „die Gothen ſchickten ihre
„Knaben lieber in keine Schule, damit ſie Lö¬
„wen blieben. Wenn man auch Mädchen
„einen Tag vor dem Pflanzen in die bürger¬
„liche Welt in Milch einweichen muß: ſo ſoll
„man doch Knaben wie Aprikoſen mit der ſtei¬
„nernen Schaale in die Erde ſtecken, weil ſie
„den Stein durch ihr Wurzeln und Wachſen
„ſchon abwerfen und verlaſſen.“ — Der Lek¬
tor mit ſeiner feinen Offenheit — ein kryſtalle¬
nes Gefäß mit goldnem Schnitt — bemerkte
mit leiſer Rüge von Albans Heftigkeit: wenig¬
ſtens habe ſelber die Art, womit beide ihre
Beweiſe geführt, zu den Beweiſen gehört;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0363" n="343"/>
nachgiebiger &#x017F;eyn. Ob er al&#x017F;o gleich merkte,<lb/>
daß die Mini&#x017F;terinn dabei an die mu&#x017F;kulö&#x017F;e<lb/>
aber auch hartgreifende Hand ihres wilden<lb/>
Sohnes mit &#x017F;chmerzlichen Erfahrungen denke;<lb/>
&#x2014; oder vielmehr, eben weil ers merkte und<lb/>
weil er für die&#x017F;en künftigen Freund gern der<lb/>
Waffen&#x017F;chmidt und Waffenträger werden woll¬<lb/>
te &#x2014;: &#x017F;o blieb er dabei, warf alles Brechzeug<lb/>
des jungen männlichen Willens aus den Schul¬<lb/>
&#x017F;tuben auf die Ga&#x017F;&#x017F;e, und &#x017F;agte in &#x017F;einer ab¬<lb/>
&#x017F;techenden Sprache: &#x201E;die Gothen &#x017F;chickten ihre<lb/>
&#x201E;Knaben lieber in keine Schule, damit &#x017F;ie Lö¬<lb/>
&#x201E;wen blieben. Wenn man auch Mädchen<lb/>
&#x201E;einen Tag vor dem Pflanzen in die bürger¬<lb/>
&#x201E;liche Welt in Milch einweichen muß: &#x017F;o &#x017F;oll<lb/>
&#x201E;man doch Knaben wie Apriko&#x017F;en mit der &#x017F;tei¬<lb/>
&#x201E;nernen Schaale in die Erde &#x017F;tecken, weil &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;den Stein durch ihr Wurzeln und Wach&#x017F;en<lb/>
&#x201E;&#x017F;chon abwerfen und verla&#x017F;&#x017F;en.&#x201C; &#x2014; Der Lek¬<lb/>
tor mit &#x017F;einer feinen Offenheit &#x2014; ein kry&#x017F;talle¬<lb/>
nes Gefäß mit goldnem Schnitt &#x2014; bemerkte<lb/>
mit lei&#x017F;er Rüge von Albans Heftigkeit: wenig¬<lb/>
&#x017F;tens habe &#x017F;elber die Art, womit beide ihre<lb/>
Bewei&#x017F;e geführt, zu den Bewei&#x017F;en gehört;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0363] nachgiebiger ſeyn. Ob er alſo gleich merkte, daß die Miniſterinn dabei an die muſkulöſe aber auch hartgreifende Hand ihres wilden Sohnes mit ſchmerzlichen Erfahrungen denke; — oder vielmehr, eben weil ers merkte und weil er für dieſen künftigen Freund gern der Waffenſchmidt und Waffenträger werden woll¬ te —: ſo blieb er dabei, warf alles Brechzeug des jungen männlichen Willens aus den Schul¬ ſtuben auf die Gaſſe, und ſagte in ſeiner ab¬ ſtechenden Sprache: „die Gothen ſchickten ihre „Knaben lieber in keine Schule, damit ſie Lö¬ „wen blieben. Wenn man auch Mädchen „einen Tag vor dem Pflanzen in die bürger¬ „liche Welt in Milch einweichen muß: ſo ſoll „man doch Knaben wie Aprikoſen mit der ſtei¬ „nernen Schaale in die Erde ſtecken, weil ſie „den Stein durch ihr Wurzeln und Wachſen „ſchon abwerfen und verlaſſen.“ — Der Lek¬ tor mit ſeiner feinen Offenheit — ein kryſtalle¬ nes Gefäß mit goldnem Schnitt — bemerkte mit leiſer Rüge von Albans Heftigkeit: wenig¬ ſtens habe ſelber die Art, womit beide ihre Beweiſe geführt, zu den Beweiſen gehört;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/363
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/363>, abgerufen am 05.05.2024.