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Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800.

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Sonnenweg, aber leise, vor den Fontainen
vorüber. Als er vor ihr vorbeigieng, brach
auf einmal die Arkade aus Tropfen, die sie
halb vergittert hatte, zusammen, und Liane
stand wolkenlos wie eine reine Luna ohne Ne¬
bel-Hof im tiefen Himmelsblau; eine glänzende
Lilie*) aus der zweiten Welt, die sich selber
das Zeichen ist, daß sie bald in diese fliehe. --
-- O sein Herz voll Tugend empfand erschüt¬
tert die Nähe der fremden; und mit allen Zei¬
chen der tiefsten Verehrung gieng er vor dem
ruhigen Wesen vorüber, das sie nicht bemer¬
ken konnte.

Erst als ihm mit jedem Schritte ein Him¬
mel entfallen war und er endlich keinen mehr
hatte als den über sich: wurd' er ganz sanft
und freuete sich, daß er nicht kühner gewesen.
-- Wie glänzt ihm jetzt die Erde, wie nähert
sich ihm der Sonnenhimmel, wie liebt sein Herz!

*) Sonst glaubte man, daß eine im Chorstuhle
liegende Lilie den Tod dessen bedeute, dem er
gehörte.

Sonnenweg, aber leiſe, vor den Fontainen
vorüber. Als er vor ihr vorbeigieng, brach
auf einmal die Arkade aus Tropfen, die ſie
halb vergittert hatte, zuſammen, und Liane
ſtand wolkenlos wie eine reine Luna ohne Ne¬
bel-Hof im tiefen Himmelsblau; eine glänzende
Lilie*) aus der zweiten Welt, die ſich ſelber
das Zeichen iſt, daß ſie bald in dieſe fliehe. —
— O ſein Herz voll Tugend empfand erſchüt¬
tert die Nähe der fremden; und mit allen Zei¬
chen der tiefſten Verehrung gieng er vor dem
ruhigen Weſen vorüber, das ſie nicht bemer¬
ken konnte.

Erſt als ihm mit jedem Schritte ein Him¬
mel entfallen war und er endlich keinen mehr
hatte als den über ſich: wurd' er ganz ſanft
und freuete ſich, daß er nicht kühner geweſen.
— Wie glänzt ihm jetzt die Erde, wie nähert
ſich ihm der Sonnenhimmel, wie liebt ſein Herz!

*) Sonſt glaubte man, daß eine im Chorſtuhle
liegende Lilie den Tod deſſen bedeute, dem er
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[356/0376] Sonnenweg, aber leiſe, vor den Fontainen vorüber. Als er vor ihr vorbeigieng, brach auf einmal die Arkade aus Tropfen, die ſie halb vergittert hatte, zuſammen, und Liane ſtand wolkenlos wie eine reine Luna ohne Ne¬ bel-Hof im tiefen Himmelsblau; eine glänzende Lilie *) aus der zweiten Welt, die ſich ſelber das Zeichen iſt, daß ſie bald in dieſe fliehe. — — O ſein Herz voll Tugend empfand erſchüt¬ tert die Nähe der fremden; und mit allen Zei¬ chen der tiefſten Verehrung gieng er vor dem ruhigen Weſen vorüber, das ſie nicht bemer¬ ken konnte. Erſt als ihm mit jedem Schritte ein Him¬ mel entfallen war und er endlich keinen mehr hatte als den über ſich: wurd' er ganz ſanft und freuete ſich, daß er nicht kühner geweſen. — Wie glänzt ihm jetzt die Erde, wie nähert ſich ihm der Sonnenhimmel, wie liebt ſein Herz! *) Sonſt glaubte man, daß eine im Chorſtuhle liegende Lilie den Tod deſſen bedeute, dem er gehörte.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 1. Berlin, 1800, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan01_1800/376>, abgerufen am 28.11.2024.