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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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wenn er selber nicht mehr ist, so wehen seine nach¬
tönende Gedanken in den papiernen Laube noch fort
und spielen wie andre zerstiebende Träume, durch
ihr Geflüster und ihren Schatten von manchem fer¬
nen Herzen eine schwere Stunde hinweg. -- Die¬
ses ist auch mein Wunsch, aber nicht meine Hoff¬
nung: wenn es aber eine schöne weiche Seele giebt,
die so voll ihres Innern, ihrer Erinnerung und
ihrer Phantasien ist, daß sie sogar bei meinen
schwachen überschwillt -- wenn sie sich und ein vol¬
les Auge, das sie nicht bezwingen kann, mit die¬
ser Geschichte verbirgt, weil sie darin ihre eigne
-- ihre verschwundnen Freunde -- ihre vorüberge¬
zognen Tage -- und ihre versiegten Thränen wie¬
der findet: o dann, geliebte Seele, hab' ich an
dich darin gedacht ob ich dich gleich nicht kannte
und ich bin dein Freund wiewol nicht dein Bekann¬
ter gewesen. Noch bessere Menschen werden dir
beides seyn, wenn du den Schlimmern verbirgst,
was du jenen zeigst, wenn das Göttliche in dir,
gleich Gott, in einer hohen Unsichtbarkeit bleibet,
und wenn du sogar deine Thränen verschleierst --
weil harte Hände sich ausstrecken, die gern sie mit
dem Auge zerdrücken, wie man nach dem Regen

wenn er ſelber nicht mehr iſt, ſo wehen ſeine nach¬
toͤnende Gedanken in den papiernen Laube noch fort
und ſpielen wie andre zerſtiebende Traͤume, durch
ihr Gefluͤſter und ihren Schatten von manchem fer¬
nen Herzen eine ſchwere Stunde hinweg. — Die¬
ſes iſt auch mein Wunſch, aber nicht meine Hoff¬
nung: wenn es aber eine ſchoͤne weiche Seele giebt,
die ſo voll ihres Innern, ihrer Erinnerung und
ihrer Phantaſien iſt, daß ſie ſogar bei meinen
ſchwachen uͤberſchwillt — wenn ſie ſich und ein vol¬
les Auge, das ſie nicht bezwingen kann, mit die¬
ſer Geſchichte verbirgt, weil ſie darin ihre eigne
— ihre verſchwundnen Freunde — ihre voruͤberge¬
zognen Tage — und ihre verſiegten Thraͤnen wie¬
der findet: o dann, geliebte Seele, hab' ich an
dich darin gedacht ob ich dich gleich nicht kannte
und ich bin dein Freund wiewol nicht dein Bekann¬
ter geweſen. Noch beſſere Menſchen werden dir
beides ſeyn, wenn du den Schlimmern verbirgſt,
was du jenen zeigſt, wenn das Goͤttliche in dir,
gleich Gott, in einer hohen Unſichtbarkeit bleibet,
und wenn du ſogar deine Thraͤnen verſchleierſt —
weil harte Haͤnde ſich ausſtrecken, die gern ſie mit
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[452/0462] wenn er ſelber nicht mehr iſt, ſo wehen ſeine nach¬ toͤnende Gedanken in den papiernen Laube noch fort und ſpielen wie andre zerſtiebende Traͤume, durch ihr Gefluͤſter und ihren Schatten von manchem fer¬ nen Herzen eine ſchwere Stunde hinweg. — Die¬ ſes iſt auch mein Wunſch, aber nicht meine Hoff¬ nung: wenn es aber eine ſchoͤne weiche Seele giebt, die ſo voll ihres Innern, ihrer Erinnerung und ihrer Phantaſien iſt, daß ſie ſogar bei meinen ſchwachen uͤberſchwillt — wenn ſie ſich und ein vol¬ les Auge, das ſie nicht bezwingen kann, mit die¬ ſer Geſchichte verbirgt, weil ſie darin ihre eigne — ihre verſchwundnen Freunde — ihre voruͤberge¬ zognen Tage — und ihre verſiegten Thraͤnen wie¬ der findet: o dann, geliebte Seele, hab' ich an dich darin gedacht ob ich dich gleich nicht kannte und ich bin dein Freund wiewol nicht dein Bekann¬ ter geweſen. Noch beſſere Menſchen werden dir beides ſeyn, wenn du den Schlimmern verbirgſt, was du jenen zeigſt, wenn das Goͤttliche in dir, gleich Gott, in einer hohen Unſichtbarkeit bleibet, und wenn du ſogar deine Thraͤnen verſchleierſt — weil harte Haͤnde ſich ausſtrecken, die gern ſie mit dem Auge zerdruͤcken, wie man nach dem Regen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/462>, abgerufen am 22.11.2024.