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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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ben war, doch nicht sonderlich einleuchten wollte,
wie von der nerven-weichen Liane ein Mann
der Vater und Führer seyn könne, bei welchem
die Eisentheile, deren der Mensch mehrere im
Blute trägt, als irgend ein Thier, sich nicht
wie bei Göze, auf die Hand geworfen hatten,
sondern auf die Stirn und das Herz.

Ich gehe über das einzige Glied in der
Gesellschaft, das Albanen unausstehlich war,
nur flüchtig weg, über den Kunstrath Fraisch¬
dörfer, der sein Gesicht wie die Drapperie der
Alten, in einfache edle große Falten geworfen
hatte. Vor vielen Jahren wollt' er nämlich
unsern verschämten kleinen Helden bis auf die
Herzgrube zum Sitzen haben, um dessen Ge¬
sicht und breite hohe, aus der Hemdkrause
glänzende Platosbrust ich weiß nicht ob nach¬
zupinseln oder nachzubossiren. Allein das ver¬
schämte Kind schlug mit Händen und Füßen
um sich und es war ihm nichts nachzumünzen
alo das nackte Gesicht ohne das Postement,
den Thorax. -- Hingegen vor mir, liebe Aka¬
demie, mußt du nun Jahre lang wie ein Sty¬
lit auf dem Modell-Stative aushalten und mei¬

ben war, doch nicht ſonderlich einleuchten wollte,
wie von der nerven-weichen Liane ein Mann
der Vater und Führer ſeyn könne, bei welchem
die Eiſentheile, deren der Menſch mehrere im
Blute trägt, als irgend ein Thier, ſich nicht
wie bei Göze, auf die Hand geworfen hatten,
ſondern auf die Stirn und das Herz.

Ich gehe über das einzige Glied in der
Geſellſchaft, das Albanen unausſtehlich war,
nur flüchtig weg, über den Kunſtrath Fraiſch¬
dörfer, der ſein Geſicht wie die Drapperie der
Alten, in einfache edle große Falten geworfen
hatte. Vor vielen Jahren wollt' er nämlich
unſern verſchämten kleinen Helden bis auf die
Herzgrube zum Sitzen haben, um deſſen Ge¬
ſicht und breite hohe, aus der Hemdkrauſe
glänzende Platosbruſt ich weiß nicht ob nach¬
zupinſeln oder nachzuboſſiren. Allein das ver¬
ſchämte Kind ſchlug mit Händen und Füßen
um ſich und es war ihm nichts nachzumünzen
alo das nackte Geſicht ohne das Poſtement,
den Thorax. — Hingegen vor mir, liebe Aka¬
demie, mußt du nun Jahre lang wie ein Sty¬
lit auf dem Modell-Stative aushalten und mei¬

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[246/0266] ben war, doch nicht ſonderlich einleuchten wollte, wie von der nerven-weichen Liane ein Mann der Vater und Führer ſeyn könne, bei welchem die Eiſentheile, deren der Menſch mehrere im Blute trägt, als irgend ein Thier, ſich nicht wie bei Göze, auf die Hand geworfen hatten, ſondern auf die Stirn und das Herz. Ich gehe über das einzige Glied in der Geſellſchaft, das Albanen unausſtehlich war, nur flüchtig weg, über den Kunſtrath Fraiſch¬ dörfer, der ſein Geſicht wie die Drapperie der Alten, in einfache edle große Falten geworfen hatte. Vor vielen Jahren wollt' er nämlich unſern verſchämten kleinen Helden bis auf die Herzgrube zum Sitzen haben, um deſſen Ge¬ ſicht und breite hohe, aus der Hemdkrauſe glänzende Platosbruſt ich weiß nicht ob nach¬ zupinſeln oder nachzuboſſiren. Allein das ver¬ ſchämte Kind ſchlug mit Händen und Füßen um ſich und es war ihm nichts nachzumünzen alo das nackte Geſicht ohne das Poſtement, den Thorax. — Hingegen vor mir, liebe Aka¬ demie, mußt du nun Jahre lang wie ein Sty¬ lit auf dem Modell-Stative aushalten und mei¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/266>, abgerufen am 22.11.2024.