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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Blume eines mildern Klimas abhob -- noch
weniger hätt' ich wie er malen können, daß
sie dadurch ein zartes nur aus Pastelstaub zusam¬
mengelegtes Gebilde geworden, das die Wind¬
stöße des Schicksals und die Passatwinde des
Climas fast zerblasen können -- und daß sie
sich wirklich nur mit Seifenspiritus waschen
könne und nur mit den weichsten Linnen ohne
Schmerzen trocknen und nicht drei Stachelbee¬
ren ohne blutende Finger abnehmen.

-- Der flache Wiener, der vor keinem auf
einer Bergkuppe stehenden Manne von Stande
unten im Sumpfe den Huth abziehen konnte,
ohne leise dabei zu sagen: Ihr ganz unterthä¬
nigster! und der von vornehmen Leuten höch¬
stens nur im vertrauten oder satirischen Tone
(seine Konnexion zu zeigen) aber nie im ernst¬
haft-kritischen sprach, war freilich -- was doch
seine Pflicht war -- nicht im Stande, den al¬
ten Froulay einen festen scharfen Leichenstein
zu heißen, unter welchem zwei so weiche Blu¬
men wie seine Frau mit dem ihr angeschlunge¬
nen Epheu, mit Lianen, sich gebogen und ge¬
drückt ans Licht aufwinden. H. v. Hafenreffer

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Blume eines mildern Klimas abhob — noch
weniger hätt' ich wie er malen können, daß
ſie dadurch ein zartes nur aus Paſtelſtaub zuſam¬
mengelegtes Gebilde geworden, das die Wind¬
ſtöße des Schickſals und die Paſſatwinde des
Climas faſt zerblaſen können — und daß ſie
ſich wirklich nur mit Seifenſpiritus waſchen
könne und nur mit den weichſten Linnen ohne
Schmerzen trocknen und nicht drei Stachelbee¬
ren ohne blutende Finger abnehmen.

— Der flache Wiener, der vor keinem auf
einer Bergkuppe ſtehenden Manne von Stande
unten im Sumpfe den Huth abziehen konnte,
ohne leiſe dabei zu ſagen: Ihr ganz unterthä¬
nigſter! und der von vornehmen Leuten höch¬
ſtens nur im vertrauten oder ſatiriſchen Tone
(ſeine Konnexion zu zeigen) aber nie im ernſt¬
haft-kritiſchen ſprach, war freilich — was doch
ſeine Pflicht war — nicht im Stande, den al¬
ten Froulay einen feſten ſcharfen Leichenſtein
zu heißen, unter welchem zwei ſo weiche Blu¬
men wie ſeine Frau mit dem ihr angeſchlunge¬
nen Epheu, mit Lianen, ſich gebogen und ge¬
drückt ans Licht aufwinden. H. v. Hafenreffer

O 2
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[211/0231] Blume eines mildern Klimas abhob — noch weniger hätt' ich wie er malen können, daß ſie dadurch ein zartes nur aus Paſtelſtaub zuſam¬ mengelegtes Gebilde geworden, das die Wind¬ ſtöße des Schickſals und die Paſſatwinde des Climas faſt zerblaſen können — und daß ſie ſich wirklich nur mit Seifenſpiritus waſchen könne und nur mit den weichſten Linnen ohne Schmerzen trocknen und nicht drei Stachelbee¬ ren ohne blutende Finger abnehmen. — Der flache Wiener, der vor keinem auf einer Bergkuppe ſtehenden Manne von Stande unten im Sumpfe den Huth abziehen konnte, ohne leiſe dabei zu ſagen: Ihr ganz unterthä¬ nigſter! und der von vornehmen Leuten höch¬ ſtens nur im vertrauten oder ſatiriſchen Tone (ſeine Konnexion zu zeigen) aber nie im ernſt¬ haft-kritiſchen ſprach, war freilich — was doch ſeine Pflicht war — nicht im Stande, den al¬ ten Froulay einen feſten ſcharfen Leichenſtein zu heißen, unter welchem zwei ſo weiche Blu¬ men wie ſeine Frau mit dem ihr angeſchlunge¬ nen Epheu, mit Lianen, ſich gebogen und ge¬ drückt ans Licht aufwinden. H. v. Hafenreffer O 2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/231>, abgerufen am 27.11.2024.