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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Ach! ich kenne einige schlafende Gestalten auf
diesen Wolken! . . .

"Alle diese Wolken ziehen mit ihren Schläfern
nach Morgen -- und sobald der große gute Gott
aufgeht in der Gestalt der Sonne: so wachen sie
alle auf und leben und jauchzen ewig."

O siehe! die Wolken gen Osten glühen höher
und drängen sich in Ein Glut-Meer zusammen --
die steigende Sonne nahet sich -- alle Schlummern¬
den lächelen lebendiger aus dem seeligen Traum
dem Wachen entgegen --

O ihr ewig geliebten kenntlichen Gestalten!
wenn ich in eure großen himmelstrunknen Augen
wieder werde schauen können . . . -

Ein Sonnenblitz schlug empor -- Gott ruhte
flammend vor der zweiten Welt -- alle geschlossene
Augen fuhren auf. -- --

Ach! auch meine: bloß die Erdensonne gieng
auf -- ich klebte noch auf der streitenden Abend-
Kugel -- die kürzeste Nacht war über meinen
Schlummer vorübergeeilet als wäre sie die letzte
des Lebens gewesen.

Es sei! aber heute richtet sich mein Geist auf
mit seinen irdischen Kräften -- ich erhebe meine

Ach! ich kenne einige ſchlafende Geſtalten auf
dieſen Wolken! . . .

„Alle dieſe Wolken ziehen mit ihren Schlaͤfern
nach Morgen — und ſobald der große gute Gott
aufgeht in der Geſtalt der Sonne: ſo wachen ſie
alle auf und leben und jauchzen ewig.“

O ſiehe! die Wolken gen Oſten gluͤhen hoͤher
und draͤngen ſich in Ein Glut-Meer zuſammen —
die ſteigende Sonne nahet ſich — alle Schlummern¬
den laͤchelen lebendiger aus dem ſeeligen Traum
dem Wachen entgegen —

O ihr ewig geliebten kenntlichen Geſtalten!
wenn ich in eure großen himmelstrunknen Augen
wieder werde ſchauen koͤnnen . . . –

Ein Sonnenblitz ſchlug empor — Gott ruhte
flammend vor der zweiten Welt — alle geſchloſſene
Augen fuhren auf. — —

Ach! auch meine: bloß die Erdenſonne gieng
auf — ich klebte noch auf der ſtreitenden Abend-
Kugel — die kuͤrzeſte Nacht war uͤber meinen
Schlummer voruͤbergeeilet als waͤre ſie die letzte
des Lebens geweſen.

Es ſei! aber heute richtet ſich mein Geiſt auf
mit ſeinen irdiſchen Kraͤften — ich erhebe meine

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[458/0468] Ach! ich kenne einige ſchlafende Geſtalten auf dieſen Wolken! . . . „Alle dieſe Wolken ziehen mit ihren Schlaͤfern nach Morgen — und ſobald der große gute Gott aufgeht in der Geſtalt der Sonne: ſo wachen ſie alle auf und leben und jauchzen ewig.“ O ſiehe! die Wolken gen Oſten gluͤhen hoͤher und draͤngen ſich in Ein Glut-Meer zuſammen — die ſteigende Sonne nahet ſich — alle Schlummern¬ den laͤchelen lebendiger aus dem ſeeligen Traum dem Wachen entgegen — O ihr ewig geliebten kenntlichen Geſtalten! wenn ich in eure großen himmelstrunknen Augen wieder werde ſchauen koͤnnen . . . – Ein Sonnenblitz ſchlug empor — Gott ruhte flammend vor der zweiten Welt — alle geſchloſſene Augen fuhren auf. — — Ach! auch meine: bloß die Erdenſonne gieng auf — ich klebte noch auf der ſtreitenden Abend- Kugel — die kuͤrzeſte Nacht war uͤber meinen Schlummer voruͤbergeeilet als waͤre ſie die letzte des Lebens geweſen. Es ſei! aber heute richtet ſich mein Geiſt auf mit ſeinen irdiſchen Kraͤften — ich erhebe meine

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/468>, abgerufen am 25.11.2024.